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Innenräume Schadstoffreaktor Mensch: Wie wir die Luftqualität beeinflussen

Eine junge Frau sitzt mit ihrem Laptop und Handy auf einer Fensterbank
Mehr Wissen über die Luftqualität in Innenräumen kann zu besseren Lebens- und Arbeitsbedingungen führen
© Marina Andrejchenko / Adobe Stock
Viele Menschen verbringen den Großteil ihrer Lebenszeit in Innenräumen – und sind dort einem komplexen Gemisch von Chemikalien ausgesetzt. Wie immens der Mensch selbst das Zusammenspiel dieser Substanzen beeinflusst, zeigen spezielle Experimente

Der Schadstoffgehalt in Räumen wird einer Studie zufolge entscheidend davon beeinflusst, ob sich gerade Menschen in dem Raum aufhalten oder nicht. Der menschliche Körper verursache in Innenräumen ähnliche Prozesse wie sie in großem Maßstab im Zusammenspiel von Erde und Atmosphäre stattfinden, heißt es in einem Kommentar zur Studie. Solche Vorgänge können einen großen Einfluss auf die Luftqualität von Innenräumen haben, zeigen die Experimente unter Leitung Mainzer Forschender. 

Europäer verbringen ebenso wie Nordamerikaner im Mittel rund 90 Prozent ihrer Zeit in Innenräumen, wie das Team um Nora Zannoni und Jonathan Williams vom Max-Planck-Institut für Chemie in Mainz erläutert.

Dabei seien sie einer Vielzahl von Chemikalien ausgesetzt, die etwa aus Baumaterialien und Einrichtungsgegenständen, aus Reinigungsmitteln oder beim Kochen freigesetzt werden. Zudem seien Menschen selbst eine bedeutende Quelle für gasförmige Substanzen sowie für Partikel. Hinzu kommen von außen beim Lüften eingetragene Stoffe. 

Wirkung auf menschlichen Körper

Wie der menschliche Körper auf diese Mischung verschiedener, teils gesundheitsschädlicher Substanzen einwirkt, hat das Team um Zannoni nun mit einer speziellen Kammer an der Technischen Universität von Dänemark in Kopenhagen untersucht. Unter anderem wurde die Ozonmenge in An- und Abwesenheit von Menschen sowie die Konzentrationen sogenannter Hydroxyl-Radikale (OH-Radikale) in der Raumluft analysiert. 

Aus Ozon entstehende OH-Radikale werden auch als "Waschmittel der Atmosphäre" bezeichnet, sie sind die wichtigste Gruppe freier Radikale in der Lufthülle der Erde. Der Abbau der meisten oxidierbaren Spurenstoffe in der Lufthülle geht auf Reaktionen mit ihnen zurück. Bei der Oxidation werden schlecht wasserlösliche Stoffe in besser wasserlösliche Stoffe umgewandelt, die durch Niederschlag ausgewaschen werden. Auf diese Weise werden etwa toxische Substanzen wie Benzol aus den oberen Luftschichten entfernt. 

In der Atmosphäre entstehen Hydroxyl-Radikale vor allem bei der sogenannten Photolyse durch UV-Licht. In Innenräumen spielt dieser Prozess eine kleinere Rolle, weil Fensterglas nur geringe Mengen UV-Licht durchlässt. OH-Radikale entstehen hier zum Beispiel durch Reaktionen von Ozon mit Substanzen aus Reinigungsmitteln, wie Alkenen und Terpenen - oder eben auch im Zusammenspiel mit dem menschlichen Körper.

Reaktion mit der Haut

Ozon reagiert demnach mit einem Fettstoff - dem Squalen - auf der Hautoberfläche und setzt unter anderem OH-Radikale frei. Die Reaktion finde nicht nur auf der Haut selbst statt, sondern etwa auch an Hautschuppen in abgelagertem Staub sowie an Kleidung und anderen Oberflächen mit Hautkontakt.

Wie stark die Menschen in einem Raum als Bioreaktoren das Chemikaliengemisch der Luft beeinflussen, hänge stark von der Ozon-Konzentration dort ab, erläutern die Forschenden. Diese wiederum sei abhängig von dessen Konzentration im Freien und der Belüftungsrate des Raums. Einfluss habe auch die Dichte der Belegung und der Anteil nicht von Kleidung bedeckter Hautfläche, mit höherer Temperatur und Luftfeuchtigkeit steige die Reaktionsfreudigkeit.

Die Ergebnisse bedeuteten eine Neubewertung der akuten und chronischen Gesundheitsrisiken von Innenraum-Substanzen, so das Team um Zannoni. Für bestimmte OH-Oxidationsprodukte wie Methacrolein sei bereits nachgewiesen, dass sie giftig sind - für eine große Anzahl von Reaktionsprodukten gebe es hingegen noch keine Einstufung. Das Wissen um den Einfluss des menschlichen Körpers könne bei der Auswahl von Verbindungen helfen, für die Toxizitätsdaten erstellt werden sollten. 

"Sowohl der menschliche Körper als auch die Erde sind chemische Reaktoren, die Oxidationsmittel und oxidierte Stoffe in den sie umgebenden Atmosphären verbrauchen oder produzieren", schreiben Coralie Schoemaecker von der Université de Lille (Frankreich) und Nicola Carslaw von der University of York (Großbritannien) in einem Kommentar zur Studie in "Science". 

Bessere Lebens- und Arbeitsumgebung

Es werde interessant sein zu erfahren, ob menschliche Emissionen in Innenräumen mit Chemikalien wie dem Nitrat-Radikal wechselwirken, das nachts im Freien ein wichtiges atmosphärisches Oxidationsmittel sei und tagsüber in schwach beleuchteten Innenräumen vorhanden sein könne. Mit mehr Wissen über die Luftqualität in Innenräumen ließen sich bessere Lebens- und Arbeitsumgebungen schaffen.

Derzeit sterben nach Angaben des Bundesgesundheitsministeriums weltweit rund vier Millionen Menschen jährlich an den Folgen von Luftverschmutzung in Innenräumen. Schadstoffe in der Raumluft wie Formaldehyd, Terpene und polychlorierte Biphenyle kommen demnach vor allem aus Baumaterialien, Putzmitteln und Möbeln, zudem können sie durch Feuchtigkeit und bei Verbrennungsprozessen - etwa durch Kochen, Kaminfeuer oder Rauchen - entstehen.

Annett Stein, dpa

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