Herr Russo, bei Ihren Kämpfen geht es rau zu. Machen Sie sich nicht selbst manchmal Sorgen um Ihren Kopf?
Ach, heutzutage ist es beim "Jogo do Pau" nicht mehr so schlimm. Früher hat mein Kopf in der Tat etwas gelitten - und nicht nur der. Einmal musste ich mit gebrochenem Kiefer ins Krankenhaus. Wir hatten eine Vorführung für das Fernsehen. Als ich mich umdrehen wollte, hat mich das grelle Licht der Scheinwerfer so geblendet, dass ich nichts mehr sehen konnte. Mein Gegner schlug einfach weiter ... Auf Turnieren tragen wir Kämpfer aber meist Schutzkleidung.
Der Sport erinnert sehr an Kendo. Hat "Jogo do Pau" einen japanischen Urspung?
Nein, auch wenn er ähnlich anmutet, hat er nichts mit Kendo zu tun. Die Wurzeln vom "Spiel der Stöcke" liegen im Mittelalter. Damals gab es auf den Landstraßen viele Überfälle. Aber nur die Adligen konnten sich Schwerter aus Eisen leisten. Also benutzten Schäfer einfach die Stöcke, mit denen sie ihr Vieh hüteten.

Und wie die Schäfer kämpften damals alle?
Nein, was heute „Jogo do Pau" genannt wird, hat sich erst Ende des 19. Jahrhunderts entwickelt. In dieser Zeit war Streit zwischen Nachbardörfern im Norden Portugals an der Tagesordnung. Wenn zum Beispiel ein Junge ausgerechnet einem Mädchen aus einem anderen Dorf den Hof machen wollte, warteten an der Dorfgrenze gleich dessen Vater und Brüder auf ihn. Dann gab's eine Tracht Prügel mit dem Stock. "Jogo do Pau" war allerdings nicht nur etwas für die Landbevölkerung. Auch das portugiesische Militär hat früher mit Stöcken seine Gegner angegriffen. Zur Zeit der Französischen Revolution ließen die portugiesischen Soldaten die Franzosen zunächst einmal schießen. Sie wussten, dass diese dann ihre Waffen nachladen mussten - die Gelegenheit für einen überraschenden Stockangriff.
Wie sieht es heute mit dem Stockspiel aus?
Leider ist es etwas in Vergessenheit geraten. Wenn ich sage, 300 Menschen üben es in Portugal noch aus, ist das wahrscheinlich schon großzügig geschätzt. Das "Jogo do Pau" wird finanziell nicht unterstützt. Wir, die Meister, sind eine bedrohte Spezies.
Vermutlich, weil es zu wenige Aufstände gibt, bei denen das "Jogo do Pau" eine Rolle spielt ...
Klar, heute verteidigt man sich in der Regel nicht mehr mit Stöcken. Obwohl: Bei den Kommunalwahlen im Januar haben Menschen im Norden des Landes den Urnengang boykottiert. Und als die Polizei kam, haben sie diese mit Stöcken bedroht. Die Wahlen mussten sogar verschoben werden.
Das Interview führte Marta Barroso.