Glitzerndes Winterwunderland mit bizarren Packeisformationen; majestätische Wasserwüste in entrückten Pudertönen oder aufgewühltes Meer mit gischtgekrönten Wogen – der Baikalsee hat viele Gesichter und eines ist faszinierender als das andere.
Aber nicht nur deshalb ist der Baikalsee ein unvergleichliches Stück Natur. Er ist der größte Süßwassersee der Erde, mit einer Länge von 636 Kilometern und einer Breite zwischen 27 und 80 Kilometern. Die Oberfläche von gut 31700 Quadratkilometern ist ungefähr so groß wie Belgien. Kein Wunder, dass der Baikalsee auch "Meer" genannt wird.
Und auch wenn der Baikalsee mit seiner Ausdehnung nur Platz sieben der Binnengewässer belegt, hält er mit einer Wassertiefe von bis zu 1642 Meter den absoluten Weltrekord und rund 20 Prozent der Süßwasserreserven der Erde.
Das Wasser im Baikalsee ist besonders rein und klar mit Sichttiefe bis zu 43 Metern. Heute ist der Baikalsee das einzige offene Trinkwassergebiet der Welt. Das Wasser wird aus 400 Meter Tiefe gepumpt und nur durch mechanische Filter gereinigt.
Baikalsee – am Anfang der Welt
Das Alter des Baikalsees wird auf 25 Millionen Jahre geschätzt. Auslöser für die Entstehung war die Kollision des indischen Subkontinents mit Asien. In der Folge kam es zu Plattenverschiebungen und schließlich entstand ein Graben – in diesem sammelte sich Wasser und der Baikalsee wuchs in Jahrmillionen auf seine heutige Länge an. Die Erde ist in dieser Region noch immer aktiv. Jedes Jahr verbreitert sich der Süßwassersee um rund zwei Zentimeter, außerdem gibt es zahlreiche heiße Quellen.
Auch biologisch ist der Baikalsee spannend: Etwa 3500 endemische Pflanzen und Tiere gibt es hier. Einzigartig ist beispielsweise die Nerpa genannte Baikalrobbe, verwand mit der Eismeerrobbe. Vermutet wird ein Umzug über sibirische Ströme und die Angara in den Baikalsee. Wie sie allerdings die Umstellung von Salz- auf Süßwasser bewerkstelligt hat, gibt der Wissenschaft noch heute Rätsel auf. Rund 60000 Tiere leben im Baikalsee, bester Beobachtungspunkt: erste Junihälfte im Uškan'i-Archipel.
Seit 1996 ist der Baikalsee UNESCO Weltnaturerbe. Zahlreiche Naturschutzgebiete säumen sein kaum besiedeltes Ufer.
Sibirien, das klingt auch immer ein wenig wie das Ende der Welt. Die Sirbirjaken, die Einwohner Sibiriens, sehen das ganz anders: In Sibirien, genauer gesagt am Baikalsee, nimmt für sie die Welt ihren Anfang. Klare Luft, Möwengeschrei und sonst nur das Säuseln der unendlichen Wälder; oder im Winter, wenn man durch das meterdicke Eis unter den eigenen Füßen gefühlt bis auf den Grund des Gewässers sehen kann – das hat tatsächlich eine besonders Magie.
Listvjanka - wo sich Baikal und Angara treffen
Viele Siedlungen gibt es nicht rund um den Baikalsee. Besucher reisen am besten nach Irkutsk und von dort etwa 65 Kilometer weiter in das Dorf Listvjanka. Hier hat der Baikalsee mit Angara seinen einzigen Abfluss. In der Mitte des Flusses sieht man noch die Spitze des sogenannten Schamanensteins (mys Šamanskij). Der Legende nach hat Vater Baikal ihn seiner einzigen Tochter Angara hinterher geschleudert, als diese sich in Jenissei verliebte. Der Name jenes Flusses, über den das Wasser des Baikalsees schließlich ins Nordpolarmeer mündet. Besuchen sollte man in Listvjanka das Baikalsee-Museum im Limnologischen Institut der Russischen Akademie der Wissenschaften. Hier gab es schon 1928 die erste Forschungsstation.
Außerdem startet in Listvjanka auch ein Abschnitt vom Great Baikal Trail, ein ökologischer Fernwanderweg rund um den Baikalsee. Anfangs war ein Rundweg geplant, inzwischen ist aus dem Great Baikal Trail ein Wegenetz mit unterschiedlichen Schwierigkeitsgraden geworden. Mit Hilfe von Freiwilligen aus aller Welt sind bereits 400 Kilometer fertiggestellt. Die Wanderung von Listvjanka nach Bolschoje Goloustnoje gehört zu den schönsten und populärsten Touren am Baikalsee. Begleitet von einem ständigen Wechsel zwischen Steilküste, Strand und Wald. Schwindelerregende Ausblicke von gewaltigen Felsmassiven und malerische Sandbuchten, die zum Baden einladen, säumen ebenfalls den Wegesrand. Die gute Erreichbarkeit von Irkutsk aus, machen diesen Abschnitt auch für Reisende der Transsibirischen Eisenbahn attraktiv. Möglich sind mehrtägige Touren auf dem Great Baikal Trail oder eine Tageswanderung auf der Strecke Listvjanka - Bolshy Koty.
