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Skitrend: Parallelschwung mit dem Hund

Für Hunde sind Skipisten und Loipen tabu. Dann also Tiefschnee, sagte sich Autor Titus Arnu und nahm Labrador Bruno mit auf den Berg. Der entdeckte dort den Geschmack von Skibrillen, die Lust am Parallelschwung und die perfekte Hunde-Wellness

Inhaltsverzeichnis

Bruno freut sich wie ein Schneekönig. Gleich geht die Sause los. Fünf Stunden lang sind wir aufgestiegen, nun liegt ein unberührter Schneehang vor uns. Ich atme noch einmal tief durch, Bruno kratzt sich mit den Hinterpfoten an den Ohren - und dann stürzen wir uns gemeinsam in die Abfahrt. Dass Bruno zum Wedeln eine Naturbegabung hat, liegt auf der Hand, denn er ist ein Hund. Ein brauner Labradorrüde, ein Jahr alt und kräftig wie ein Bär, ausdauernd wie ein äthiopischer Marathonläufer und geländegängig wie ein Landrover. Aber bei den ersten Schwüngen auf meinen Skiern kommen mir doch Zweifel: Ist der Hund auch tiefschneetauglich? Kann ein Köter carven? Oder war es eine Schnapsidee, den Hund mit auf eine Skitour abseits der Pisten zu nehmen und ihn durch knietiefen Schnee zu hetzen?

Tiefschnee mit Tier

Erste Lektion für Labrador Bruno im Trattenbachtal: Nicht in die Skispitzen beißen!
Erste Lektion für Labrador Bruno im Trattenbachtal: Nicht in die Skispitzen beißen!
© Enno Kapitza

Liebe Tierschützer: Bitte beruhigen Sie sich! Zur Aufregung besteht kein Grund. Bei der Entstehung dieses Textes ist kein Tier zu Schaden gekommen, Bruno schon gar nicht. Die Tierärztin Beatrix Neumayer aus Neukirchen in Österreich hat unsere Expedition komplett überwacht. Vor der Tour untersuchte sie Bruno eingehend, maß seine Muskeln aus und diagnostizierte: sportlicher, überdurchschnittlich gut trainierter Hund, der solch einer Anstrengung problemlos gewachsen sein würde. Was mich nicht überraschte, denn ich gehe jeden Morgen mit ihm joggen. Nach der Tour, so vereinbaren wir, soll die Ärztin Bruno noch einmal durchchecken. Warum aber überhaupt in den Tiefschnee mit dem Tier? Es ist so: Mein bester Freund Bruno und ich haben gemeinsame Leidenschaften. Wir essen gerne gut und viel, wir laufen gern stundenlang in den Bergen herum, wir lieben Schnee. Weshalb also nicht gemeinsam Ski fahren? Das war der Grundgedanke.

So einfach ist die Sache aber nicht. Denn es gibt ja keine Hunde-Skiausrüstung, keine Hundelifte und schon gar keine Hundepisten. Im Gegenteil. Bruno und seine Artgenossen haben strenges Pistenverbot. Im Schnee fühlt sich der Hund zwar pudelwohl, kommt aber auch dem Menschen gern in die Quere. Einmal stand Bruno auf einer Wanderung bei Maria Alm plötzlich an einer Skipiste und entdeckte ein seltsames Wesen, das schneller als ein Reh Richtung Tal sauste - einen Skifahrer. Bruno riss sich los und nahm die Jagd auf. Das Opfer war zum Glück ein guter Skifahrer und schneller als der Hund. Mit hängender Zunge und irgendwie enttäuscht kam Bruno aus dem Tal heraufgehechelt und wollte das lustige Jag-den-Skifahrer-Spiel gleich wiederholen. Seither meiden wir Skigebiete beim Gassigehen großräumig. Langlaufen? Die meisten Loipen sind für Hunde gesperrt, weil die Tiere die Spur zertrampeln und im Weg herumstehen können; nur wenige Wintersportorte richten spezielle Hundeloipen ein. Schlittschuhlaufen? Kann man als Hund vergessen. Schlittenfahren? Der Gedanke, dass Bruno den Rodel den Berg hochzieht, ist zwar verlockend, aber wo soll das Tier bei der Talfahrt sitzen?

