Inhaltsverzeichnis
1. Was ist der Hambacher Forst?
Der Hambacher Forst ist der Rest des Hambacher Waldes, der in den 1970er-Jahren rund 4100 Hektar umfasste. Seit der erste RWE-Bagger zwischen Aachen und Köln am 15. Oktober 1978 mit dem Braunkohleabbau begann, ist dieses Waldgebiet auf einen Rest von rund 200 Hektar geschrumpft. Davon will RWE ab Oktober 2018 etwa die Hälfte roden, um seinen Tagebau plangemäß zu erweitern. Umweltschützern zufolge ist das verbliebene Waldstück mit seinem alten Baumbestand aus Eichen und Hainbuchen ökologisch wertvoll. Zahlreiche geschützte Tierarten leben hier, unter anderen Bechsteinfledermaus, Springfrosch, Haselmaus und MIttelspecht. Das Waldstück kommt zudem als europäisches Flora-Fauna-Habitat (FFH)-Schutzgebiet in Betracht.
2. Seit wann gibt es Proteste?
Der Protest gegen die Abholzungen ist noch älter als der Tagebau selbst. Schon 1977 gründete sich die "Hambach-Gruppe", um gegen die Umsiedlung von Dörfern zu protestieren. 2004 machte Greenpeace erstmals auf die fortlaufende Zerstörung aufmerksam, und der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) zog erstmals 2009 gegen den Betreiber RWE vor Gericht. Ab 2012 besetzten Aktivisten aus der Anti-Kohle-Bewegung einen Teil des Waldes, errichteten Zeltcamps und Baumhäuser. Immer wieder kommt es seither zu Auseinandersetzungen mit der Polizei.
3. Worum geht es bei dem Streit zwischen RWE und den Gegnern?
Der Kohlekonzern RWE argumentiert, Braunkohle würde noch lange gebraucht und sichere die Grundversorgung mit Elektrizität. Während das Unternehmen plangemäß weiterbaggern und so den Brennstoff-Nachschub für die Kohlekraftwerke Niederaußem und Neurath sichern möchte, argumentieren die Gegner, hier dürfe kein weiterer kostbarer Wald für die klimaschädlichste Form der Stromerzeugung geopfert werden. Allein die nahegelegenen Kraftwerke Neurath, Niederaußem und Weisweiler schleudern jährlich 80 Millionen Tonnen Treibhausgase in die Luft – und damit ein Zehntel der gesamtdeutschen Emissionen. Um die Klimaziele des Pariser Abkommens zu erreichen, sei ein schneller Ausstieg aus der Kohleverstromung unumgänglich. Und die Schonung von Wäldern, die als grüne Kohlenstoffsenken eine bedeutende Rolle beim Kampf gegen den Klimawandel spielen.
Zwischen den Lagern steht die Polizei, die bis zum Rodungsbeginn den Wald räumen muss und für die Sicherheit der RWE-Arbeiter geradesteht. Der Landeschef der Polizeigewerkschaft, Michael Mertens, mahnt alle Seiten zur Zurückhaltung: "Ich möchte verhindern, dass wir über Monate hinweg Tausende von Polizisten in einen gefährlichen Einsatz schicken, während Politik und Wirtschaft nur kurze Zeit später einen Ausstieg aus dem Braunkohleabbau verkünden."
Auch wenn es vordergründig nur um ein Waldstück von der Größe von 100 Fußballfeldern geht: Der Hambacher Forst ist längst zum Symbol einer ernergiepolitischen Weichenstellung geworden.
4. Droht ein Stromausfall, wenn nicht gerodet wird?
In einem Schreiben an die von der Bundesregierung eingesetzte Kohlekommission schreibt RWE: "Eine vorübergehende Aussetzung der für Oktober 2018 geplanten Rodung im Tagebau Hambach würde bereits kurzfristig die Fortführung des Tagebaus und damit die Stromerzeugung der Kraftwerke Niederaußem und Neurath in Frage stellen". Gehen also in NRW die Lichter aus, wenn RWE nicht ab 1. Oktober 2018 rodet und baggert? Zweifel meldet der Umweltverband BUND an. Nach seiner Darstellung und nach Recherchen der Deutschen Welle gibt es allerdings auch ohne Rodung noch genügend Reserven für mindestens drei Jahre. Bis dahin dürfte auch geklärt sein, ob und wann der Kohleausstieg kommt.
5. Wie stellen sich Politiker in dem Streit?
Der sogenannte Hauptbetriebsplan, nach dem RWE den Tagebau erweitern möchte, wurde 2016 von der damaligen rot-grünen Landesregierung genehmigt. RWE erhielt damit das verbriefte Recht, hier bis 2040 Braunkohle abzubauen und zu verstromen. Ministerpräsident Armin Laschet (CDU), sieht dementsprechend keine Notwendigkeit, Einfluss zu nehmen oder RWE zu einem Aufschub der Rodungen zu drängen. Er sieht, ganz im Gegenteil, bei einem Aufschub die Energiesicherheit des Landes in Gefahr. Diese Haltung teilt auch Wirtschaftsminister Andreas Pinkwart vom Koalitionspartner FDP.
Die SPD ist in der Frage gespalten: Während die nordrhein-westfälische SPD, die traditionell Arbeitsplätze im Bergbau sichern möchte, auf der Seite von RWE und Ministerpräsident Laschet steht, hat sich die Bundesumweltministerin Svenja Schulze, ebenfalls SPD, für einen Aufschub der Rodungen ausgesprochen - zumindest, bis die Kohlekommission ihren Entwurf vorgelegt hat. Die soll bis Ende des Jahres einen Vorschlag für einen sozialverträglichen Ausstieg aus der Kohleverstromung erarbeiten.
Die Grünen haben zum Zeichen des Protests ihren kleinen Parteitag am 7. Oktober in den Hambacher Forst verlegt. Veranstaltungsort ist ein Zelt vom Umweltverband BUND.
6. Wann wird gerodet?
Die Rodungssaison beginnt am 1. Oktober. Allerdings läuft noch eine gerichtliche Auseinandersetzung zwischen dem Umweltverband BUND und dem Land Nordrhein-Westfalen um die Zulässigkeit des aktuellen Hauptbetriebsplans für den Braunkohletagebau Hambach. Nach Aufforderung durch das Oberverwaltungsgericht in Münster hat RWE nun eine so genannte Stillhaltezusage abgegeben – und will nicht vor dem 14. Oktober mit dem Roden anfangen. Ob es bei diesen zwei Wochen Aufschub für den Wald bleibt, ist unklar. Bislang deutet nichts darauf hin, dass RWE noch länger warten will.