Neuartige gentechnisch veränderte Pflanzen können Nährstoffe herstellen, die es sonst nur in Tieren gibt. Mit ihrer Technik wollen die chinesischen Forscher künftig eine große pflanzenbasierte Produktion für solche Substanzen schaffen. Dies biete einen umweltfreundlichen Ansatz zur Steigerung des Nährwerts pflanzlicher Ernährung, schreibt das Team um Pengxiang Fan von der Zhejiang University in Hangzhou.
In der Machbarkeitsstudie fügte das Team nicht nur einzelne Gene in die Pflanzen ein, sondern gleich eine passgenaue Kombination von mehreren Faktoren. So gelang es ihm, die Synthese gewünschter Stoffe im Vergleich zu älteren Gentechniken zu erhöhen. Die Studie zeige das Potenzial zum Einsatz von Pflanzen als Biofabriken für die nachhaltige Produktion von Nährstoffen tierischen Ursprungs, schreibt das Team im "Journal of Agricultural and Food Chemistry" der American Chemical Society (ACS).
Kreatin, Carnosin und Taurin
Die Forscher versuchten, mit ihrer Technik Kreatin, Carnosin und Taurin in Pflanzen herzustellen. Die Substanzen werden vom Menschen gebildet, aber auch über Tierprodukte aufgenommen, und stecken in häufig genutzten Nahrungsergänzungsmitteln.
Kreatin wird in Muskeln gespeichert. Viele Sportler nehmen es ein, um Muskeln aufzubauen, auch wenn die Substanz dazu nicht zwingend nötig ist. Die Wirkung hängt vom Alter, der Sportart, dem Fitnesslevel und der Dosis ab. Carnosin besteht aus zwei Aminosäuren und steckt ebenfalls in Nahrungsergänzungsmitteln, ihm werden Anti-Aging-Effekte nachgesagt. Taurin ist eine organische Substanz, die Schwefel enthält, und unter anderem in Energy-Drinks enthalten ist.
Das chinesische Team nutzte für die Machbarkeitsstudie die mit herkömmlichem Tabak verwandte Pflanze Nicotiana benthamiana. Sie wurde schon häufiger genutzt, um diverse Substanzen herzustellen - etwa einen Teil eines Corona-Impfstoffes.
Kein Problem mit den Ausgangsstoffen mehr
Es gebe zwar schon gentechnisch veränderte Pflanzen, die gewünschte Substanzen produzieren, schreibt das Team. Deren Biosynthese werde jedoch oft durch die Verfügbarkeit von Ausgangsstoffen eingeschränkt. Diese Vorläufer - etwa spezifische Aminosäuren - seien oft nur in begrenzten Konzentrationen vorhanden. Werden sie für ein neues Produkt genutzt, könne das den Stoffwechsel der Pflanze stören.
Das Team nutzte daher ein Baukastensystem aus mehreren Modulen: Das erste Modul diente der Synthese von Ausgangsstoffen, etwa Aminosäuren. Mit Hilfe weiterer Module sollte dann die gewünschte Substanz produziert werden. "Diese maßgeschneiderte Zusammenstellung synthetischer Module zielt darauf ab, die Produktion der Zielverbindungen zu maximieren, während die Störung des ursprünglichen Aminosäurestoffwechsels der Pflanzenwirtsorganismen minimiert wird", schreibt das Team. Das könne die Produktion der Zielverbindung erheblich steigern.
Solche Pflanzensysteme sind Neuand
In der Gentechnik werden solche modularen Verfahren bereits genutzt. "Wir beschreiten mit unserer Arbeit jedoch Neuland, indem wir sie auf Pflanzensysteme anwenden, um Aminosäuren und deren Derivate zu produzieren", sagte Hauptautor Fan der Deutschen Presse-Agentur. "Das hat bisher noch niemand gemacht. Unsere Innovation ist wie ein neues Rezeptbuch für Pflanzen!"
Bei Taurin war ein solcher Modulansatz nicht erfolgreich. Stattdessen trat eine größere Störung des Stoffwechsels der Pflanze auf. Von Kreatin und Carnosin konnten die Forscher einige Millionstel Gramm der gewünschten Produkte pro Gramm Blatt herstellen. "Es stimmt, dass unsere anfänglichen Erträge gering sind", räumt Fan ein. "Aber das ist typisch für die frühe Forschung."
In dem Versuch seien zunächst die Blätter der Pflanzen genutzt worden, diese seien jedoch nicht ideal, um große Mengen der Verbindungen zu speichern. "Unser nächster Schritt ist es, den Prozess in „Speicherorgane“ wie Früchte zu verlagern – stellen Sie sich eine kreatinreiche Tomate vor! Wir glauben, dass dies die Erträge auf den Bereich von Milligramm pro Gramm steigern könnte."
Ziel: Vitamin B12 aus Pflanzen
Langfristig sei auch geplant, Vitamin B12 in Pflanzen zu produzieren, das bei rein veganer Ernährung fehlt. "Vitamin B12 ist ein komplexes Molekül", sagte Fan. "Unser derzeitiger Fokus liegt darauf, das Spektrum einfacher Verbindungen zu erweitern, aber Vitamin B12 ist ein Ziel für die Zukunft. Es steht definitiv auf unserer Liste."
Die Studie unterstreiche das Potenzial für den Einsatz von Pflanzen als Biofabriken für die nachhaltige Produktion von Nährstoffen tierischen Ursprungs, schließt das Team in der Studie. Die Nutzung von Pflanzen für die synthetische Biologie biete im Vergleich zu Bakterien und anderen Mikroben besondere Vorteile, schreiben die Forscher. Die Fähigkeit von Pflanzen, Kohlenstoff und Stickstoff aus der Atmosphäre zu verwerten, ermögliche den großflächigen, standardisierten Anbau.
"Insgesamt zeigt diese Arbeit ein effektives Rahmenwerk zur Produktion einiger komplexer Nährstoffe, die normalerweise in Tieren vorkommen, in einem lebenden Pflanzensystem", schreibt die American Chemical Society (ACS) in einer Mitteilung zur Studie.