In Deutschland sind Blutkonserven Mangelware. Nur etwa drei Prozent der Bevölkerung spendet regelmäßig Blut – dabei werden laut Deutschem Roten Kreuz täglich etwa 14.000 Blutspenden benötigt. Bis heute gibt es noch kein künstlich hergestelltes Ersatzprodukt für Blut. Daher ist nach Unfällen, in der Krebstherapie, bei Operationen oder Immunkrankheiten, eine Bluttransfusion durch Spenderblut für viele Menschen die einzige Überlebenschance. Wichtig ist: Die Blutgruppen müssen dabei kompatibel sein, sonst kann das Blut verklumpen – mit lebensbedrohlichen Konsequenzen.
Ein internationales Forscherteam der South China University of Technology hat es nun geschafft, dieses Problem zu umgehen. Die Forschenden veränderten die Oberfläche von gespendeten roten Blutkörperchen (Erythrozyten) im Labor und erzeugten dadurch eine Art Universalblut. Dieses konnte anschließend unabhängig von der Blutgruppe verwendet werden. Darüber hinaus ermöglichte das Verfahren sogar eine Blutspende zwischen Menschen und Tieren. Das neue Verfahren könnte Bluttransfusionen zukünftig "revolutionieren", schlussfolgert Wei Zhu, Leiter der Studie, die kürzlich in der Fachzeitschrift "PNAS" veröffentlicht wurde.
Antigene bestimmen die Blutgruppe
Rote Blutkörperchen tragen auf ihrer Oberfläche Zucker und Proteine, welche als "Antigene" wirken. Es gibt vier Hauptblutgruppen: Blutgruppe A besitzt Antigen A, Blutgruppe B das Antigen B; sind beide Antigene vorhanden, spricht man von Blutgruppe AB, befinden sich keine Antigene auf den Zellen handelt es sich um Blutgruppe 0. Zusätzlich gibt es den Rhesusfaktor: Er wird als positiv oder negativ angegeben, je nachdem ob das Rhesus-D-Antigen vorkommt. Durch eine falsche Kombination der Antigene, beispielsweise durch ungeeignetes Spenderblut, kommt es zu einer Abwehrreaktion des Immunsystems - das Blut verklumpt und verstopft Blutgefäße. In der Folge kann es zu Herzinfarkten oder Schlaganfällen kommen.
Das Team um Zhu entwickelte nun ein Verfahren, diese Antigene auf der Zelloberfläche von Erythrozyten abzuschirmen und damit zu inaktivieren. Im Labor erzeugten die Forschenden eine schützende Hülle auf Siliziumbasis um die roten Blutkörperchen. "Es ist ein einfaches und billiges Verfahren: Es kann in jedem Labor mit minimaler Ausrüstung und ohne Fachwissen durchgeführt werden", sagt Zhu. Anschließend verwendeten sie diese Zellen als Bluttransfusion in Ratten und Mäusen, unabhängig von deren Blutgruppe. Die umhüllten Blutzellen verhielten sich dabei wie Blutkörperchen ohne Antigene und waren in der Lage, die Immunerkennung zu umgehen. Alle natürlichen Funktionen des Blutes blieben erhalten.
Das Außergewöhnliche war zudem, dass sich das künstliche Blut sogar artübergreifenden verwenden ließ. Ein Novum in der Medizin. Normalerweise kommt es durch die unterschiedlichen Oberflächenantigene von Tieren und Menschen zu schweren Immunreaktionen. Bei den Experimenten der Forschenden war eine Bluttransfusion von menschlichem Blut in Nagetiere jedoch ohne Komplikationen möglich. Laut Zhu bietet dieser Durchbruch "das Potenzial, zukünftige klinische Anwendungen zu revolutionieren".
Die Forschenden haben somit die Grundlage für ein Verfahren zur Herstellung einer Art von Universalblut geschaffen. Dieses könnte zukünftig bei Menschen unterschiedlicher Blutgruppen angewendet werden. Es ist allerdings noch ein weiter Weg bis zu einem potenziellen medizinischen Einsatz. Bisher sind die Experimente lediglich an Tieren durchgeführt worden. Die nächsten Schritte für die Weiterentwicklung des manipulierten Bluts wären gründliche und langjährige klinische Studien, um die Gefahren und die Funktionsweise der Zellen im menschlichen Körper abschätzen zu können.