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Leseprobe: Das Paradox der Elternschaft

Wenn es um Lebenssinn geht, sind Kinder eine Langzeitinvestition

Sind Kinder die Erfüllung des Lebens? Werden sie zu einem wichtigen Sinninhalt? Machen sie ihre Eltern zumindest glücklich? Solche Fragen stellen sich wohl viele Paare, ganz gleich, ob Nachwuchs erst noch geplant wird oder bereits das Licht der Welt erblickt hat.

Wer nach Antworten jenseits des Bauchgefühls und eigener Anschauung sucht, stößt rasch auf Erkenntnisse der Glücksforscher. Und die sind ernüchternd: Kinder machen nicht glücklich.

Schlimmer noch: Kinder tragen eher zum Unglück der Eltern bei, besonders, wenn die Geldsorgen haben. Das Beste, was sich Väter und Mütter erhoffen können, sind kurze Glücksmomente.

Für manche Eltern ist das eine erschütternde Erkenntnis. Für andere ist die Antwort schlicht überraschungsfrei.

Wer sein schlafendes Neugeborenes im Arm hält, wird wahrscheinlich die Behauptung empören, dieses Wesen sei nicht das reine Glück, bereichere nicht das eigene Leben.

Wem man die Frage nach dem Glück durch Kinder dagegen am Morgen nach durchwachter Nacht an der Seite eines fiebernden Kleinkinds mit Magen- Darm-Infekt stellt oder nach einem Streit mit einem pubertierenden Jugendlichen, der wird wohl zugeben, dass ein ge glücktes Leben auch ohne Kinder durchaus möglich ist.

Offenbar ahnen viele Menschen, dass die Sache mit dem Kinderglück nicht so einfach ist: In einer Umfrage stimmten 2012 nicht einmal die Hälfte aller befragten Deutschen zwischen 18 und 50 Jahren der Aussage zu, dass es "ihre Lebensfreude und Lebenszufriedenheit verbessern würde, wenn sie in den nächsten drei Jahren ein Kind bekämen". Schlimmer noch: Bei jenen, die schon Erfahrung mit eigenem Nachwuchs sammeln konnten, lag die Quote bei erschütternd niedrigen 17 Prozent.

Psychologen und Soziologen widmen sich dem Einfluss von Kindern auf die Lebensfreude ihrer Eltern bereits seit Jahrzehnten. Sie haben sich gleichsam in ein Problem verbissen, für das es inzwischen sogar einen eigenen Namen gibt: parenthood paradox , das Paradox der Elternschaft.

Warum, fragen die Forscher, bekommen Menschen Kinder, wenn Menschen glücklich sein wollen, aber Kinder offenbar nicht glücklich machen?

Erst vor Kurzem haben sie Belege für eine einleuchtende Antwort gefunden.

Mitunter schon in der Zeit der Schwangerschaft, vor allem aber in den ersten Lebensjahren des Kindes stellen viele Mütter und Väter fest, dass ihr Ideal vom Elterndasein nicht mit der Realität übereinstimmt
Mitunter schon in der Zeit der Schwangerschaft, vor allem aber in den ersten Lebensjahren des Kindes stellen viele Mütter und Väter fest, dass ihr Ideal vom Elterndasein nicht mit der Realität übereinstimmt
© Angelina Chavez

In den vergangenen Jahren haben Wissenschaftler die Frage nach dem Glück mit eigenen Kindern aus mehreren Blickwinkeln untersucht. So befragte ein US-Verhaltensökonom 2004 fast 1000 berufstätige Frauen aus Texas, was sie im Alltag glücklich mache. Das Ergebnis: Unter 19 Tätigkeiten stuften sie das Sich-um-Kinder-Kümmern auf Platz 16 ein – hinter Kochen, Sporttreiben, Telefonieren und Hausarbeit (Platz eins: Sex).

Eine Überblicksstudie über 97 ähnliche Untersuchungen, die bis in die 1970er Jahre zurückreichten, zeichnete ein ähnlich trübes Bild.

Zum einen, so die wichtigsten Erkenntnisse dieser Studien, ging die allgemeine Zufriedenheit von Paaren in ihrer Ehe zurück, sobald sie Kinder bekamen. Zum anderen nahm diese Unzufriedenheit mit jeder neuen Elterngeneration noch weiter zu – eine weitere Überraschung, da durch moderne Ver­hütungsmittel und die Stärkung der Frauenrechte seit den 1970er Jahren die meisten Babys doch wohl Wunschkinder waren.

Der Grund für die dennoch zunehmende Unzufriedenheit der Eltern liegt möglicherweise darin, so ein Erklärungsversuch, dass Kinder in den Industrienationen heutzutage in der Regel nicht mehr wie früher ganz selbstverständlich zum Leben gehören und – wie einst – vielleicht sogar mithelfen, Geld zu verdienen.

Sondern dass sie lange geplant werden, oft zu einer Art Projekt werden, an dem die Eltern quasi unter dem Druck der Gesellschaft arbeiten: und an dem sie leicht scheitern können – dann nämlich, wenn sie ihren eigenen hohen Erwartungen nicht gerecht werden, weil ihre Idealvorstellung des Elterndaseins nicht mit der Realität zusammenpasst.

Um sich ihr Scheitern nicht eingestehen zu müssen, neigen manche Eltern dann offenbar zum Selbstbetrug (wie kanadische Forscher mit emotions­psychologischen Tests herausgefunden haben) und schwärmen wider besseres Wissen davon, dass Kinder sie glücklich machen und ihr Leben bereichern.

Dass die Ansprüche vieler Eltern enorm hoch sind, zeigt unter anderem folgender Befund: US Eltern verbringen heute mehr Zeit mit ihren Kindern als 1975, obwohl die Frauenerwerbsquote seither zugenommen hat; dennoch gaben 85 Prozent von ihnen in einer Studie an, sie verbrächten nicht genug Zeit mit ihren Kindern.

Den gesamten Text lesen Sie in der neuen Ausgabe von GEO WISSEN "Was gibt dem Leben Sinn?".

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GEO WISSEN Nr. 53 - 05/14 - Was gibt dem Leben Sinn?

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