Misokinesie Null Toleranz für Zappelphilipp! Warum uns hektische Bewegungen so sehr stören

Eine Illustration des Zappelphilipps aus dem Buch Struwwelpeter
Ständiges Wackeln etwa mit einem Fuß löst bei manchen Menschen starke Emotionen wie Wut oder Angst aus
© Culture Club / Getty Images
Bei einigen Menschen lösen wiederholte, schnelle Bewegungen heftige Reaktionen aus. Das Phänomen erinnert an eine andere bereits bekannte psychische Störung – Misophonie

Schlürfen, Schlucken, Schmatzen – bestimmte Alltagsgeräusche anderer sind für manche Menschen nur schwer zu ertragen. Oft sind Angst, Ekel oder Wut im Spiel. Die zugrunde liegende psychische Störung wird als Misophonie bezeichnet und zunehmend wissenschaftlich erforscht. Aber auch repetitive Bewegungen, wie das Zappeln eines Fußes oder das Trommeln mit Fingern auf einer Tischplatte, können andere Menschen regelrecht aus der Fassung bringen. Aufgrund der Ähnlichkeit zur Misophonie wird diese visuelle Sensibilität als Misokinesie bezeichnet. Im Gegensatz zur akustischen Empfindlichkeit wurde Misokinesie allerdings bislang nur wenig untersucht. Vorreiter auf diesem Gebiet sind die beiden kanadischen Forschenden Todd Handy und Sumeet Jaswal. Bereits 2021 haben sie in einer Pilotstudie in der Fachzeitschrift "Scientific Report" das Phänomen der Überempfindlichkeit auf bestimmte, sich ständig wiederholende Bewegungen beschrieben. 

Misokinesie tritt oft gemeinsam mit Misophonie auf

Zunächst führten die Forschenden große Umfragen unter Studierenden und Menschen aus unterschiedlichen Gesellschaftsschichten durch, um einen möglichst repräsentativen Querschnitt der Bevölkerung darzustellen. Unter anderem wurden die Teilnehmenden gefragt, ob sie Wut und andere negative Emotionen oder körperliche Reaktionen fühlen, wenn andere Menschen zappeln oder beispielsweise mit dem Fuß wackeln. Das Ergebnis: Mehr als ein Drittel der Befragten 4100 Personen beantworteten die Frage mit einem klaren "Ja". Damit scheint Misokinesie in der Gesellschaft weiter verbreitet zu sein als bisher vermutet. "Manchmal können die Emotionen sogar so stark werden, dass Betroffene deswegen weniger sozialen Aktivitäten nachgehen", erklärte Professor Handy in einer Pressemitteilung der University of British Columbia. Weiterhin gehen Misophonie und Misokinesie oft Hand in Hand – etwa ein Viertel der Befragten waren von beiden Leiden betroffen. Zudem stellten die Forschenden fest, dass Misokinesie mit dem Alter zunimmt. 

In einer neuen, kürzlich veröffentlichten Folgestudie der Fachzeitschrift "PLOS ONE" untersuchten Handy und Jaswal die Ursachen des Phänomens genauer. Menschen mit Misokinesie zeigten demnach – im direkten Vergleich mit einer Kontrollgruppe – keine verstärkte visuelle Aufmerksamkeit und waren nicht anfälliger für plötzlich auftretende emotionale, visuelle Reize. Die Betroffenen könnten allerdings Schwierigkeiten haben, ihre Aufmerksamkeit von dem auslösenden Reiz, etwa einem zappelnden Bein, wieder zu lösen. Doch wie kommt es dadurch zu Gefühlen wie Angst? "Da Menschen oft zappeln, wenn sie ängstlich oder nervös sind, könnte sich diese Emotion auch auf den Betrachter übertragen", so Jaswal. Generell seien die Auslöser und die Ausprägung der Misokinesie aber von Person zu Person sehr unterschiedlich. 

Aktuell führen Handy und Jaswal bereits eine neue Online-Studie durch – auf ihrer Website können alle Interessierten oder Betroffenen an der aktuellen Befragung teilnehmen und so dabei helfen, Misokinesie als weit verbreitetes psychologisches Phänomen besser zu verstehen. 

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