Entspannung nach der Abfahrt: Streicheleinheiten bei Tierärztin Beatrix
Entspannung nach der Abfahrt: Streicheleinheiten bei Tierärztin Beatrix
© Enno Kapitza

Bleiben also Spaziergänge, Schneeschuh- und Skitouren. Da es bei einer Skitour den längsten Auslauf gibt, entscheiden wir uns für eine Route in Österreich. Wir wollen von Neukirchen am Großvenediger aus auf das Kröndlhorn steigen, einen 2444 Meter hohen Gipfel in den Kitzbüheler Alpen. Die Tour sei technisch nicht allzu schwierig, sagt Sepp Steiger, der Wirt unseres Hotels. Steiger ist ein erfahrener Skibergsteiger - und er ist ein Hundefreund. In seinem "Hotel Steiger" sind Vierbeiner willkommen, er nimmt zudem an einem Urlaubsprogramm teil, das mehrere Häuser in Neukirchen anbieten: "Wellness-Ferien für Hund, Katz & Co." Dazu zählen sanfte Tiermedizin, Pflege- und Therapiestunden, Akupunktur und Massagen.

Wauwau-Wellness in Neukirchen

Manche Gäste kommen mit ihren tierischen Begleitern seit Jahren zur Wauwau-Wellness nach Neukirchen; manche buchen eine Intensivkur für altersschwache Hunde mit Hüftleiden, andere lassen ihren gestressten Stadthund einfach ein bisschen ausspannen und schön durchmassieren. Sportliche und gesunde Hunde wie Bruno hingegen, denen man ordentlich etwas abverlangen kann, dürfen das "Fitness-Paket" absolvieren.

Bruno ist noch jung und findet es aufregend, an allem herumzukauen, was ihm in die Schnauze gerät - Skischuhe, Holzklötze, Stöcke, Rucksäcke, Skibrillen, Socken. Die erste Aufgabe unserer Tour besteht also darin, dass die Ausrüstung eine Nacht im Hotel unversehrt übersteht. Deshalb darf Bruno nicht allein im Zimmer bleiben, sondern muss zuschauen, wie sich die Menschen am "Bauernbuffet" gefüllte Kalbsbrust, duftenden Schweinebraten, knusprige Hühnerschlegel und Lammhaxen mit Sauce auf die Teller laden. Sicherheitshalber vertäue ich den Hund am Tisch, esse aber trotzdem nicht sonderlich entspannt, weil ich an eine Szene denke, die sich erst ein paar Stunden zuvor abgespielt hatte. Auf dem Weg nach Österreich haben Bruno und ich meinen Bruder besucht, der ein Haus mit Bergblick, ein Baby und eine Espressomaschine besitzt. Ich hatte mir das so vorgestellt: Hund schaut Baby an, Baby schaut Hund an, Brüder schauen in die Berge und trinken friedlich Kaffee.

Tatsächlich war die Szene folgendermaßen abgelaufen: Hund schaut Katze auf Nachbargrundstück an, Hund bellt, Baby schreit, Hund rast los, und zwar inklusive Liegestuhl, an dem er festgebunden ist, ich schütte mir den Kaffee über die Hose. Im "Hotel Steiger" bekommt Bruno einen Napf aufs Zimmer und viele Streicheleinheiten. Ich könnte ihn sogar beim Hundesitter lassen, um in Ruhe Skifahren zu gehen. Aber gerade das will ich ja nicht. Aus dem tief verschneiten Trattenbachtal brechen wir an einem schönen Wintermorgen auf. Auf vier Beinen und mit 35 Kilo Gewicht sinkt Bruno auf der kompakten Altschneedecke kaum ein. Während er sein Fell immer anhat und bei Bedarf seine Krallen als Steigeisen ausfahren kann, schnalle ich erst die Steigfelle unter die Ski, stelle die Tourenschuhe auf die Gehposition ein und streife Handschuhe und Mütze über.

Lektion für Autor Titus Arnu am Kröndlhorn: Hunde wedeln besser!
Lektion für Autor Titus Arnu am Kröndlhorn: Hunde wedeln besser!
© Enno Kapitza

Anfangs müssen wir uns noch aneinander gewöhnen. Bruno springt im Kreis um mich herum und schnappt nach den Skistöcken im Schnee. Doch bald beruhigt er sich und konzentriert sich auf die Skispitzen, die er gern fangen und beißen würde. Dass er auch das lassen soll, lernt er ebenfalls auf dieser Tour. Auf der Trattenbachalm erholen sich Mensch und Tier bei einer gemeinsamen Wurstsemmel, dann stapfen wir weiter auf den Gipfel. Bruno macht nicht den Eindruck, als sei ihm irgendetwas zu anstrengend.

