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Trinkwasseraufbereitung "Feuchttücher sorgen schon auf dem Weg zum Klärwerk für Probleme"

Eine Kläranlage von oben fotografiert
Stoffe, die nicht biologisch abbaubar sind, können auch in Klärwerken nicht komplett aus dem Wasser gefiltert werden
© Kletr/Adobe Stock
Wie oft Trinkwasser geprüft wird, welche Stoffe Kläranlagen nicht herausfiltern können und was Verbraucherinnen und Verbraucher auf keinen Fall im Abfluss entsorgen dürfen, erklärt uns im Interview Arnd Wendland, Leiter der Wasserwerke von Hamburg Wasser

GEO.de: Ist Wasser aus der Flasche oder aus der Leitung besser? Schließlich kann Leitungswasser in Sachen Nachhaltigkeit punkten.

Arnd Wendland: Unser Leitungswasser muss sich vor keinem Mineralwasser verstecken. Leitungswasser unterliegt strengen Kontrollen, das regelt die Trinkwasserverordnung. Verbraucherinnen und Verbraucher können sich sicher sein, dass das Leitungswasser ein qualitativ hochwertiges Trinkwasser ist.

Arnd Wendland
Arnd Wendland, Experte für die Trinkwasser- und Abwasserentsorgung in Hamburg
© HAMBURG WASSER

Wer Wasser aus der Leitung trinkt, statt welches in Flaschen zu kaufen, kann eine Menge CO2 einsparen. Es fallen viele Produktionsschritte weg, wenn das Wasser direkt aus dem Hahn im Glas landet - zum Beispiel der Transport zum Supermarkt oder nach Hause. Außerdem kann man durch das Trinken von Leitungswasser Geld sparen: Etwa einen halben Cent kostet das von uns gelieferte Trinkwasser je Liter inklusive Abwasserentsorgung. Das günstigste Mineralwasser in Plastikflaschen kostet ein Vielfaches mehr.

Sie haben eben schon die Trinkwasserverordnung angesprochen. Wie wird die Wasserqualität überprüft?

Die Trinkwasserverordnung setzt den gesetzlichen Rahmen in ganz Deutschland. Nach der Verordnung muss unter anderem die Klarheit, die Temperatur, der Geruch und die Farbe des Wassers kontrolliert werden. Bei Hamburg Wasser kontrollieren wir in unseren Wasserwerken und an vielen unterschiedlichen Stellen im Netz die Wasserqualität, an einigen sogar zweimal täglich. In unseren Laboren untersuchen wir über 300 Parameter, um immer die Wasserqualität im Auge zu haben.

Gelangen über das Abwasser bedenkliche Stoffe ins Grundwasser?

Wir müssen uns zunächst vor Augen führen, wie sich Grundwasser bildet: Es entsteht dadurch, dass Regen, Schnee oder Hagel auf die Erde fällt, im Boden versickert und viele Bodenschichten durchläuft. Der Boden funktioniert dabei wie ein natürlicher Filter, der viele Stoffe zurückhält. Dennoch können Stoffe, die in die Umwelt gelangt sind, sich auch im Grundwasser wiederfinden. Das ist vor allem in oberflächennahen Grundwässern der Fall. Allerdings nutzt Hamburg Wasser überwiegend Grundwasser aus bis zu mehreren hundert Metern Tiefe, das sehr gut geschützt und von hervorragender Qualität ist.

Viele Stoffe des täglichen Gebrauchs gelangen als Abwasser über die Kanalisation ins Klärwerk. Hinzu kommen das Abwasser aus der Industrie und das Regenwasser. Im Klärwerk wird das Wasser von Schmutzstoffen gereinigt. Doch manche Spurenstoffe, die nicht biologisch abbaubar sind, können in den Kläranlagen nicht vollständig entfernt werden.

Der Klärschlamm, der bei der Abwasserreinigung entsteht, bindet einen großen Teil dieser Spurenstoffe, die nicht biologisch abbaubar sind. In Hamburg verbrennen wir den Klärschlamm. Dadurch machen wir nicht nur die Spurenstoffe unschädlich, sondern gewinnen durch Dampfturbinen zusätzlich Energie. Ein geringer Anteil der Spurenstoffe verbleibt aber im gereinigten Abwasser und gelangt über den Ablauf der Kläranlage in die Elbe und in die Gewässer.  

Was sind das für Stoffe?

Relevant sind insbesondere Stoffe, die biologisch nicht oder nur schwer abbaubar sind. Ein Beispiel sind Schmerzmittel mit dem Wirkstoff Diclofenac, der je nach Anwendung beim Waschen oder über den Urin ins Abwasser gelangt. Die stabile chemische Verbindung kann im Klärwerk nicht restlos abgebaut werden, wodurch es in die Gewässer gelangt. Hier können Verbraucherinnen und Verbraucher selbst dafür sorgen, dass dieser Stoff nicht über das Abwasser in die Umwelt gelangt und auf Schmerzmittel mit anderen Wirkstoffen zurückgreifen.

Ein weiteres Beispiel: Bei Light-Getränken werden Süßungsmittel wie Cyclamat oder Saccharin verwendet – auch sie können nicht restlos im Klärwerk zurückgehalten werden und damit unsere Oberflächengewässer verschmutzen. Verbraucherinnen und Verbraucher können mit einem Blick auf die Zutatenliste herausfinden, welches Süßungsmittel verwendet wird und Getränke kaufen, die biologisch abbaubare Süßungsmittel wie Stevia enthalten.

