Dem Planeten Erde droht in Folge der Erderhitzung und des Massenaussterbens von Tier- und Pflanzenarten eine „grausige“ Zukunft. Sogar das Überleben der Menschheit stehe auf dem Spiel – wegen menschlicher Ignoranz und Untätigkeit: Das ist im Kern die Botschaft eines neuen Reports von 17 Wissenschaftlern aus den USA, Australien und Mexiko.
Die Experten haben die Ergebnisse von mehr als 150 Studien zusammengefasst, die sich mit den größten umweltbezogenen Herausforderungen der Gegenwart befasst haben.
Ihr Resümee: "Das Ausmaß der Bedrohungen für die Biosphäre und alle ihre Lebensformen – einschließlich der Menschheit – ist so groß, dass es sogar für gut informierte Experten schwer zu begreifen ist." Veröffentlicht wurde der Report in der Zeitschrift Frontiers in Conservation Science.
Verantwortlich für diese kollektive Fehleinschätzung, so die Wissenschaftler, sei unter anderem die zeitliche Verzögerung, mit der die Folgen von Umweltzerstörungen eintreten.
„Weniger Plastik zu verwenden, reicht nicht“
Doch wenn die Menschheit die wahren Dimensionen der Probleme und der erforderlichen Lösungen nicht anerkenne, werde sie selbst die bescheidensten Nachhaltigkeitsziele verfehlen. Es reiche nicht, weniger Plastik zu verwenden, weniger Fleisch zu essen und weniger zu fliegen, sagte Co-Autor Daniel Blumstein von der University of California Los Angeles dem Guardian. „Wir brauchen große und rasche systematische Veränderungen.“
Zukünftig, so die Autoren des Reports, würden die zunehmenden Belastungen für die menschliche Gesundheit, unser Wohlbefinden und unseren Wohlstand „perverserweise“ sogar unsere Fähigkeit schwächen, die Erosion von Ökosystemdienstleistungen zu bremsen, von denen unsere Gesellschaften abhängen.

Erst im September 2020 war bekanntgeworden, dass die Welt keines der 20 UN-Nachhaltigkeitsziele erreicht hat. Im japanischen Aichi hatten sich im Jahr 2010 die Vertragsstaaten der Biodiversitätskonvention darauf geeinigt, unter anderem den Rückgang von Wildtierarten und den Verlust von Ökosystemen zu stoppen.
Auch der deutsche Biodiversitäts-Experte Matthias Glaubrecht warnt, die Folgen des Artensterbens würden unterschätzt: "Das Artensterben zu ignorieren ist der vielleicht größte Fehler der Menschheit," erklärte er im Interview mit GEO. Der Prozess des Artensterbens spiele sich oftmals unterhalb unserer Wahrnehmungsschwelle ab.
Immer mehr Forscher rufen zum Handeln auf
Der Weckruf der Wissenschaftler ist nicht der erste dieser Art. Im Jahr 2017 erneuerten Wissenschaftler eine „Warnung an die Menschheit“, die 170 weltweit führende Forscher unterschrieben hatten. Im Jahr 2019 warnte ein UN-Report vor einem sich beschleunigenden Massensterben von bis zu einer Million Arten. Und im selben Jahr unterschrieben mehr als 11.000 Wissenschaftler aus aller Welt einen dringenden Appell, angesichts der Klimakrise gegenzusteuern.
Der Ökologe Tom Oliver von der Universität Reading sagte dem Guardian, die Schlussfolgerungen des Reports seien zwar furchterregend – aber glaubwürdig. „Wissenschaftler müssen jetzt weiter gehen als einfach nur den Niedergang der Umwelt zu dokumentieren.“ Stattdessen seien sie gefordert, „den effektivsten Weg zu finden, das Handeln anzuregen“.