Das Unbehagen in der Dunkelheit gehört zu den Urängsten der Menschheit. Umgekehrt löst offenes Feuer Fluchtinstinkte bei Mensch und Tier aus. Aber irgendwann, vermutlich schon vor rund 1,5 Millionen Jahren, gelingt es mutigen Ahnen des Homo sapiens, die Überreste eines natürlichen Brandes zu erhalten und als Lagerfeuer zu nutzen – darauf deuten Brandspuren auf der Erde und an primitiven Steinwerkzeugen hin, die Archäologen an zwei Fundstellen in Kenia entdeckten.
Es ist ein genialer Coup der Urmenschen, mit dem sie beide Ängste zähmen. Nun können sie gleichzeitig die Nacht erhellen und sich auch die Raubtiere vom Leib halten. Als sie dann aus Afrika auswandern, nach Asien und später nach Europa, helfen ihnen die wärmenden Flammen des Lagerfeuers, auch in kühleren Gegenden zu überleben.
Bei der Großwildjagd leistet das lodernde Element ebenfalls gute Dienste: Die Menschen hetzen ihre Beutetiere mit Fackeln in einen Hinterhalt. Oder legen größere Brände, mit denen sie ihre Beute in die Enge treiben – so wie es die Ureinwohner Nordamerikas noch lange Zeit tun.
Auf welche Weise die frühen Menschen das Feuer bewahren, ob sie es – wenn es verlischt – aus natürlichen Quellen neu beschaffen oder ob sie bereits eine Möglichkeit kennen, es selbst zu entfachen, ist unbekannt. Spätestens vor 32000 Jahren jedoch gelingt ihnen eine Erfindung, mit der sie die Flammen endlich ganz nach ihrem eigenen Belieben entzünden können: das Feuerzeug.
Feuchter Lehm wird im Feuer hart, es entsteht: Keramik
Das älteste Exemplar haben Archäologen in der Vogelherdhöhle in Baden-Württemberg entdeckt. Das Fundstück besteht aus der Knolle eines schwefelhaltigen Minerals, des sogenannten Schwefelkies, mit eindeutigen Gebrauchsspuren. Um Feuer zu machen, schlagen die Jäger und Sammler den Schwefelkies gegen ein Stück Feuerstein und richten die entspringenden Funken auf leicht entzündbares Material (wahrscheinlich Zunderschwamm), das zu glimmen beginnt.
Diese Glut lässt sich dann an trockenem Gras zu einer Flamme entfachen. Der Mensch lernt, das wilde Flammenspiel zu beherrschen und seine Energie planvoll zu nutzen. Und so befeuern die Flammen die Entwicklung der Zivilisation.
Feuchter Lehm wird im Feuer hart, es entsteht: Keramik. Die allerersten Tonwaren erhitzen die Menschen noch direkt im Feuer oder in Brenngruben (mit Glut gefüllten, abgedeckten Vertiefungen im Boden) bei rund 800 Grad Celsius. Später konstruieren die neolithischen Siedler einfache Öfen, um Brot zu backen, und vermutlich brennen sie darin auch Keramik.
Die Produkte der Töpferei lassen sich – wiederum mithilfe des Feuers – zum Kochen verwenden: eine geniale Doppelnutzung des Elements. Töpfe aus Keramik leiten hervorragend Wärme, und Nahrungsmittel darin in Wasser zu erhitzen bringt immense Vorteile: Viele in rohem Zustand ungenießbare Pflanzen werden erst durch das Kochen konsumierbar.
Magie des Feuers in unsere Seele eingebrannt
Die Hitze bricht harte, faserige Pflanzenteile auf. Kichererbsen und Linsen entwickeln sich zum Grundnahrungsmittel; Getreidekörner sind als Grütze besser zu vertragen. Auch Fleisch und Eier werden durch Erhitzen nun leichter verdaulich. Die Technik des Metallschmelzens wird immer effizienter. Zuerst nutzt der Mensch Kupfer, dann Bronze, dann Eisen.
Mit Feuer erzeugt er Dampf, und die Dampfmaschine wird im 19. Jahrhundert schließlich zum Motor der Industrialisierung. Der Verbrennungsmotor wiederum lässt Distanzen in ungeahnten Dimensionen schrumpfen, und er leitet die Mobilisierung der Massen ein.
Feuer ist eine Bedrohung, nach wie vor – und löst doch romantische Gefühle aus, die wohl in lange vergangenen Zeiten wurzeln. Die Magie des Feuers hat sich eingebrannt in unsere Seele. Das Lagerfeuer am Strand, untermalt von Gitarrenklängen. Der Grill im Garten, um den sich Nachbarn und Freunde versammeln.
Das lodernde Kaminfeuer im Wohnzimmer an langen Winterabenden. All das löst tiefes Wohlbehagen aus und eine eigenartige Faszination, die der Gewissheit entspringen dürfte: Wir sind die Hüter dieses Schatzes.