"Mobilität der Zukunft": Wer denkt bei diesem Schlagwort nicht reflexartig an futuristische E-Vehikel (gerne auch flugfähig), aufgeladen über Induktionsschleifen in der Fahrbahn, ausgeklügelte Mobilitätsmodi und -strategien für den urbanen Raum? Dabei gibt es die "Mobilität der Zukunft" längst: Es ist der gute alte Drahtesel.
Zwei Räder, die sich reibungsarm auf Stahlkugeln und Fett drehen, die Achsen mit einem Metallrahmen stabil verbunden, Pedale, Kette, Beinmuskeln. Viel mehr braucht es nicht. Das geniale Transportmittel bringt uns mit der vier- oder sechsfachen Gehgeschwindigkeit von A nach B. Es lärmt und stinkt nicht, es braucht keinen Parkplatz. Es gibt uns einen Begriff von Freiheit. Es stärkt unser Herz. So gut wie jeder kann sich eins leisten. Und fast alle Reparaturen kann der Besitzer auch selbst übernehmen. Welcher Autofahrer kann das schon von sich behaupten? Nur eins geht mit dem Rad nicht so gut: im Stau stehen.
Dass das Fahrrad neuerdings zum Lifestyle-Objekt stilisiert wird, muss uns nicht stören. Es folgt nur der Logik von Wachstum und Konsum. Das gibt sich wieder - spätestens, wenn der zahlende Verbraucher gemerkt hat, dass rollende Ego-Manifestationen (einige davon sind jetzt im Hamburger Museum der Arbeit zu bestaunen) auch nicht schneller, praktischer oder robuster sind als die alte Gurke im Keller. Aber teurer. Und schnell aus der Mode.
Das Radfahren braucht keine Lobby, sondern eine Kultur
Städte wie Kopenhagen haben das Potenzial des Fahrrades für Mensch, Klima und Gemeinwesen längst erkannt. Hier wird inzwischen fast jeder dritte Kilometer in der Stadt mit dem Fahrrad zurückgelegt. In Hamburg sind es gerade mal zwölf Prozent. Kein Wunder. Denn der Fahrradverkehr wird hier neben dem Autoverkehr traditionell nur geduldet. Die Hansestadt hat zwar ein 1700 Kilometer langes Radwegenetz. Doch die Radwege dienen hier vor allem als Einrichtung zum Schutz der Autofahrer vor Störfaktoren im Verkehrsfluss. Ihr Zustand ist größtenteils desolat. Dass die Ausgestaltung des Fahrradverkehrs nicht nur eine Frage des Budgets ist, zeigt sich etwa in den Niederlanden, wo eine ganz selbstverständliche Kultur des Fahrradfahrens gepflegt wird. Wer einmal bei unseren Nachbarn Rad gefahren ist, möchte weinen vor Glück.
Deutschland braucht keine "Radverkehrsstrategie". Die Zukunft ist schon da. 70 Millionen Fahrräder warten nur darauf, getreten zu werten. Das müssen jetzt nur noch die zuständigen Politiker verstehen. Sie müssen Rücksichtnahme im Verkehr (auch von Radfahrern!) fordern und fördern. Und die Straßen für die Zweiräder freigeben.
Ausstellung "Das Fahrrad"
Kultur, Technik, Mobilität
Museum der Arbeit, Hamburg
9. Mai 2014 bis 1. März 2015
Die Ausstellung zeigt anhand von 100 Fahrrad-Ikonen der letzten 200 Jahre die technische Entwicklung, das Design, die vielfältigen Fahrradszenen sowie Mobilitätsaspekte der Gegenwart und Zukunft - vom Laufrad "hobby horse" bis zum Hamburger "StadtRAD" und vom Hochrad der Dandys bis zum Lastenrad der heutigen Fahrradkuriere.