Einstimmen
Die Stadt hat einen Knall. Punkt 14 Uhr am 1. März lassen Explosionen die Erde erbeben und Häuser vibrieren. Feuerwerksraketen steigen vom Rathausplatz in den Himmel, Rauchschwaden verdunkeln die Sonne. Hört man genau hin, ergibt jedes Böllergewitter eine andere Melodie. Das ist die Kunst der Mascletá, wie das mittägliche Feuerwerk heißt, das bis zum 19. März jeden Tag gezündet wird. Wenn wie jeden Mittag ca. 200 Kilo Pyrotechnik verrauchen und der letzte Knall verhallt ist, brechen die Menschen in wilden Jubel aus: Die Hauptstadt der ostspanischen Provinz Valencia (www.visitvalencia.com) feiert die Fallas, Spaniens lautestes und feurigstes Volksfest (www.fallas.com). Wohl auch das farbenprächtigste, genussreichste und – nach meiner Erfahrung – schlafloseste. Denn in der heißen Phase vom 15. bis 19. März wechseln die Valencianer in den Modus vivir sin dormir, "leben, ohne zu schlafen".
Mitmachen
Was sich vage als turbulenter Mix aus Silvester, Karneval, Prozession und Festessen beschreiben lässt, hat seine Wurzeln im 18. Jahrhundert. Um den Winter zu vertreiben, verbrannten Zimmerleute ihre hölzernen Kerzenständer und Lampenhalter vor ihren Werkstätten. Später wurden daraus vogelscheuchenartige Gestalten. Heute bauen die Valencianer mehr als 750 kunstvolle Pappmaschee-Monumente auf Straßen und Plätzen auf. Die teils mehr als 20 Meter hohen Skulpturen nehmen politische Themen aufs Korn oder verwandeln Märchen in dreidimensionale Comics. In der Nacht des 19. März, Namenstag des Heiligen Josef, des Schutzpatrons der Zimmerleute, gehen in der Cremá alle Figuren in Flammen auf. 2015 traf es auch Kanzlerin Merkel. Hergestellt werden die farbenprächtigen Falla-Skulpturen von den Stadtteil-Komitees.
"An unserer Falla haben wir ein Jahr gebaut", sagt Juan Castell von der Vereinigung "Na Jordana". Von Beruf ist er Architekt, aus Passion aber Zimmermann in schwarzer Kluft. Fast 300 000 Euro hat die Skulptur gekostet, die sich mit Spaniens Wirtschaftskrise auseinandersetzt: "Unsere Gesellschaft wird unerträglich kalt", findet Castell, "dagegen wollten wir ein Zeichen setzen." Das taten auch Spender und Sponsoren und brachten die Summe auf – um sie in einer Nacht zu verfeuern. Im Viertel Sueca-Literato Azorin werden zu den Fallas ganze Straßenzüge mit Licht-Installationen illuminiert, abends startet eine eindrucksvolle Lichtschau, quasi ein elektrisches Feuerwerk zu Musik. Unbedingt dabei sein sollte man bei der Ofrenda am 17. und 18. März auf der Plaza del la Virgen. Wie Königinnen führen Frauen in prächtigen Trachten aus Brokat oder Seide, die Haare zu kunstvollen Konstruktionen gesteckt, Falla- Vereine und Blaskapellen an, um Blumen zur Virgen de los Desamparados zu bringen, zur Jungfrau der Schutzlosen. Aus rund 60 000 roten und weißen Nelken entsteht so binnen zweier Tage ein Blütenumhang für die Heilige.
