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Epilog auf einen Bären

Wochenlang war "Bruno" auf der Flucht. Ist dreist durch einen oberbayerischen Kurort spaziert, hat ein Auto gestreift und ist seinen Häschern wieder und wieder entkommen. Jetzt ist er tot - erschossen von einem anonymen Jäger am 26. Juni 2006 im bayerischen Landkreis Miesbach. Doch dem ersten Braunbären in Deutschland seit 170 Jahren werden vermutlich weitere folgen

Der Wandertrieb lag Bruno im Blut, der sein Heimatland Italien verlassen hatte, Österreich durchquerte und am 25. Mai 2006 die Grenze zu Bayern überschritt. Wie sein Namenskürzel "JJ1" verrät, war Bruno der erstgeborene Sohn von Jurka und José. Diese beiden Tiere gehörten zu den zehn Bären, die zwischen 1999 und 2002 aus Slowenien nach Italien umgesiedelt wurden, um den dortigen Bestand zu stärken, der mit drei Exemplaren vor dem unmittelbaren Aussterben stand. Heute leben in Italien etwa 25 Bären; im Nachbarland Österreich sind es 20.

Von seiner Mutter, so heißt es, habe Bruno auch seine schlechten Eigenschaften erworben, die ihn hierzulande zum "Problembären" werden ließen. Schon kurz nach der Grenzquerung zu Deutschland riss der Neuzugang innerhalb von zwei Tagen neun Schafe und etliche Hühner - nahe menschlicher Siedlungen. Schon Jurka war dafür bekannt, gezielt in Ortschaften nach Futter zu suchen.

Auch Brunos Bruder, JJ2, war bereits vor einem Jahr auffällig geworden. Das Tier wanderte vom Trentino in den Schweizer Engadin und wurde dort für kurze Zeit zur Touristenattraktion. Dann machte der Bär kehrt und wanderte zurück nach Italien, um sich Teile eines wertvollen Yak-Bullen einzuverleiben, den der exzentrische Bergfex Reinhold Messner auf der Weide im Südtiroler Suldental mit einigen Artgenossen gehalten hatte.

Noch am Sonntagnachmittag (25.06.) gelang einem Motorradfahrer in der Nähe des Spitzingsees ein Schnappschuss von "Bruno"
Noch am Sonntagnachmittag (25.06.) gelang einem Motorradfahrer in der Nähe des Spitzingsees ein Schnappschuss von "Bruno"
© picture-alliance/ dpa

Der erste Braunbär auf deutschem Boden seit 170 Jahren ist tot. Erschossen von einem Jäger. Gab es keine Alternative?

Doch speziell eine Eigenschaft von JJ1 mag schlicht auf falsches "Bärenmanagement" zurückgehen: In Österreich wie auch in Italien werden die Raubtiere, die Menschen und ihren Behausungen zu nahe kommen, regelmäßig von speziell ausgebildeten Eingreifgruppen aufgespürt und gegebenenfalls mit Hartgummi-Projektilen beschossen. Kritiker dieser Vergrämungs-Maßnahme bemängeln, dass die Bären auf diese Weise künstlich mobil gehalten werden. So auch JJ1: mit der Folge, dass er jede Nacht woanders zuschlug und immer nur kurz von seiner Beute naschte. Bruno machte es seinen Häschern schließlich so schwer, dass er nicht gefangen werden konnte, sondern am Ende von einem Jäger erschossen werden musste - für einen Betäubungsschuss war angeblich die Distanz zu groß.

Immerhin gibt es in Österreich seit 1997 einen "Management-Plan Braunbär", mit dessen Hilfe Schäden klein gehalten werden. Im Zeitraum von zehn Jahren wurden in Österreich im Jahresdurchschnitt 8690 Euro an Entschädigungsleistungen ausgezahlt. Das sind weniger als 300 Euro pro Jahr und Bär.

In Deutschland hingegen "weiß weder die Bevölkerung noch die Politik so recht, wie mit den zugewanderten Raubtieren umzugehen ist", so Wolfgang Schröder, Professor für Wildbiologie und Wildtier-Management an der technischen Universität München. "Was wir jetzt unbedingt brauchen, ist ein alpenweites Bären- und Wildtiermanagement."

Denn auffällige Bären wie JJ1 werden keine Ausnahmen bleiben, so prophezeit Schröder; dies liege an der speziellen Veranlagung der Tiere. "Unter Europas Bären gibt es viele schüchterne Vegetarier. Doch gerade die Individuen, die immer rotzfrech sind und Lamm lieber mögen als Knospen, pflanzen sich erfolgreich fort und geben diese Veranlagung weiter an den Nachwuchs."

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