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Der Streit um die Braunkohle ist nicht erst entbrannt, seit RWE den Hambacher Forst roden will. Während der bräunliche Stoff für die einen eine sichere Grundversorgung mit elektrischer Energie liefert, sehen Kritiker vor allem die Umweltschäden. Denn der Abbau hinterlässt gigantische, mehrere hundert Meter tiefe Wunden in der Landschaft. 85 Quadratkilometer groß ist das Loch des Hambacher Tagebaus. Eine Fläche, auf der nicht nur Wald stand. Neben landwirtschaftlichen Flächen wurden auch ganze Ortschaften vernichtet. Mehr als 300 Siedlungen mit insgesamt rund 100.000 Menschen wurden deutschlandweit schon für das Geschäft mit der Kohle umgesiedelt – viele von ihnen unfreiwillig.
Doch der enorme Flächenverbrauch spielt in der gegenwärtigen Debatte eher eine untergeordnete Rolle. Im Vordergrund steht zurzeit die Rolle der Braunkohle als Treiber des Klimawandels.
Darum setzt Braunkohle pro kW/h besonders viel CO2 frei
Braunkohle wird zu gut 90 Prozent in speziellen Kraftwerken zur Stromerzeugung verbrannt. Zwar sank ihr Anteil im Vergleich zum Steinkohle in den vergangenen Jahren. Aber bei Weitem nicht schnell genug, wie Kritiker meinen. An einer besonderen Eigenschaft entzündet sich der Streit der Kohlegegner mit der Energiewirtschaft: Bei der Verbrennung von Braunkohle gelangen nicht nur Schwermetalle, Quecksilber, Feinstaub und Dioxine in die Umwelt. Der bräunliche Stoff setzt beim Verbrennen pro Kilowattstunde erzeugten Stroms besonders große Mengen Klimagase frei – vor allem Kohlendioxid, das wichtigste Klimagas.
Während Steinkohle – die Emissionen des Kraftwerksbetriebs und der übrigen Klimagase eingerechnet – pro Kilowattstunde zwischen 790 und 1080 Gramm CO2 freisetzt, sind es bei Braunkohle immerhin 980 bis 1230 Kilogramm. Zum Vergleich: In einem effizienten Gaskraftwerk verbrennt Gas mit rund 420 Gramm CO2 pro kw/h. Der Grund für die enorme Klimaschädlichkeit der Braunkohle liegt in ihrer Entstehung.
Wie die Braunkohle entstand
Die Vorkommen in der Lausitz und im Rheinland sind erdgeschichtlich sehr viel jünger als die Steinkohle, nämlich zwischen fünf und 25 Millionen Jahre. Wo sich heute Schaufelradbagger Hunderte Meter tief in die Erde wühlen, standen einst Moore und Wälder, die im Lauf der Erdgeschichte immer wieder von Sedimenten überdeckt wurden, absanken und unter Luftabschluss, wachsendem Druck und Hitze eine chemische Umwandlung durchmachten. Fachleute sprechen von Inkohlung. Dieser Prozess ist bei der Braunkohle unvollständig.
Während die hochwertigste Steinkohle, das Anthrazit, fast vollständig aus Kohlenstoff besteht, enthält Rohbraunkohle mehr als 50 Prozent Wasser - und selbst nach der Trocknung nur zwischen 58 und 73 Prozent Kohlenstoff. Nicht selten findet man darum in Braunkohlehorizonten auch gut erhaltene Überreste von fossilen Wäldern, sogar komplett erhaltene Baumstubben.
Und genau das ist das Problem: Der geringere Heizwert der Braunkohle.
Braunkohlevorräte reichen noch jahrzehntelang
Während Steinkohle für den deutschen Energiemarkt überwiegend importiert wird, kann Braunkohle nicht nur vor Ort gewonnen - sondern auch verfeuert werden. Doch die eingesparten Transport-Emissionen bis zum Kraftwerk sind Peanuts. Vier der fünf größten CO2-Schleudern Europas stehen auf deutschem Boden. Darunter die RWE-Braunkohlekraftwerke Neurath, Niederaußem und Weisweiler – schon von weitem zu erkennen an den Wasserdampfschwaden der Kühltürme.
Braunkohle-Weltmeister Deutschland
Warum der Ausstieg aus der Braunkohleverstromung hierzulande so kontrovers diskutiert wird, erhellt auch ein Blick auf die weltweiten Förderraten. Denn kein Land der Welt fördert mehr Braunkohle als Deutschland. 178 Millionen Tonnen oder ein weltweiter Anteil von 17,6 Prozent waren es im Jahr 2015. Auf Platz zwei folgt China weit abgeschlagen mit 13,8 Prozent. Und die deutschen Vorräte reichen nach Schätzungen der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe noch "mehrere Jahrzehnte": ein Problem für den Klimaschutz.
Denn um die CO2-Minderungsziele der Regierung zu erreichen, muss das allermeiste davon im Boden bleiben – und die dreckigsten Kraftwerke so schnell wie möglich vom Netz. Schon im Jahr 2020 soll der deutsche CO2-Ausstoß gegenüber 1990 um 40 Prozent sinken. Bislang sind es 28 Prozent. Und die Abbaugenehmigung für den Tagebau Hambach läuft erst 2040 aus.