In seiner Studie beschreibt Dr. Papa Sow detailiert die Abläufe des Salzabbaus und was die Besonderheit des Salzhandels am Lac Rose ist.
Vor den Toren der senegalesischen Hauptstadt Dakar liegt umgeben von Regenwald und Dünen der See Lac Retba. Aufgrund seiner auffälligen pinken Färbung wird er auch Lac Rose genannt. Der See ist mit fast über vierzig Prozent salzhaltiger als das Tote Meer. Jedermann darf das weiße Gold hier abbauen. Der See ist öffentliches Gut. Allerdings muss das Mineral von Hand gefördert werden, um das fragile ökologische Gleichgewicht des Gewässers nicht zu gefährden. Dazu stellen sich die Salzgräber bis zur Brust ins Wasser und brechen die Ablagerungen mit Stangen und Spaten auf. Dann hieven sie das nasse Salz mit Körben in Boote, die sie mit Holzstangen vorantreiben. Aufgrund seiner pinken Färbung steht der Lac Rose auf der Liste der UNESCO-Weltkulturerbeanwärter. Was das für die Arbeiter und den See bedeuten könnte, haben wir den senegalesischen Geografen Dr. Papa Sow gefragt, der die Besonderheiten rund um den See zu einem seiner Forschungsthemen gemacht hat. Fotograf Christian Bobst hat die Arbeiter mit seiner Kamera begleitet.
GEO.de:Was macht den Lac Rose so besonders?
Dr. Papa Sow: Die pinke Färbung des Wassers und der hohe Salzgehalt machen den See naturwissenschaftlich und touristisch zu einem der interessantesten der Welt. Auf einen Liter Wasser kommen rund 380 Gramm Salz, mehr als im Toten Meer. Der Grund für die außergewöhnliche Farbe wurde bereits in einigen Studien untersucht, konnte aber wissenschaftlich noch nicht ganz geklärt werden. Die meisten Forscher gehen allerdings davon aus, dass es ein Zusammenspiel mehrere Faktoren ist. Die Lichtreflexion der Dünen sorgt gepaart mit dem hohen Magnesiumchloridgehalt und einem bakteriellen Carotinoid für die rote, teils rosafarbene Pigmentierung. Carotinoide sind organische Pigmente, die natürlicherweise in den Chloroplasten und Chromoplasten von Pflanzen und anderen Fotosynthese betreibenden Organismen wie Algen oder einige Bakterienarten auftreten.
Der See ist öffentlich zugänglich und jeder kann hier Salz abbauen. Könnte dieser relativ unkontrollierte Salzabbau zu einem Kollaps des biologischen Systems führen?
Dr. Papa Sow: Solange der See genug Wasser hat, wird das System bestehen bleiben. Allerdings lässt sich seit einigen Jahren beobachten, dass der See an Größe verliert. Schrumpft er weiter, kann dies zu einer der größten Gefahren für das Ökosystem des Sees werden. Hinzu kommt die stetige Urbanisierung der Region rund um den Lac Rose. Die Regierung hat bereits einige Baupläne verabschiedet, die in den nächsten Jahren umgesetzt werden sollen. Die Verstädterung birgt durch die Behinderung des Wasserabflusses die Gefahr aggressiver physischer Reaktionen im Einzugsgebiet des Sees. Es gibt zwar Kooperationen zwischen der Regierung und Umweltorganisationen, so soll beispielsweise durch die Begrünung der angrenzenden Dünen der See vor Verschlammung geschützt werden, doch die menschengemachte Umweltdegradierung findet insgesamt wenig öffentliche Anerkennung.
Ist der Salzabbau vor Ort in irgendeiner Weise organisiert? Wer legt die Preise fest und wer regelt den Export?
Dr. Papa Sow: Jeder, der in der Nähe des Sees wohnt, ob Senegalese oder zugezogen, kann, ohne eine Gebühr zahlen zu müssen, Salz abbauen oder Touristen rumführen. Da sich hier verhältnismäßig gut Geld verdienen lässt, verzeichnen wir relativ große Zuzüge. Es gibt ein Management-Komitee, das aus 18 Salzarbeitern besteht. Dieses organisiert Salzabbau und -verwertung und ist bestrebt, durch gemeinsame Aktivitäten die Arbeitsbedingungen und Lebensumstände der Menschen zu verbessern. Beschäftigungsverhältnisse, wie man sie aus Europa kennt, gibt es in dieser Region kaum. Es gibt weder garantierte Löhne noch Verträge. Das führte in der Vergangenheit zu Konflikten und letztendlich zur Gründung des Komitees. Außerdem ist es Aufgabe des Komitees, die Preise für das Salz zu regulieren.
Welche Länder sind die größten Abnehmer für das Salz?
Dr. Papa Sow: Die Elfenbeinküste kauft fast 70 Prozent der gesamten Produktion. Das restliche Salz geht nach Mali, Burkina Faso oder Benin. Auch in Europa gibt es Abnehmer, unbehandelt wird es hier oftmals in strengen Wintern als Streusalz verwendet. Aufbereitet steht es hingegen in Delikatessen-Läden.
Die Arbeiter riskieren mit dem Salzabbau ihre Gesundheit. Können Sie das erläutern?
Dr. Papa Sow: Die Arbeit ist gesundheitsschädigend, weil das Salz den Körper dehydriert und die Schleimhäute austrocknet. Die Männer arbeiten zwischen sieben und acht Stunden täglich, um ein Boot zu füllen. Zwar reiben sie sich mit Shea-Butter ein und nutzen Süßwasser, um die Augen auszuspülen, doch das hilft auch nur für eine gewisse Zeit. Die Frauen tragen das nasse Salz in Eimern von den Booten an Land und schichten es dort zu Bergen auf. Fünf bis sechs Stunden täglich balancieren sie die gegen vierzig Kilogramm schweren Zuber auf dem Kopf. Es ist eine sehr beschwerliche Arbeit und ebenfalls mit gesundheitlichen Risiken verbunden. Das größere Problem ist, dass es kaum Ärzte in der Umgebung gibt und die Arbeiter für Behandlungen in die Städte fahren müssten, wofür ihnen dann oft das Geld fehlt.
Lac Rose steht seit 2005 auf der Liste möglicher UNESCO-Welterbekandidaten. Würde damit ein Verbot des Salzabbaus einhergehen? Was würde das für die Region bedeuten?
Dr. Papa Sow: Der See steht vor allem aufgrund seiner pinken Einfärbung auf dieser Liste, die durch den Salzabbau nicht gefährdet wäre. Dennoch ist es möglich, dass die Arbeiter nur noch beschränkt Zutritt erhalten oder am Ende gar nicht mehr. Die Regierung muss vor allem den Dialog mit allen Beteiligten suchen, wie den Salzarbeitern, den Tourguides und dem Komitee, um dann zu entscheiden, wie diese Arbeitsfelder ersetzt werden könnten. Erst dann macht es meiner Meinung nach Sinn, proaktiv den UNESCO-Welterbestatus anzustreben.