Ansehen
Einst römischer Tempel, später Moschee, entstand auf deren Resten seit dem 13. Jahrhundert die Kathedrale mit romanischen und barocken Elementen. Die Attraktion: In einer Kapelle steht der Heilige Gral, angeblich jener legendäre Kelch, mit dem Jesus das letzte Abendmahl feierte (Plaza Reina, www.catedraldevalencia.es). Weltlicher, aber nicht minder beeindruckend: Die Lonja de la Seda, der wohl bedeutendste gotische Profanbau Spaniens. Mächtige, spiralförmig gewundene Säulen ragen im dreischiffigen Saal der ehemaligen "Seidenbörse" mehr als 17 Meter in die Höhe (Lonja 2). Der Tempel des guten Geschmacks liegt gleich gegenüber: der Mercado Central (Plaza del Mercado), die riesige Jugendstil-Markthalle, in der Valencia opulent demonstriert, dass es weit mehr als Orangen zu bieten hat. Unter arabesken Stahlträgern drängen sich Stände mit spitz wie Zwiebeln zulaufenden Valencia-Tomaten, lebenden Aalen, Schweinsköpfen, jungen Bohnen und reifen iberischen Eichel-Schinken, dutzenden Olivensorten und Käse.
Essen & Trinken
Inmitten der Markthalle zaubert Starkoch Ricard Camarena in seiner Central Bar Tapas und Gerichte wie gegrillte Schweinsohren oder Kaninchen in Knoblauchsoße (www.centralbar.es). Der Liebe wegen zog es den Schwarzwälder Bernd Knöller vor mehr als 20 Jahren nach Valencia. In seinem mit einem Michelin-Stern ausgezeichneten Restaurant Riff serviert er "ehrliche, korrekte und liebevolle" Mittelmeer-Küche. Was er darunter versteht? Das siebengängige Menü (69 €) liefert die überzeugende Antwort: etwa Reis mit roter Beete und Minze oder Seeteufel auf Spitzkohl. Und die Fallas? "Die feiere ich auf meine Art, denn am 19. März habe ich Geburtstag", sagt Knöller (Calle Conde de Altea 18, www.restaurante-riff.com).
Rustikaler geht es in der Bodega Casa Montaña; zu: Seit 1836 wird in dem gekachelten Schankraum Wein vom Fass kredenzt oder in Flaschen abgefüllt, dazu gibt es Tapas wie in süßem Paprika marinierten Tunfisch (Calle José Benlliure 69, www.emilianobodega.com). Valencias berühmte Paella wird aus regionalem Reis mit Huhn, Kaninchen und Bohnen zubereitet. Meeresfrüchte sind tabu! Ich probiere sie beim Paella-Wettbewerb am 17. März im Viertel Ensanche. Die Straßen Isabel la Católica und Cirilo Amorós mutieren zur Kochmeile, auf dem Asphalt qualmen Holzfeuer, es wird in Pfannen gerührt und viel Wein getrunken. Eine Jury bewertet Geschmack, Farbe und vor allem den socarrat, die knusprige Reiskruste am Boden der Pfanne, geschmacklich das Highlight.
Einkaufen
Wer nach dem Festival noch bleibt, findet im Szeneviertel Ruzufa ausgefallene Modeläden und Shops wie Rehabita, der Valencias große Möbeltradition mit jungem Design fortsetzt (Calle Sueca 38, www.rehabita.eu). Im edlen Konzeptshop Espai Ripalda, wo es von Schuhen bis Schmuck alles für die Fallas gibt, formt Stylist Carles Ruiz längere Haare gekonnt zu Schnecken (Pasaje Ripalda 14, www.espairipalda.es).
Übernachten
Nahe am Geschehen schlafen Gäste in den sechs geräumigen, modernen Zimmern des L'Esplai Valencia B&B (Calle Luis Vives 5, www.lesplaivalenciabedandbreakfast.com, DZ ab 77 €).
Romantisch und stylisch zugleich und in der Altstadt gelegen: das Adhoc Hotel Monumental (Calle Boix 4, www.adhochoteles.com, DZ ab 120 €).
Das luxuriöse Hotel Balneario las Arenas residiert 15 Minuten vom Zentrum entfernt am kilometerlangen feinsandigen Stadtstrand (Calle Eugenia Viñes 22–24, www.hotelvalencialasarenas.com, DZ ab 220 €).
PS: Zu den Fallas frühzeitig reservieren, sonst heißt es am Ende wirklich vivir sin dormir!