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Archäologie Schatzschiff aus der Bronzezeit: Das Geheimnis des Wracks von Uluburun

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Beladen mit Kostbarkeiten aus der halben antiken Welt sank um 1300 v. Chr. ein Segler im Mittelmeer, der von der Levanteküste kam. Jahrtausende später wurde das Wrack unweit der Landzunge von Uluburun im Süden der Türkei entdeckt – einer der bedeutendsten archäologischen Funde aller Zeiten
Ein offenes Holzschiff mit breitem Segel und elf Männern an Bord auf dem Meer, vor einem Küstenstreifen
Meisterwerk der Baukunst: Das Schiff, das möglicherweise von Ugarit im heutigen Syrien zu seiner letzten Fahrt in See stach, bestand aus millimetergenau zusammengesetztem Zedernholz und war 15 Meter lang und fünf Meter breit. An Bord waren vermutlich mindestens elf Männer
©  Tim Wehrmann für GEO EPOCHE

Vor mehr als drei Jahrtausenden segeln wohl mindestens elf Männer in ihr Verhängnis und ahnen es nicht mal. Wir müssen uns einen Tag um das Jahr 1300 v. Chr. vorstellen, irgendwann zwischen Mai und September, der idealen Zeit, um sich aufs Mittelmeer zu wagen: klare Sicht, sanfte Wellen, kein Sturm. Steuerbords erstreckt sich die felsige Südküste Anatoliens, kaum 50 oder 100 Meter entfernt.

Das Schiff – kein Mensch kennt heute mehr seinen Namen – ist ein Meisterwerk des Bootsbaus, 15 Meter lang, fünf Meter breit. Kiel und Planken des Rumpfes sind aus libanesischer Zeder, Zapfen aus Eichenholz halten die millimetergenau ineinandergefügten Einzelteile zusammen. Die Zimmerleute haben Spanten in den Rumpf eingesetzt, eine Art versteifendes Holzskelett. Am mittschiffs stehenden Mast bläht sich ein an zwei Querstangen befestigtes Rahsegel aus Stoff, das mit eingewirkten Lederriemen verstärkt ist. Straffe, aus Pflanzenfasern gedrehte Taue fixieren den Mast. Mit weiteren Leinen wird das Segel gesetzt oder niedergeholt sowie in optimale Stellung zum Wind gedreht.

Der Kiel ist flach und so solide, dass das Schiff auf Sand auflaufen könnte, ohne Schaden zu nehmen. Aber er geht nicht sehr tief, bietet dem Wasser kaum Widerstand. Das Schiff kann nicht kreuzen, nicht im Zickzackkurs gegen den Wind ankommen. Es kann vor dem Wind segeln, also mit dem Wind im Rücken, wahrscheinlich auch noch auf einem Halbwindkurs – also mit dem Wind genau von der Seite. Es liegt tief im Wasser, denn es ist voll beladen. Vielleicht gar zu voll …

Auf dem Deck eines Holzschiffs sitzen eine Frau und mehrere Männer, im offenen Laderaum lagern viele Amphoren und volle Körbe
Neben den bärtigen Seeleuten waren wohl auch hochgestellte Passagiere an Bord. Ihnen gehörte ein Teil der Ladung, bronzene Schwerter etwa, Schmuckperlen, Gold und Silber. In Tonkrügen transportierte der Segler zudem Granatäpfel, Oliven, Kreuzkümmel, Koriander, Mandeln, Feigen
©  Tim Wehrmann für GEO EPOCHE

Vier der womöglich elf Menschen an Bord sind einfache Seeleute. Einer oder zwei von ihnen stehen am Heck und halten mit den zu beiden Seiten befestigten Steuerrudern Kurs, einer sitzt als Ausguck rittlings oben auf der Rah. Ein anderer flickt vielleicht irgendwas, auf See gibt es immer etwas zu flicken, oder vertreibt sich die Zeit mit Spielsteinen aus Knochen. Neben dem Kapitän gehören noch drei weitere Personen von höherem Rang zur Besatzung, bärtige Männer aus Kanaan, einer Gegend ein paar Tagesreisen weiter südöstlich an der Küste Vorderasiens. Routinierte Segler, die diese Route wohl schon oft befahren haben. Sie stehen womöglich gerade auf einem etwas höher gelegenen Deck im Heck, unweit der Steuerruder.

Erschienen in GEO Epoche 123/2023

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