GEO EPOCHE KOLLEKTION Der Chronist Preußens: Theodor Fontane
Er ist anglophil und Adelsverehrer – und jenseits
der 70, als ihm mit „Effi Briest“ und „Der Stechlin“
der Durchbruch als Schriftsteller gelingt. Seine Zeitgenossen ahnen freilich nicht, dass Theodor Fontane
einmal als Meister des realistischen Romans in Deutschland gelten wird. Zwar erfreut sich der Apothekersohn
aus Neuruppin im letzten Viertel seines Lebens einiger
Bekanntheit, doch erst ein Jahrhundert später wird der
Preuße gelesen wie kein Zweiter seiner Zeit. Seine gesellschaftskritischen Romane in scheinbar
harmlosem Parlieren, seine zahlreichen Briefe, Balladen
und Zeitungsartikel sind ein Kompendium der preußisch wilhelminischen Ära.
Fontane sympathisiert besonders mit Frauen, die
„einen Knax weg haben“, wie er schreibt – nicht ihrer
Tugenden, sondern ihrer Schwächen wegen. Seine Charakterbilder quer durch die Gesellschaftsschichten, wie
das der mädchenhaften Effi, die an den psychischen und
sozialen Folgen ihres Ehebruchs zugrunde geht, oder der
Plätterin Lene Nimptsch, die ein „unstandesgemäßes“
Verhältnis mit einem Adeligen hat, sind ein Stück weiblicher Sozialgeschichte.
Finanziell steht Fontane die meiste Zeit seines
Lebens am Abgrund. Der siebenfache Familienvater, der
zudem zwei uneheliche Kinder hat, versucht sich als Apotheker, England Korrespondent, Kriegsberichterstatter,
Zensor im preußischen Innenministerium und Theaterkritiker – bis er sich schließlich mit fast 60 Jahren allein
auf sein Talent als Schriftsteller verlässt.
Fontanes berufliche Unstetigkeit und die Geldsorgen
belasten seine Ehe, zerstören sie aber nicht. „Es ist alles
leidlich geglückt“, schreibt er, fast entschuldigend, einige
Jahre vor seinem Tod 1898 an seine Frau, „aber ein leises
Grauen packt einen noch nachträglich.“

Der gelernte
Apotheker Fontane
(1819–1898) ist
der bedeutendste
deutsche Autor
des Realismus