Während australische Kängurus so häufig sind, dass sie in Downunder zu den ganz normalen Risiken im Straßenverkehr gehören, sieht die Sache bei manchen nahen Verwandten anders aus. Zum Beispiel beim Wondiwoi-Baumkänguru.
Erstmals 1928 entdeckt und wissenschaftlich beschrieben von dem Zoologen Ernst Mayr, geriet Dendrolagus mayri sofort wieder in Vergessenheit. Bestätigte Sichtungen von Wissenschaftlern, geschweige denn Fotos: Fehlanzeige. Ein möglicher Grund für die Diskretion der Tiere, die sich mit ihren muskulösen Vorderarmen virtuos in den Baumkronen fortbewegen: Bei den Einheimischen gelten sie als Delikatesse. Offenbar hatten sich die Tiere – wenn sie nicht sogar ausgestorben waren – in für den Menschen unzugängliche Gebirgsregionen zurückgezogen.
Bis der britische Hobby-Botaniker Michael Smith kam. Gewöhnlich auf der Suche nach seltenen Orchideen, Rhododendren und Tulpen in Pakistan, Kurdistan und Indonesien, leitete er diesmal eine Expedition in die hoch gelegenen Bambuswälder von West Papua - unterstützt von einheimischen Trägern und einem lokalen Jäger.
Verräterische Kratzspuren
Während Einheimische der myteriösen Spezies nur bis zu einer Höhe von 1300 Metern nachsteigen, weil die Bambuswälder hier fast undurchdringlich werden, ließ Smith nicht locker. Und bahnte sich mit seinem Team einen Pfad bis auf 1700 Meter Höhe. Ihre Mühen wurden belohnt – mit den charakteristischen Baumkänguru-Kratzmarken an Baumstämmen, Duftmarken und Kot.
Schließlich - Ende Juli dieses Jahres - entdeckte Smith in einer rund 30 Meter hohen Baumkrone ein Exemplar. Das erste seit 90 Jahren. Und konnte es sogar fotografieren.
Der Baumkänguru-Experte Tim Flannery von der Universität Melbourne konnte den Fund bestätigten. Und ergänzt gegenüber National Geographic: „Das Wondiwoi-Baumkänguru hat ein sehr kleines Verbreitungsgebiet – vielleicht nur 65 mal 130 Quadratkilometer. Aber die Kratzspuren und der Kot lassen vermuten, dass es auf dieser kleine Fläche erstaunlich viele von ihnen gibt.“