Wer in den Herbst- und Wintermonaten durch die Straßen von Städten und Vororten läuft, hat das alljährlich wiederkehrende Phänomen sicher schon einmal beobachtet: Während man auf dem Weg zur Arbeit noch schnell sein Brötchen isst und dabei den gewohnten Weg nimmt, wartet jeden Morgen eine Schar Krähen am gleichen Platz und beäugt erwartungsvoll den Entgegenkömmling.
Zuhauf sitzen die dunklen Vögel auf geparkten Autos oder Gartenzäunen, manch einer empfindet das gar als bedrohlich. Tatsächlich haben Rabenvögel nicht das beste Image. Als heiser krächzende Unglücksboten, Nesträuber und schlechte Eltern verschrien, sind sie den meisten Menschen zunächst unsympathisch.
Rabenvögel zeigen eine komplexe Gruppendynamik
Tatsächlich aber sind Rabenvögel, zu denen unter anderem die Krähen, Elstern, Häher, Dohlen und Raben zählen, ausgesprochen intelligente und soziale Tiere. So kamen Forscher aus Österreich und Frankreich sogar zu dem Schluss, dass die kognitiven Fähigkeiten von Kolkraben beim Umgang mit Artgenossen mit denen von Primaten vergleichbar seien. Ihre Ergebnisse veröffentlichten sie 2017 in der Fachzeitschrift "Scientific Reports".
Gerade im Herbst und Winter leben besonders Krähen und Dohlen gern in Gruppen und zeigen sich auch am Himmel in großen Schwärmen. Die Tiere kommen in der kalten Jahreszeit aus ihren weiter nördlich gelegenen Brutgebieten zu uns, um hier zu überwintern. Da diese geflügelten Wintergäste häufig geballt auftreten, fallen sie meist eher auf als andere Vogelarten.
Für das gesellige Beisammensein haben die Vögel gleich mehrere gute Gründe. Zum einen haben die Tiere gelernt, dass sie gemeinsam stärker sind. Gegen Feinde und bei Revierstreitigkeiten haben die Vögel in der Gruppe eine größere Chance, sich zu behaupten. So wurden die Vögel schon dabei beobachtet, wie sie im Team Wölfen und anderen Wildtieren die Beute abjagten.
Zudem gelten Rabenvögel als sehr gesellige Tiere. Forscher konnten mithilfe von GPS-Trackern nachweisen, dass insbesondere Kolkraben-Junggesellen nicht nur zufällig an lohnenden Futterplätzen aufeinandertreffen, sondern sich regelmäßig an festen Orten zusammenfinden.
In der Gruppe entwickelt sich eine Hierarchie, es bilden sich Allianzen und bisweilen sogar Freundschaften, aber auch Meinungsverschiedenheiten werden lautstark ausgetragen. Die sozialen Vögel entwickeln dabei eine solche Gruppendynamik, die der des Menschen gar nicht so unähnlich ist.
Dominante Vögel haben es leichter
Und nicht nur tagsüber, auch abends bleiben die Vögel gern in Gruppen zusammen. Besonders auffällig sind Raben- und Saatkrähenschlafplätze, die in den Wintermonaten sogar tausende Köpfe zählen können. Die Gemeinschaft bietet den Tieren den nötigen Schutz vor Feinden und liefert Informationen über lohnende Nahrungsquellen.
Oft liegen diese Schlafplätze erstaunlich menschennah. In großen Bäumen von Fußgängerzonen, an mit dichtem Efeu bewachsenen Fassaden und auf Überlandleitungen machen es sich die Tiere gemütlich, wobei die dominanteren Vögel die begehrten, geschützteren Plätze erhalten.
Die Vögel zeigen eine hohe Toleranz gegenüber Lärm und anderen Störungen. Denn ein Schlafplatz in der Stadt bietet einfach viele große Vorteile: In der Stadt ist es warm und vielerorts windgeschützt, es fällt weniger Schnee und die Abfälle sind hervorragende Nahrungsquellen.
Und wenn die Sonne aufgeht, verlassen die Vögel ihren geschützten Schlafplatz, brechen grüppchenweise zur Nahrungssuche auf oder gesellen sich zu einer anderen Gruppe irgendwo in der Stadt dazu. Das alltägliche Zusammenspiel beginnt erneut.