Keine Ahnung, wie viel Geld uns dadurch am Ende fehlen wird. Wir haben einen kleinen und zwei große Schlepper, mit denen wir unsere knapp 100 Hektar Land hier im Ostwestfälischen bestellen, einen Hoflader, ohne den in unseren Bio-Schweineställen fast nichts ginge. Allesamt schlürfen die im Jahr um die 12.000 Liter Diesel. Vom Kaufpreis bekam ein Betrieb wie unserer bislang 21,48 Cent je Liter zurückerstattet. Fällt das weg, wie es die Bundesregierung vorsieht, um ihr Milliarden-Haushaltsloch wenigstens ein bisschen zu stopfen, müssen wir dazu künftig auch – wie alle – KFZ-Steuer für die Fahrzeuge zahlen, summiert sich das zusammengenommen sicher auf 4000 bis 5000 Euro im Jahr. Nach allem, was ich bislang gelesen habe, liegen wir damit im Durchschnitt.
5000 Euro – das ist verdammt viel Geld, für das man nicht mehr tun muss als einen Antrag auf der Internetseite des Zolls auszufüllen. Ein Betriebsleiter wie mein Mann arbeitet mehr als einen Monat dafür, Wochenend- und Feiertage inbegriffen – würde er sich seinen Lohn tatsächlich auszahlen. Der fiktive Lohnansatz liegt bei um die 20 Euro. Klar, ärgert man sich da, wenn solche "Mitnehmsel", von denen es in der Landwirtschaft durchaus ein paar gibt, ohne jede Übergangsfrist wegfallen.
Auch andere Gruppen müssen Kürzungen hinnehmen
Wir sind trotzdem am Wochenende nicht mit unserem Traktor nach Berlin getuckert, um das Brandenburger Tor zu blockieren und hupend für eine Rücknahme der Pläne zu protestieren. Wir werden es ziemlich sicher auch "im sehr heißen Januar", mit dem Bauernverbands-Präsident Joachim Rukwied der Politik droht, nicht tun. Ist ein bisschen weit von hier aus. Vor allem aber mag ich den Ton nicht, der während solcher Aufstände angeschlagen wird, die teils zu hochgegriffenen Zahlen, die dann von Bauernseite in Umlauf gehen, diese Erzählung, ein Bauernopfer der Politik zu sein. Das ist mir zu schlicht und übersieht, dass auch andere gesellschaftliche Gruppen Kürzungen hinnehmen müssen.
Zugleich kann ich den Frust vieler Kolleginnen und -kollegen, ihre Sorge, wie es mit der Landwirtschaft und ihren Höfen weitergeht, total verstehen. Bloß diese Frage wird nicht im Geschrei um die Agrardiesel-Rückvergütung beantwortet werden. Im Gegenteil: Was jetzt passiert, verhärtet nur alte Verhältnisse und kränkende Abhängigkeiten. Darüber sollte man sprechen!
Als ich ein Mädchen war, Anfang der 1980er Jahre, gab es in unserem 500-Seelendorf sicher 30 Bauernhöfe, heute sind es noch drei. Deutschlandweit haben seitdem fast 300.000 Betriebe dichtgemacht. Und den Prognosen nach wird die Entwicklung weitergehen. Höfesterben nennen das die einen, Strukturwandel die anderen.
Ich gehöre nicht zu denen, die der alten Zeit hinterhertrauern. Ganz ehrlich: Vielen Tieren ging es damals nicht besser, wenn sie da in dunklen, niedrigen Ställen oder Verschlägen vegetierten. Und für Bauern war die Arbeit noch vor 40, 50 Jahren Plackerei. Sie misteten ihre Ställe mit Gabel und Schubkarre aus und nicht – wie wir heute – mit dem Lader. Viel Geld verdienten wenige. Das Gros kam gut durch, bei überdurchschnittlich viel Arbeit. So ist es im Grunde bis heute.
Was sich im vergangenen halben Jahrhundert allerdings grundsätzlich verändert hat, ist die Wertschätzung bäuerlicher Arbeit. Die hat gehörig gelitten. Ich meine damit nicht die Kritik, die Häme, die Bauersleute regelmäßig abkriegen: von radikalen Tierschützern, die dich als Mörder beschimpfen, von Umweltbewegten, die dich als Naturzerstörer verunglimpfen – oft gerechtfertigt, oft aber auch nicht. Ich meine damit vor allem die Preise, die wir Bauern und Bäuerinnen für die Früchte unserer Arbeit bekommen.
