Besonders in der kalten Jahreszeit, bei knappem Nahrungsangebot, müssen Vögel einfallsreich sein: Eine Amsel benutzt einen Zweig, um Schnee beiseite zu fegen und darunter nach Nahrung zu suchen. Der Gimpel kann sich im Winter auf Aas umstellen. Er frisst dann Fleisch von Huhn- oder Entenkadavern. Zugvögel haben eine komplett andere Strategie: Sie wählen die Flucht aus den nahrungsarmen Gebieten.
Ein Team um Daniel Sol von der Freien Universität in Barcelona hat nun entdeckt, dass das Zugverhalten offenbar geistig weniger anspruchsvoll ist als die Anpassung an veränderte Nahrungsbedingungen vor Ort: Zugvögel haben kleinere Gehirne als die so genannten Standvögel.
Sol und seine Kollegen haben Daten über die Hirngrößen von 105 Sperlingsvogelarten aus Europa, Skandinavien und Westrussland analysiert. Zu diesen Vogelspezies lagen auch bereits umfangreiche Informationen über ihre Futterstrategien vor: Von 298 "kreativen" Ernährungsvarianten entfielen die meisten auf diejenigen Sperlinge, die zu Hause überwintern.
Der gesteigerten Kreativität entspricht eine Zunahme an Hirnmasse: Vor allem das so genannte Nidopallium der ortsfesten Tiere ist wesentlich größer als das der ziehenden Vögel. Diese Hirnregion gewährleistet vermutlich ein besonders flexibles Verhalten - zum Beispiel bei der Nahrungssuche oder beim Brüten. Mit zunehmender Zugweite einer Vogelart nimmt die Größe dieses Bereichs im Endhirn (Telencephalon) ab. Einzig der für Raumorientierung wesentliche Hippocampus ist bei Zugvögeln größer.