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Tierschutz Warum uns egal ist, wie Fische sterben

Christiane Paul nackt mit einem Fisch
Die Schauspielerin Christiane Paul mit einem Wildlachs. Das Tier ist übrigens tot
© Fishlove/Olaf Blecker
Wenn die Fangzahlen beim Fisch zurückgehen und die Bestände einbrechen, ist das Geschrei groß. Zu Recht. Aber warum ist uns - anders als bei Säugetieren - völlig egal, ob und wie Fische leiden? Ein Kommentar von GEO.de-Redakteur Peter Carstens

+++ Kolumne "Alles im grünen Bereich" +++

Seit einigen Jahren folgen Promis aus aller Welt einem verstörenden Trend: Sie ziehen sich aus und bedecken ihre Blöße mit einem (großen) Fisch. „Fish love“ nennt sich das. Was man grob mit „Fischliebe“ übersetzen könnte. Sie wollen damit gegen die Überfischung der Meere protestieren, voll mutig. Jetzt haben auch deutsche Promis blank gezogen. Die schauen dabei in die Kamera, als wollten sie sagen: "Mein Baby gehört mir" oder "Nicht ohne meinen Fisch", oder so. Irgendwas Idiotisches jedenfalls. Denn die Fische, die ja schließlich im Zentrum der Kampagne stehen – sind tot. Das hätte man den Promis vielleicht sagen sollen.

Um zu verstehen, wie man auf solche Ideen kommt, muss man an René Descartes erinnern.

Descartes hielt Tiere für Automaten

Der einflussreiche französische Philosoph sprach im 17. Jahrhundert Tieren jegliche Empfindungsfähigkeit ab. Er hielt sie für Automaten, jeder Schrei sei nur ein Reflex eines ausgeklügelten Mechanismus. Diese Haltung klingt für uns Heutige schockierend. Überwunden ist sie darum nicht. Und dafür gibt es einen triftigen Grund: Wer davon ausgehen kann, dass Tiere keinerlei Schmerzen, keine Trauer oder Freude empfinden (wie wir Menschen), kann sich moralische Skrupel gleich sparen. Vor allem dann, wenn es darum geht, Tiere – ob als Nahrung oder für wissenschaftliche Experimente – auszubeuten und zu töten.

Natürlich gab es schon immer Menschen, die anders dachten als Descartes. Hundebesitzer zum Beispiel wussten es immer besser. Und auch unter Forschern spricht sich seit einigen Jahrzehnten herum: Tiere können nicht nur Schmerzen empfinden (übrigens ebenso wie menschliche Babys und Kleinkinder, denen man diese Fähigkeit auch lange absprach). Sie können noch viel mehr: Sie sprechen, spielen, freuen sich, trauern, schließen Freundschaften, lösen Probleme. Populärwissenschaftliche Bücher zum Thema Intelligenz im Tierreich haben seit Jahren Konjunktur.

Mit einer irritierenden Konsequenz: Die fabrikmäßige Produktion von Fleisch steht in einem immer grelleren Gegensatz zu den wachsenden Erkenntnissen über die Empfindungsfähigkeit und den kognitiven Fähigkeiten von Tieren: Sie leiden tatsächlich.

Peter Carstens
In seiner Kolumne "Alles im grünen Bereich" schreibt GEO.de-Umweltredakteur Peter Carstens über das einfache, nachhaltige Leben, über Öko-Sünden, Greenwashing und richtig gute Ideen
© Malte Joost

Fische gelten als Wirbeltiere zweiter Ordnung

Diesen Widerspruch zu verdrängen, gelang uns bei Fischen bislang noch ganz gut. Fische? Sind nicht niedlich, sind irgendwie anders, kalt, fern, gehören nicht zum elitären Club der empfindungsfähigen Wesen. Sie haben keine erkennbare Mimik, sie sind stumm. Zahlreiche Studien bestätigten dieses Bild. Und kamen damit nicht nur Anglern und Fischern, sondern auch Fisch-Gourmets entgegen: Fische sind "Meeresfrüchte". Man erntet sie in einem Netz und schickt sie auf den Markt. Allenfalls sinkende Erträge, also Fangmengen, stellen ein ernst zu nehmendes Problem dar. Ein wirtschaftliches nämlich. Dann ziehen sogar Promis blank gegen die Überfischung. Mit Tierliebe, wie der Name der Kampagne suggeriert, hat das rein gar nichts zu tun.

Wie Meerestiere sterben, ist uns egal

Für die allermeisten von uns ist moralisch nicht relevant, ob Fische und andere Meerestiere zu Milliarden in prallvollen Netzen erdrückt werden oder an Bord von Trawlern langsam ersticken. Ob sie stundenlang an den Haken von Langleinen verenden oder in der Aquakultur zusammengepfercht und gemästet werden. Wir ignorieren damit die wissenschaftliche Faktenlage, die sich zu der Gewissheit verdichtet: Fische können Schmerzen empfinden. Und sie können noch viel mehr. Man muss nur genau hinschauen. Einige von ihnen schließen Freundschaften, empfinden Freude und sogar Dankbarkeit.

Trotzdem: Während Bio-Siegel den Tierschutz meist über die gesetzlichen Bestimmungen hinaus berücksichtigen, etwa bei Eingriffen am Tier und bei Schlachttransporten, ist das Tierwohl beim äußerst populären MSC–Siegel ein Totalausfall. Wo kämen wir denn da auch hin?

Schließlich, werden mir Fisch-„Liebhaber“ entgegenhalten, ist es unmöglich, Millionen Fische eines Fangs vor der Schlachtung fachgerecht zu betäuben. Aber warum, frage ich zurück, soll das nicht möglich sein? Dass es nicht gemacht wird, ist kein Beweis dafür, dass es nicht geht. Außerdem: Niemand muss in einer Wohlstandsgesellschaft Fisch essen. Auch prominente deutsche Schauspieler nicht. Wir haben eine Wahl.

Und wer meint, es doch zu müssen, sollte sich wenigstens darüber im Klaren sein, dass Fische nicht tot oder als Filet auf die Welt kommen.

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