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Label-Wirrwarr Unterschiede im Kleingedruckten: So erkennen Sie echten Ökostrom

Ökostrom, Siegel
Von der Verbraucherzentrale Niedersachsen empfohlen: Grüner Strom-Label und ok-Power-Label
© Frank / Fotolia
Immer mehr Energieversorger buhlen mit Ökostromtarifen um Kunden. Aber wie grün ist der Strom wirklich? Labels helfen bei der Entscheidung für einen Anbieter

Mehr als zehn Millionen Menschen beziehen in Deutschland Ökostrom. Kein Wunder, denn Grünstrom ist heute teilweise sogar günstiger als der konventionelle Strommix – und der Wechsel ist in Minutenschnelle erledigt. Die Deutschen, ein Volk von Energiewende-Aktivisten? Ganz so einfach ist es leider nicht.

Denn was genau Ökostrom eigentlich ist, ist nicht leicht zu sagen. Rechtlich geschützt – wie "bio" bei Lebensmitteln – ist der Begriff jedenfalls nicht. Darauf weist die Verbraucherzentrale (VZ) Niedersachsen hin. Es gibt keine verbindlichen Standards, und damit auch keinen garantierten Nutzen für die Umwelt. Dabei ist genau das für die meisten Kunden das wichtigste Kaufmotiv.

Ob Werbeversprechen wie "Helfen Sie mit unserem zertifizierten Ökostrom die Umwelt zu schützen" oder "Mit uns leisten Sie einen wichtigen Beitrag zum Klimaschutz und zur Energiewende" stichhaltig sind, ist für Verbraucher kaum zu durchschauen.

Label sollen für Transparenz sorgen

Für Orientierung sollen Labels sorgen, die klar definierte Standards vorgeben. Eine gute Idee. Das Problem dabei: Es gibt mittlerweile viele verschiedene Label mit sehr unterschiedlichen Anforderungen und Kriterien.

Um Licht in dieses Informationswirrwar zu bringen, hat die Verbraucherzentrale Niedersachsen im Jahr 2016 die wichtigsten Labels unter die Lupe genommen – und bewertet. Das Ergebnis: Von zwölf geprüften Siegeln hält die VZ nur eines für „sehr empfehlenswert“, nämlich das Grüner Strom-Label. Ein anderes Label, ok-Power, ist demnach „empfehlenswert“. Drei Label hält die VZ nur für „bedingt empfehlenswert“, die restlichen sieben sind nach Einschätzung der VZ „nicht empfehlenswert“.

"100 Prozent erneuerbar" reicht nicht: Auf den Zusatznutzen kommt es an

Bei Ökostrom kommt es nicht nur darauf an, dass die Energie zu 100 Prozent regenerativ erzeugt wurde. Wichtig ist vor allem, so die VZ, dass der Versorger mit dem Geld der Kunden tatsächlich die Energiewende vorantreibt. Also zum Beispiel neue Anlagen baut oder mitfinanziert.

Denn viele Versorger, die ohnehin günstig Wasserkraft aus alten Kraftwerken in Skandinavien einkaufen, bündeln diesen Strom auf dem Papier und verkaufen ihn als Ökostrom. Was sie verschweigen: Andere ihrer Kunden erhalten im gleichen Umfang mehr Atom- und Kohlestrom. Ein Vorteil für die Umwelt ergibt sich daraus nicht. Und hier kommt die so genannte Zubauwirkung ins Spiel: Empfehlenswerte Labels garantieren, dass ein bestimmter Teil der Einnahmen in den Ausbau der Erneuerbaren fließt.

Die Energiewende vorantreiben: Händler- und Fondsmodell

So wandert etwa beim Grüner Strom-Label, seit 1998 am Markt und damit das älteste seiner Art, ein halber Cent pro Kilowattstunde in einen Fonds. Dieser Förderbeitrag soll dazu dienen, neue Anlagen zu bauen.

Hinter dem Grüner Strom-Label stehen sieben Umwelt- und Verbraucherverbände, darunter der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) und der Naturschutzbund Deutschland (NABU).

Neben dem Fondsmodell gibt es auch das so genannte Händlermodell. Das legt fest, dass der Anbieter einen bestimmten Teil seines Stroms aus neuen Anlagen bezieht. Und damit ist meist gemeint: nicht älter als sechs Jahre. Das soll die Nachfrage nach Strom aus neuen Anlagen sichern – und so Anreize für Investitionen schaffen.

Immerhin noch empfehlenswert ist laut VZ das ok-Power-Label. Initiiert vom WWF, der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen und dem Öko-Institut Freiburg, setzt das Label wahlweise auf das Händlermodell – ein Drittel des Stroms muss aus Anlagen stammen, die nicht älter als sechs Jahre sind –, auf ein Modell, dass die Stromlieferanten verpflichtet, sich am Neubau von Anlagen in Deutschland zu beteiligen, und auf ein Investitionsfördermodell. Mit dem sollen innovative Projekte wie etwa neue Speichertechnologien gefördert werden.

Genau hinsehen lohnt sich

Ein genauer Blick lohnt sich beim Label des TÜV Nord. Das garantiert zwar „geprüften Ökostrom“. Doch gibt es feine Unterschiede im Kleingedruckten, die man auf den ersten Blick nicht erkennt. So ist das Label mit dem winzigen Zusatz „TN-Standard A75-S026-1“ immerhin noch „bedingt empfehlenswert“. Das Label mit dem Zusatz „VdTÜV Standard 1304“ garantiert dagegen laut VZ keinen ökologischen Mehrwert.

Für „bedingt empfehlenswert“ hält die VZ immerhin noch das Siegel KlimaINVEST Ökostrom PLUS und das Siegel des TÜV Süd. Wie beim TÜV Nord heißt es allerdings auch beim TÜV Süd: genau hinsehen. „Bedingt empfehlenswert“ ist lediglich die Variante „Standard EEO1“.

Für viele kritische Stromkonsumenten dürfte auch eine Rolle spielen, was ihr Anbieter neben dem Ökostromtarif sonst noch so im Angebot hat. „Im schlechtesten Fall kann es passieren, dass man sich für einen zertifizierten Ökostrom-Tarif entscheidet, der Anbieter ansonsten aber überwiegend Atom- und Kohlestrom vertreibt“, sagt Christina Peitz von der VZ Niedersachsen. Darum kommt für viele Verbraucher, die die Energiewende vorantreiben wollen, nur ein reiner Ökostromanbieter in Frage. Und auch für solche Tarife gibt es mittlerweile ein Label: ok-Power-plus.

Einen blinden Fleck haben allerdings alle geprüften Labels: Auch wenn Umweltaspekte bei vielen von ihnen eine Rolle spielen – die Siegel sagen wenig bis nichts darüber, ob bei der Errichtung oder im Betrieb der Anlagen Tiere zu Schaden kommen. Etwa an Windkrafträdern oder in den Turbinen von Wasserkraftwerken. In diese Marktlücke stieß jüngst ein Ludwigshafener Versorger mit einem „veganen“ Stromangebot. Diesen Tarif schmückt allerdings gar kein Label.

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