Lesen Sie einen Auszug aus der neuen Ausgabe von GEO WISSEN zum Thema "Väter":
Neulich ist ihm in einem Fernsehfilm ein junger Schauspieler aufgefallen, der bewegte sich ziemlich genau so wie er früher, und er ähnelte ihm auch ein wenig. Der könnte von mir sein, hat Kirk Maxey gedacht. Auf der Straße passiert ihm so etwas auch manchmal. Die Frau an der Ampel? Der Kerl, der ihm gestern im Supermarkt blöd gekommen ist?
Dass hier in Ann Arbor, einem kleinen Universitätsstädtchen in Michigan, mehr Nachkommen von ihm herumlaufen, als ihm lieb ist, davon geht Kirk Maxey fest aus. Doch gestattet er sich eigentlich nicht, solchen Gedanken nachzuhängen. Er will sich nicht verrückt machen, nur weil ihn irgendjemand an ihn selbst erinnert.
Ohnehin hat er schon mehr als genug Probleme. Seit er auf Druck der Bank in seinem Pharma-Unternehmen zehn Mitarbeiter entlassen musste, fühlt sich der 55-Jährige im Würgegriff der Finanzinstitute. Seine Frau ist seit sechs Monaten seine Ex-Frau, und letzte Nacht wurde in seiner Firma eingebrochen.
Ohnehin reden sie im Betrieb schon mehr als genug über ihn. Es kann die Autorität eines Chefs untergraben, wenn hinter vorgehaltener Hand über dessen Sperma gesprochen wird. Kirk Maxey wischt sich den Schweiß von der Stirn, blinzelt in die hoch stehende Mittagssonne.
Federnden Schrittes geht er über den Rasen vor seinem Haus, vorbei an dem Bienenstock, in die von ihm selbst ausgebaute Scheune. Dort schneidet er mit einem langen Messer Stück für Stück Bienenwaben vom Brett, füllt sie in eine Blech-Zentrifuge mit Handkurbel, gießt den noch ungefilterten Roh-Honig in Gläser ab, die er eine halbe Stunde im Wasserbad erhitzt, und seiht dann den Inhalt durch.
Ein Samenspender und die Folgen seines Tuns
Das Honigmachen beruhigt ihn sehr. Morgen wird er in der Firma wieder Gläser verschenken. Gut, mit dem Gerede hat er rechnen müssen, nachdem er seine Vergangenheit öffentlich gemacht hatte und sogar sein entziffertes Erbgut für jedermann sichtbar ins Internet stellen ließ. Aber er hat es ja nicht zum Spaß gemacht. Oder leichtfertig.
Nein, er, Kirk Maxey, hat den Schutz seiner Anonymität verlassen, weil ihn die Konsequenzen seiner Zeit als Samenspender bedrücken.
Weil er sichergehen will, dass er gesunde Kinder in die Welt gesetzt hat. Weil er nach seinen eigenen, sehr zurückhaltenden Schätzungen Vater von mindestens 400 Kindern ist, die er nicht kennt. Gesichtslosen Wesen, Leerstellen im Puzzle seines Lebens.
Objektiv betrachtet, kann eine Frau, die einen Samenspender sucht, auf sehr viel schlechtere Alternativen stoßen als auf ihn. Mit ein bisschen Fantasie sieht er aus wie Paul Newman in seinen späteren Jahren. Er hat zwei Studiengänge beendet und zwei Ehen, aus denen vier äußerst vorzeigbare Kinder stammen. Er führt ein Unternehmen mit 250 Mitarbeitern, ist kultiviert und geduldig, lebt gesund und redet mit sanfter Stimme.
Dies ist seine Geschichte. Kirk Maxey war Anfang der 1980er Jahre Medizinstudent und frisch verheiratet. Seine Frau arbeitete als Krankenschwester in einer Klinik für künstliche Befruchtungen, 100 Meilen westlich von Ann Arbor. Dort suchten sie Samenspender.
Er gab seinen Samen und redete nicht darüber, weil man das damals nicht tat. Fragen nach Krankheiten gab es anfangs ebenso wenig wie gründliche medizinische Untersuchungen. Zunächst habe ein altruistisches Motiv bei ihm im Vordergrund gestanden. Er und seine Frau hatten gerade ihren ersten Sohn bekommen und viel Freude an ihm. „Also hielt ich es für eine gute und ehrenwerte Sache, anderen Paaren zu helfen.“
Die Klinik verlangt zwei Portionen pro Woche
Die Regelung war klar: Die Samenproben, für die er jeweils 20 Dollar erhielt, waren ausschließlich für heterosexuelle Paare bestimmt, bei denen der Mann unfruchtbar war – anders als heute, da mindestens die Hälfte der Ware an alleinstehende Frauen oder lesbische Paare verkauft wird. Dann wechselte er an eine andere Klinik. Die verlangte zwei Samenspenden pro Woche. Auf seine Frage, wieso so viele erwünscht seien, erklärte man ihm, die Klinik arbeite an einem großen Entwicklungsprogramm zu Forschungszwecken.
Maxey fragte nicht weiter nach. „Ich hab die Verantwortung auf die Männer mit den weißen Kitteln übertragen.“ An der Klinik gab es das sogenannte Masturbatorium, einen kleinen, mit zweckdienlichen Heften ausgelegten Raum, den Maxey in der Regel lieber mied. „Man braucht dort einfach länger.“ Er erledigte seine Aufgabe lieber daheim und brachte das Resultat abgefüllt und verschraubt zu einem Assistenten, der ihn zuvor auf Geschlechtskrankheiten untersucht hatte.
Vor dem gab es keine Geheimnisse. „Er sagte mir, wenn es seiner Meinung nach beim letzten Mal zu wenig gewesen war. Und er erklärte auch, warum es zu wenig war.“ Maxey lernte, dass er zwei Tage vor dem Spendetermin keinen Sex haben durfte. Und so kam es damals manchmal zu Gesprächen, die etwa so verliefen: „Hmm, Kirk, was ist passiert, da ist ja nichts drin.“ „Oh, tut mir leid, mir war gestern so romantisch zumute.“
Seine Frau habe ihn manchmal geneckt: „Zum Teufel mit der Samenbank, ich zahl dir 40 Dollar!“ Kirk Maxey sagt, es gab Wege, das eigene Sexualleben so zu managen, dass es nicht litt (am besten direkt nach der Spende!), aber natürlich habe es Konflikte gegeben zwischen den Ansprüchen der Klinik und denen des Ehelebens.
Sicherlich spielte bei Maxey auch Eitelkeit mit, jenes erhebende Gefühl des Auserwähltseins. Nur etwa jeder zehnte Mann liefert ein Ejakulat, das auch nach sechs Monaten in flüssigem Stickstoff noch eine ausreichend hohe Anzahl an beweglichen Spermien enthält. Und die von Kirk Maxey waren außergewöhnlich beweglich.
Den vollständigen Text können Sie in der neuen Ausgabe von GEO WISSEN zum Thema "Väter" nachlesen.