Manchmal wäre man gern Hund

Bei der Abfahrt entwickelt der Hund eine spektakuläre Technik, die ein Höchstmaß an Kraft verlangt: Er verfolgt Enno Kapitza, den Fotografen, auf dessen Spur ins Tal, dreht um, rennt wieder den Berg herauf, rast dann neben mir durch den Tiefschnee - mit den gleichen weiten Bögen, in denen ich meine Schwünge ziehe. Das Ganze wiederholt sich fünf, sechs Mal, bis wir wieder bei der Almhütte sind. Grob überschlagen dürfte Bruno mehr als doppelt so viel Höhe und Strecke absolviert haben wie wir, und wir sind immerhin 1200 Höhenmeter aufgestiegen.

Am Abend ist Bruno dann doch ein bisschen müde. In der Praxis lässt er sich von Beatrix Neumayer mit einem Hundekeks anlocken. Dann massiert sie mit dem Daumen sanft einen Punkt auf seiner Stirn, und schon fallen ihm die Augen zu. Ähnlich beruhigend wirkt ihre ausgefeilte Ohrenziehtechnik. Dann darf Bruno noch in den Rotlichtbezirk der Praxis, eine Infrarotkabine, mit einem Schaffell ausgelegt. Als die Tierärztin Bruno die Magnetresonanzdecke auf den Rücken legt, fällt er in einen wohligen Wellness-Schlummer. Manchmal wäre man gern Hund. Während Bruno zufrieden vor sich hin schnarcht und grunzt, erklärt die Tierärztin, womit sie Hunde sonst noch trainiert und therapiert: Wannenbäder, Aromatherapie, Wadenwickel mit Arnika, Akupunktur, Gymnastik mit Gummibändern, Übungen mit dem Medizinball. Außerdem backt sie Hundekekse, deren Zutaten nach Gesichtspunkten der Traditionellen Chinesischen Medizin zusammengestellt sind. Wir könnten ewig weiter fachsimpeln, doch plötzlich ist Bruno weg. Aus der Praxis geflüchtet? Nochmal auf den Berg gerannt? Nein, aus dem Nachbarraum ist Geraschel zu hören. Brunos Kopf steckt in einem Eimer mit hochwertigem Spezialfutter. Um ihn herum stehen 25-Kilo-Säcke mit Trockenfutter, dutzende Packungen Hundekekse, tonnenweise Leckerchen. Ich vermute, wenn Bruno etwas von seinem ersten Skiurlaub in Erinnerung bleibt, dann dieser Raum voller Futter, sein Mampf-Nirwana - das ist wohl, was Bruno unter wahrer Wellness versteht.

Endspurt zum Gipfel des Kröndlhorn: Der Mensch sucht die gerade Linie, der Hund tanzt Schnörkel in den Schnee
Endspurt zum Gipfel des Kröndlhorn: Der Mensch sucht die gerade Linie, der Hund tanzt Schnörkel in den Schnee
© Enno Kapitza

Info:

HIER GEHEN HUNDE IN DIE LOIPE

Gstaad (Schweiz): 2 Loipen, 1,5 und 2 km, klassischer Stil, abends beleuchtet. www.gstaad.ch

Sils (Schweiz): 4 km, klassischer Stil. www.sils.ch

Davos (Schweiz): 11 km, klassischer Stil und Skating. www.davos.ch

Achensee (Österreich): ca 1 km, klassischer Stil. www.achensee.com

HIER STEIGEN HUNDE GERN AB

Hotel Steiger: In dem Familienhotel sind Haustiere auf Anmeldung willkommen. Sie be kommen ihren eigenen Napf mit Qualitätsfutter, es gibt eine Kuschelecke und auf Wunsch Betreuung durch einen Hunde - sitter - nur der Wellness- und Spa-Bereich ist für die Vierbeiner tabu. Skipisten und Loipen liegen nur einen kurzen Auslauf entfernt. Neukirchen am Großvenediger,

www.hotel-steiger.at;

HIER WERDEN HUNDE FIT

Eine Reihe von Pensionen und Hotels in Österreich bieten in Zusammenarbeit mit der Tierärztin Beatrix Neumayer Wellness- Wochen für Tier und Mensch an. Dazu gehören: tierfreundliche Unterkunft, tägliche Besuche bei der Tiertherapeutin, Beratung über Haltung, Ernährung und Pflege. Drei Wellness-Pakete sind im Angebot: "Fitness" ist für gesunde Hunde gedacht, "Vorsorge" richtet sich an Hunde, die langsam in die Jahre kommen, und "Intensiv" eignet sich für Tiere in Reha oder mit Krankheiten (230 Euro). Infos: Tourismusbüro, Neukirchen am Groß venediger.

Viel Wärme im Rotlichtbezirk der Praxis, in der Infrarotkabine
Viel Wärme im Rotlichtbezirk der Praxis, in der Infrarotkabine
© Enno Kapitza

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