Mikroplastik in Kosmetika sind auch problematisch, hier lohnt sich der Griff zu Duschgel, Peeling oder Shampoo, die keine Inhaltsstoffe beinhalten, die als Mikroplastik über das Abwasser in die Kläranlagen und in die Elbe gespült werden.

Grundsätzlich sehen wir die Hersteller in der Pflicht, kritische Inhaltstoffe durch biologisch abbaubare Alternativen zu ersetzen.

Werden auch Stoffe von den Straßen in das Grundwasser geschwemmt?

Unser Grundwasser ist durch die darüber liegenden Erdschichten gut geschützt vor Verunreinigung. Schmutzstoffe von der Straße werden in Hamburg zum Großteil mit dem Regenwasser in die Kanalisation abgeleitet, dadurch kann der Abrieb von Reifen, der auf dem Asphalt haftet, in die Kanalisation gelangen. Nicht immer spült der Regen die Schmutzstoffe auf der Straße in die Kanalisation. Der Abrieb von Reifen oder weggeworfene Zigarettenstummel können mit dem Regen auch direkt in die Gewässer gelangen und dort für Verschmutzung sorgen.

Zigarettenstummel, die mit dem Regenwasser, in die Straßeneinläufe gespült werden, verstopfen die Regeneinläufe auf der Straße. Das Problem: Dadurch kann das Regenwasser nicht mehr richtig von der Straße ablaufen und es entsteht ein hoher Reinigungsaufwand für uns.

Was sind die häufigsten Dinge, die über das Abwasser in die Kläranlage gespült werden und dort Probleme bereiten?

Damenbinden, Tampons, Kondome und Feuchttücher, die fälschlicherweise in der Toilette entsorgt werden, sind uns ein Dorn im Auge. Sie sorgen schon auf dem Weg zum Klärwerk für Probleme: Die Fasern lösen sich nicht auf. In unserem Abwassernetz nutzen wir Pumpen, um das Abwasser zum Klärwerk zu leiten.

Zusammen mit Haaren und Fetten bilden sich große, klebrige Klumpen, die die Pumpen zusetzen. Kommen die Hygieneprodukte im Klärwerk an, werden sie in der ersten Reinigungsstufe aufwendig herausgeholt. Jährlich entfernen wir etwa 7000 Tonnen Müll aus dem Abwasser. Das sind sieben Container am Tag.

Das heißt aber, dass Öle auch nicht über den Ausguss entsorgt werden sollten, richtig?

Genau. Wenn Fett aus der Bratpfanne in den Abfluss geschüttet wird, kühlt es sich ab und haftet sich an die Wände der Abwasserrohre an. So kann es schon direkt im Haushalt zu Verstopfungen kommen oder weiter im Abwassernetz. Dort ist es für Hamburg Wasser ein enormer Reinigungsaufwand, die Fettreste wieder von den Kanalwänden abzubekommen – teilweise sind in großen Rohren Taucherinnen und Taucher im Einsatz, die die Fettbrocken abklopfen müssen. Das Fett sollte deshalb mit einem Küchentuch aus der Pfanne gewischt und im Restmüll entsorgt werden.

Werden noch andere Dinge oft falsch entsorgt?

Ja, auch Lebensmittelreste dürfen nicht in der Toilette entsorgt werden. Diese Abfälle werden zu einem wahren Festmahl für Ratten und sorgen für deren Vermehrung. Häufig werden auch Wattestäbchen die Toilette runtergespült. Sie sind aber so schmal, dass sie in der ersten Reinigungsstufe im Klärwerk oft nicht aufgefangen werden. In diesem Schritt werden die Feststoffe aus dem Wasser gefiltert und entsorgt. Gelangen die Wattestäbchen durch die erste Reinigungsstufe können sie in den nachgeschalteten Reinigungsstufen auf dem Klärwerk zu Problemen führen.

Mythos oder wahr: Sind im Grundwasser Hormone durch hormonelle Verhütungsmittel nachweisbar? Und sind die weiblichen Hormone ein Problem im Trinkwasser?

Nein, das können die Hamburgerinnen und Hamburger auch ganz transparent auf unserer Homepage nachlesen. Dort veröffentlichen wir die Detailanalysen für jedes unserer Wasserwerke. In diesem Rahmen werden auch Arzneimittel und deren Metaboliten wie 17-alpha-Ethinylestradiol untersucht. Der Parameter liegt unterhalb der Bestimmungsgrenze. Das Hamburger Leitungswasser kann bedenkenlos getrunken werden.

Herr Wendland, vielen Dank für das Gespräch!

Packen wir's an!

Dieser Beitrag ist Teil der Nachhaltigkeitswoche "Packen wir’s an! – Damit es auch morgen noch läuft" der Bertelsmann Content Alliance, zu der auch GEO gehört. Mit der vereinten Kraft und Reichweite unserer journalistischen Angebote wollen wir maximale Aufmerksamkeit und ein Bewusstsein für die Themen Wasserqualität, Wasserknappheit und Wasserverbrauch schaffen.

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