Das besonders klare Wasser macht den Baikalsee auch zu einem Paradies für Taucher. In Listvyanka kann vom Ufer aus getaucht werden. Außerdem ist es hier möglich in den flachabfallenden Uferbereichen zu schnorcheln. Bereits auf der Strecke Irkutsk - Listvjanka liegt das Freilichtmuseum Tal'cy. Das architektur-ethnografische Museum versammelt viele verschiedene historische Bauten aus Ostsibirien, die hier wiedererrichtet wurden, etwa Ewenken-Lager, Jurten, Bauernhäuser, Mühlen und Holzkirchen. Zentrum des Freilichtmuseums ist der Ilimsker Ostrog, eine Holzfestung aus dem 17. Jahrhundert, die vor der Stauung der Angara nach Tal'cy verlegt wurde.

Irkutsk - fünf Zeitzonen bis nach Moskau
Irkutsk hat zwar nicht den Glamour von Moskau, gehört aber ohne Zweifel zu den schönsten Städten Sibiriens. Alte Holzhäuser, schmucke Kirchen und Monumente, Barockbauten und sowjetischer Protz. "Paris" Sibiriens oder Tor zum Osten wird die Metropole unweit vom Baikalsee genannt, in der auch die Transsibirische Eisenbahn einen Stopp einlegt.
Irkutsk liegt am Angara-Ufer und war früher ein wichtiger Handelsplatz für sibirische Pelze, chinesischen Tee und Seide. Nicht verpassen sollte man
- Kvartal 130: Ein Quartier rund um die Kreuzkirche, in dem Irkutsk die traditionelle Holzbauweise wieder aufleben lässt. Erinnert ein wenig an Jugenstilbäderarchitektur mit ganz eigener Note. Die Holzhäuser wurden mithilfe von Zeichnungen aus dem 18. Jahrhundert nachgebaut. Das Quartier hat viele Restaurants und schöne Terrassen.
- Die Kreuzkirche: Das russisch-orthodoxe Gotteshaus hat unbeschadet die Sowjetzeit überdauert und ist ein Meisterwerk der sibirischen Barock-Architektur. Besonderer Hingucker: die Glasarbeiten der Fenster.
- Entlang der Straße Ul. Karla Marksa liegt das Heimatkundemuseum, das älteste Sibiriens und das Weiße Haus. Ein klassizistischer Bau, ehemals Residenz des Generalgouverneurs.
- Das Kunstmuseum: Mit 14.000 Gemälden die umfangreichste Gemäldegalerie in Sibirien und neben Tret'jakov Galeri in Moskau und dem Petersburger Russischen Museum auch drittgrößte Sammlung in Russland.
- Um Wasserressourcen zu nutzen, wurde Mitte des vergangenen Jahrhunderts die Angara zur Energiegewinnung aufgestaut. Unweit des Staudamms zu besichtigen: Die "Angara" vor Anker, eines von zwei Schiffen aus England, früher Eisbrecher und Frachtschiff, heute das Museum für Schifffahrt auf dem Baikalsee.
Ausflüge von Irkutsk
Irkutsk eignet sich auch als Ausgangspunkt für einige Ausflüge auf und um den Baikalsee:
- Der beliebteste führt auf die Insel Olchon, die berühmt ist für ihren Schamanenfelsen mit Höhle und Felszeichnungen. Diese heilige Stätte durften einst nur die Medizinmänner der Ureinwohner Sibiriens betreten.
- Wer nicht mit der Transsibirischen Eisenbahn unterwegs ist, bekommt mit der Baikalbahn zumindest einen kleinen Eindruck vom Reisegefühl. Ausgangspunkt für die Fahrt ist Sljudjanka, ganz an der Südspitze des Sees und ebenfalls eine Station der Transsibirischen Eisenbahn. Sehenswert ist der Bahnhof aus reinem Marmor. Der Steinbruch liegt nur 10 Kilometer entfernt. Jedes andere Material wäre angeblich teurer geworden. Von dort geht es an einem Tag nach Port Baikal. Die Tour ist eine spannende Mischung aus Landschaft, Architektur und Technikdenkmal und die Chancen stehen gut, dass die Baikalbahn stellvertretend für die Transsibirische Eisenbahn ins UNESCO Weltkulturerbe aufgenommen wird. Wie eben auch der Baikalsee selbst, das "heilige Meer" der Russen.