Agrarsubventionen mit der Gießkanne
Das Institut der deutschen Wirtschaft hat vor kurzem vorgerechnet: Ein standardisierter Warenkorb unter anderem mit Brot, Eiern, Gemüse und Fleisch darin, für den man im Jahr 1991 60 Minuten arbeiten musste, ist heute schon nach 47 Minuten erarbeitet - weil Lebensmittel, relativ betrachtet, immer günstiger geworden sind. Die hohen Nahrungsmittelpreise der vergangenen beiden Jahre waren da eine Ausnahme, die die Landwirte freuten – ich glaube, gar nicht mal nur des Geldes wegen. Die Verbraucherinnen und Verbraucher schockten sie; sie sind einfach nicht dran gewöhnt. Denn die deutsche Politik – und der Bauernverband! – haben irgendwann schon in den frühen 1960ern entschieden, dass Lebensmittel in Deutschland günstig bleiben sollen, um auf dem Weltmarkt mithalten zu können.
Weil Bauern in Europa aber einfach nicht so günstig produzieren können wie ihre Konkurrenz in Osteuropa oder Südamerika, führte man die Agrarsubventionen ein – bekanntlich mit der Gießkanne über die Fläche gekippt. Als das Geld auf den Höfen weiter knapp blieb, Deutschlands Landwirte aber gleichzeitig neue, strengere Umwelt- und Tierwohlauflagen erfüllen sollten, stiegen nicht die Preise wie in der Auto- oder Energiebranche. Stattdessen kamen immer neue Programme, Privilegien, Dieselrückerstattung oder der Erlass der Kfz-Steuer hinzu. Übrigens begründet damit, dass Bauersleute öffentliche Straßen ja nur nutzten, um vom Hof zum Feld zu fahren. In Zeiten, wo Höfe, Felder und Distanzen dorthin immer größer werden, dazu Hunderttausende Tonnen Gülle teils über Ländergrenzen kutschiert werden, ist das Argument doch längst perdu.
Auf den allermeisten Höfen, auch auf unserem, machen solche Zahlungen zwischen 40 bis 60 Prozent des Gewinns aus. Und, ja: Komisch ist es schon, manchmal sogar kränkend, ganz wesentlich Subventionsempfänger zu sein und damit abhängig von einer unsteten Politik.
Der Wegfall dieser Dieselprämie ist doof, aber für die meisten Betriebe irgendwie verschmerzbar – auch wenn manche Bauern in Berlin gerade anderes behaupten. Was viele wütend macht, ist die Sorge: Was kommt als nächstes? Und überhaupt? Müssen wir am Ende allein die Kosten für die ökologischen Tierwohl-Standards tragen, die eine Gesellschaft zurecht fordert – die zugleich aber günstige Lebensmittel kauft? Die meisten wissen doch, dass Bio-Produkte die Umwelt weniger belasten. Aber dann sind sie ihnen im Supermarkt doch zu teuer.
Statt über die Agrardiesel-Prämie lieber über faire Preise reden
Ganz ehrlich: Wir haben, wie viele Bauern und Bäuerinnen, geahnt, dass die Dieselsubventionen irgendwann überfällig sind – nicht unbedingt aus Spar-, eher Klimaschutzgründen. Die Landwirtschaft ist von den Klima- und Naturveränderungen doch unmittelbar betroffen. Nach Dürren und Regensommern ist vielen klar, dass es so wie bisher einfach nicht weitergehen kann. Aber wie genau, da fehlt vielen – teils auch aus Bockig- und Bequemlichkeit – die persönliche Perspektive. Vor allem aber fehlt ein politischer Plan. Berlin und Brüssel lassen seit Jahren offen: Wie soll denn nun so eine Landwirtschaft aussehen, in der alle ein Leben haben – Pflanzen, Tiere, Bauersleute? Welchen Preis hat das für Bauern und Bäuerinnen, Politik, Verbraucherinnen und Verbraucher?
Statt über diese vermaledeite Agrardiesel-Prämie sollte man in Berlin lieber über faire Preise reden und diese Preise dann auf die Produkte kleben. Oder ganz konkrete Naturschutzleistungen von den Bauersleuten einfordern, die dann gesellschaftlich entlohnt werden. Ich glaube, es wäre für alle Seiten erschwinglich und die Bauern und Bäuerinnen würden liefern, wenn es der Zukunft der Natur und ihrer Höfe wirklich dient. Das behaupte ich, aus eigener Erfahrung.
Wir haben unseren Hof vor zwei Jahren auf ökologischen Landbau umgestellt. Zur Wahrheit gehört: Ohne Förderung und Umstellungsprämien hätten wir das wirtschaftlich nicht gepackt. Ob sich das alles rechnet, wird sich zeigen; wir sind optimistisch. Eins aber ist schon jetzt sicher: Es fühlt sich gut an, für die Mehrarbeit des Öko-Landbaus, der Umwelt und Tieren etwas bringt, bezahlt zu werden. Man bekommt einfach lieber Geld – und damit Wertschätzung – für gute Produkte und sinnvolle Leistungen als für Diesel.