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Ringheiligtum Pömmelte Gab es Menschenopfer am deutschen Stonehenge?

«Ringheiligtum» in Pömmelte-Zackmünde
Ringheiligtum Pömmelte fanden im 3. Jahrtausend v. Chr. religiöse Rituale statt. Seit 2016 können Touristen die rekonstruierte Grabanlage erkunden
© picture alliance / Peter Gercke/dpa-Zentralbild/dpa
Die Kreisgrabenanlage von Pömmelte in Sachsen-Anhalt gilt als das deutsche Stonehenge. Skelettfunde deuten auf Totenrituale hin. Wurden in dem prähistorischen Heiligtum Menschen geopfert? Ein Gespräch mit Archäologe Dr. André Spatzier

Herr Spatzier, Sie sind mit ihren Kollegen in der Kreisgrabanlage von Pömmelte auf Skelette von Kindern, Jugendlichen und Frauen gestoßen. Was war auffällig daran?

Die Skelette lagen in Schächten, die ganz sicher angelegt wurden, um dort Ritualgegenstände abzulegen. Wir haben in diesen Schachtgruben zum Beispiel auch Trinkgefäße und Reibemühlen gefunden, die absichtlich zerstört und dort platziert wurden – und zwar über einen Zeitraum von 400 Jahren. Immer bestimmten Mustern folgend.

Einigen Skeletten fehlten Gliedmaßen, in einem Fall sogar beide Arme und Beine. Bei vier Skeletten können wir durch Verletzung, wie Schläge auf den Kopf, ganz klar nachweisen, dass sie Opfern eines gewaltsamen Todes waren.

Waren es Menschenopfer?

Per se können wir nicht sagen, ob es geopferte Menschen sind. Es könnte auch Opfer eines Überfalls sein. Wir können aber sicher sagen, dass spätestens die toten Körper eine rituelle Bedeutung hatten und deshalb mit den anderen Ritualgegenständen in die Schächte geworfen wurden.

Und die fehlenden Gliedmaßen sind kein Beleg für Menschenopfer?

Tatsächlich müssen die Gliedmaßen ziemlich sauber abgetrennt worden sein. Sie sind ganz offensichtlich verstümmelt worden und zwar nicht in einem Kampf. Das macht eine Interpretation als Menschenopfer nicht unwahrscheinlich. Ich würde mich aber nicht darauf festlegen wollen. Eindeutig ist: Der Leichnam hatte einen rituellen Wert.

Warum waren keine Männer darunter?

Warum wir in den Schächten keine Männer gefunden haben, lässt sich nicht eindeutig beantworten. Aber wir sind auf Männerskelette im Bereich der Anlage gestoßen. Sehr interessant ist, dass die Männergräber ausschließlich in der Osthälfte liegen. Das reflektiert möglicherweise einen Bezug zwischen aufgehender Sonne und Tod. Dahinter könnte ein Glauben an Wiedergeburt stecken.

Auch bei anderen Funden zeigen sich räumliche Muster, die vermutlich die Gedankenwelt der damaligen Zeit abbilden. Unsere These ist, dass die Anlage als eine spirituelle Kosmografie verstanden werden kann, ein Sinnbild für die damalige Vorstellung von der Welt.

Was unterscheidet die Kreisgrabanlage von Pömmelte von anderen Urzeit-Monumenten in Deutschland?

Es ist eine der wenigen Anlagen, die wir komplett untersuchen konnten. Daher liegt uns ein sehr vielschichtiges Bild vor. Die große Besonderheit ist aber der eindeutige Nachweis von Ritualen.

Stört es Sie eigentlich, dass das Ringheiligtum oft als „deutsches Stonehenge“ bezeichnet wird?

Der Vergleich hinkt keineswegs. Wir befinden uns in derselben Zeit, wir haben einen ähnlichen Aufbau und eine ähnliche Funktion. Bei manchen Leuten führt die Bezeichnung aber zu Enttäuschungen. Sie fragen: Wo sind denn die Steine? Die hat es hier aber nie gegeben, denn es ist eine Holz-Erde-Architektur. Davon abgesehen war es gleichfalls ein monumentales Bauwerk. Die Dimension der Anlage wird, nachdem wir sie hier vor zwei Jahren wieder aufgebaut haben, ganz gut deutlich: 3 Meter hohe Pfähle, 115 Meter Durchmesser. Das macht schon Eindruck. Man muss sich das mal in der damaligen Zeit vorstellen, in der es überhaupt nur ganz vereinzelt kleine Häuser gab.

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