
Vor 5066 Jahren keimte in den kalifornischen White Mountains eine Kiefer. Ein Forscher entdeckte sie dort in den 1950er Jahren und zog eine Holzprobe aus ihrem knorrigen Stamm. Die darin gezählten Jahresringe belegen: Dieses Exemplar von Pinus longaeva, der Langlebigen Kiefer, ist die älteste bekannte individuelle Pflanze der Welt. Nirgendwo sonst steht ein Baum, Busch oder Strauch bereits so lange an einem Fleck.
Dass die Kiefer noch lebt, liegt daran, dass Gewächse offenbar anders altern, als es uns von Menschen und Tieren vertraut ist. Wie Biologen immer deutlicher erkennen, sind Verfall und Tod bei pflanzlichen Organismen keine zwangsläufigen Folgen eines Naturgesetzes, sondern werden weitgehend von einem genetischen Programm vorgegeben, das die jeweiligen Arten im Verlauf der Evolution nach und nach entwickelt haben.
Warum sich Pflanzen selbst zerstören
Sommerblüher wie etwa Löwenmäulchen leben meist nur einige Monate. Sie gehen ein, sobald sie Samen produziert haben, weil in ihnen eine genetisch fixierte Vorgabe bewirkt, dass dem Pflanzengewebe Nährstoffe entzogen werden. Die Blume zerstört sich quasi selbst. Das geschieht vermutlich, weil sie dadurch mehr Kraft in die Saat, also in ihren Nachwuchs, stecken kann und nichts für sich zurückbehält.
Langlebige Bäume wie Pinus longaeva weisen dagegen keinen Lebenszyklus mit programmiertem Ende auf. Wie bei allen Pflanzen sitzen an den Spitzen ihrer Triebe Zellen, die den embryonalen Stammzellen von Säugetieren ähneln. Das bedeutet: Sie sind noch nicht auf bestimmte Aufgaben spezialisiert, sondern können sich in verschiedene Gewebe umwandeln. Teile des Baums befinden sich damit gewissermaßen in einem permanenten embryonalen Stadium, und er kann Organe, die ihm verloren gehen - etwa die Blätter, die er im Herbst abwirft, oder vom Wind abgerissene Äste - immer wieder ersetzen.
Dies ist für Pflanzen sogar besonders einfach, weil sie modular aufgebaut sind, sich ihre Körperelemente also wiederholen. Die Organe des Menschen sind dagegen oft nur einmal vorhanden und unterliegen einer Hierarchie, was ihre Bedeutung für das Überleben betrifft. Das Herz etwa ist weit wichtiger als ein Ohr und darf niemals versagen.
Die Fähigkeit zur permanenten Erneuerung
Das Entscheidende nun bei langlebigen Pflanzen: Zwar sind immer wieder einzelne Organe genetisch festgelegten Prozessen unterworfen, die zu Alterung und Tod führen - aber der Organismus als Ganzes behält seine Fähigkeit zur permanenten Erneuerung.
Kurioserweise ist es vermutlich allein ihr stetes Wachstum, das langlebige Bäume irgendwann doch noch umbringt. Oft bilden sie einfach zu viele Äste und Zweige aus, die Verbindungswege werden zu lang, um noch alle Blätter ausreichend mit Wasser und Nährstoffen versorgen zu können. Das schwächt sie vermutlich auf Dauer - und mit zunehmender Größe sind sie zudem immer stärker den Naturgewalten ausgesetzt.
Jahrtausende alte Klone
Manchmal kann sich eine Pflanze aber gewissermaßen selbst regenerieren. In Tasmanien entdeckten Biologen eine Busch-Spezies, deren Vertreter alle das gleiche Erbgut besitzen. Diese Kolonie genetischer Kopien einer gemeinsamen Ursprungspflanze klont sich also immer wieder selbst. Und dies, das haben Radiokarbondatierungen fossiler Blätter gezeigt, seit mindestens 43.600 Jahren.
Die einzelnen Exemplare allerdings werden, verglichen mit Pinus longaeva, nicht besonders alt: Jeder der Sträucher stirbt bereits nach ein paar Jahrhunderten. Bislang aber haben die Forscher noch keine physiologischen oder genetischen Gründe gefunden, weshalb die Langlebige Kiefer der White Mountains den fünf Millennien ihrer Existenz nicht noch etliche Wachstumsperioden hinzufügen könnte. Vorausgesetzt, kein Sturm wirft sie um.
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