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Statistiken Gerade kluge Menschen verdrehen Fakten - das sollte uns wachrütteln

Berechnungen
Zahlenkünstler besitzen die Fähigkeit, Statistiken korrekt zu deuten. Aber auch sie zu verdrehen
© Dusit / shutterstock
Gleich mehrere Studien legen offen, dass ausgerechnet Zahlenkünstler dazu neigen, Fakten ihrem Weltbild entsprechend zu verdrehen. Sollten wir politisch brisante Themen überhaupt noch mit Statistiken diskutieren? Ein Kommentar

Macht Bildung ignorant? Sie verführt zur Fehlinterpretation – zumindest das lässt sich sagen. Es klingt nach einer bitteren Erkenntnis, was Forscher der Australian National University herausgefunden haben: Gerade wer im Umgang mit Zahlen besonders gut ist, tendiert dazu, Statistiken in seinem Sinne auszulegen. Das zeigt eine Studie mit gut 500 Australiern, die angekündigt hatten, bei der nächsten Parlamentswahl entweder die Greens oder die konservative Partei One Nation zu wählen. Die Aufgabe der Probanden bestand darin, fiktive Daten zur Abschaltung von Kohlekraftwerken und zur Auswirkung dieser Maßnahme auf CO2-Emissionen zu interpretieren.

Das Ergebnis: Wenn die Zahlen nicht ins Weltbild passten, dann bogen beide Gruppen sie ihrem politischen Lager entsprechend zurecht. Am stärksten zu beobachten war dieser Effekt bei den Teilnehmern mit besonders guten Rechenfertigkeiten. Allerdings fanden die Wissenschaftler auch heraus, dass die Zahlenkünstler durchaus die Fähigkeit besaßen, Statistiken korrekt zu deuten: Konkret sollten dabei Zahlen über die Wirksamkeit einer Salbe interpretiert werden. Wer matheaffin war, bewertete diesmal viel objektiver. Die australische Studie bestätigt damit einen ähnlichen Versuch an der Yale University – was eine unbequeme Frage auf den Plan ruft: Sollten wir politisch brisante Themen überhaupt noch mit Statistiken diskutieren? Ich denke, ja!

Ein Appell für mehr Fakten

Denn für mich offenbaren die Ergebnisse vor allem einen allzu menschlichen Makel: Es fällt uns schwer, Fakten zu akzeptieren, die an der eigenen Weltanschauung zündeln. Der Grund dafür: Wir definieren uns selbst auch über unsere politische Meinungen. Es sagt viel über uns aus, ob wir für oder gegen Kohlestrom sind. Ob wir dagegen eine Salbe für wirksam halten – was soll’s? Wir neigen alle dazu, Zahlen so zu lesen, wie wir sie uns wünschen. Und umso größer ist die Versuchung der Schönrechnerei, wenn man das Handwerkszeug beherrscht.

In den Erkenntnissen dieser Experimente kündigen sich also nicht die Reiter der postfaktischen Apokalypse an. Doch vielleicht dienen sie uns als Mahnung und als Appell: nicht für weniger, sondern für mehr Fakten – unbedingt auch solche, die sich nicht dem eigenen Weltbild fügen. Das mag weh tun, doch es lohnt sich. Schließlich verteidigen wir damit ein hohes Gut: die Wahrheit.

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