Bauprojekt in Äthiopien Ein Schul-Campus für Beyemo

Handskizze
Campus Beyemo: Zwei bestehende Gebäude (orange) sollen saniert, zwei neue gebaut werden
© Sabine Wieland
Im Rahmen unserer Initiative "Bäume für Bildung" wollen wir in Beyemo ein wegweisendes Modell schaffen, wie Dorfschulen mit lokalen Materialen nachhaltig und kostengünstig saniert und neu gebaut werden können. Wir freuen uns über Unterstützung für dieses Pilotprojekt

Hintergrund

Die Bergwälder der Region Kaffa im Südwesten Äthiopiens zählen zu den 36 globalen „Hot Spots der Biodiversität“ und sind Heimat des Arabica-Kaffees. Seit 25 Jahren setzt sich unser gemeinnütziger Verein „GEO schützt den Regenwald“ für den Erhalt dieser einzigartigen Wälder ein. Nachdem wir eine Vermarktung des Wildkaffees aufgebaut haben, verhelfen  wir Dorfgruppen zu verbrieften Waldnutzungsrechten. Sie dürfen Wildkaffee, Honig und andere Waldprodukte nachhaltig ernten – und bewahren „ihren“ Wald vor Abholzung. Lücken forsten sie auf. Dafür möchten wir danken – und etwas verbessern, was sie aus eigener Kraft nicht können: ihre Grundschulen. So verknüpfen wir zwei zentrale Investitionen in die Zukunft: Bäume und Bildung.

Die Grundschulen sind in einem desolaten Zustand.  Das ist kein Wunder: Der Staat zahlt nur die Lehrergehälter und die (zu wenigen) Bücher. Für Bau, Erhalt und Ausstattung der Schulen sind die Eltern verantwortlich – meist bettelarme Selbstversorger. Die ärmsten Familien können ihren Kindern weder Schuluniformen (von Klasse 5 bis 8) kaufen noch Schulmaterial; ein Schreibheft kostet umgerechnet 1.20 Euro, ein Stück Seife 1.50 Euro, ein Tagelöhner verdient 3 Euro. Mehr als die Hälfte der Kinder brechen ihre Schulausbildung ab. 

Im Dorf Beyemo wollen wir ein wegweisendes Modell schaffen, wie Dorfschulen mit lokalen Materialen nachhaltig und kostengünstig gebaut werden können. Wir freuen uns über Unterstützung für dieses Pilotprojekt.

Eine arme Schule: der Ist-Zustand 

400 Schülerinnen und Schüler besuchen die Beyemo-Grundschule, von der Vorschule bis zur achten Klasse. Es gibt acht Klassenzimmer, unterrichtet wird in zwei Schichten am Morgen und am Nachmittag, von 19 Lehrern. 

Die vier Schulgebäude sind einfache Lehmbauten mit Dächern aus löcherigem Wellblech. Die Wände bestehen aus eng gesetzten, dünnen Baumstämmen (Eukalyptus), die mit einer Mischung aus Erde und Stroh verputzt sind. An vielen Stellen klaffen große Löcher. Fenster und Türen sind notdürftige Provisorien aus rohem Holz oder fehlen ganz. Die Böden sind aus gestampfter Erde, nass während der Regenzeit, staubig, wenn es trocken ist, und befallen von Sandflöhen. Die Toiletten bestehen aus morschen Balken über tiefen Gruben. Es fehlt Wasser, ebenso Strom. 

Bis zu fünf Kinder quetschen sich in eine Bank oder sitzen auf Brettern, die auf dem nackten Boden liegen. Sieben Kinder müssen sich ein Buch teilen. Allein 2023 haben knapp zehn Prozent der Schülerinnen und Schüler die Schule abgebrochen.

Beyemo liegt nur 30 Minuten von dem Regionalzentrum Bonga entfernt und direkt an einer Piste. Das erleichtert die Logistik.

Eine neue Schule für Beyemo: die Zukunft 

Wir werden das bestehende Schulareal zu einem Campus ausbauen. Die Dorfbewohner leisten dabei durch ihre Mitarbeit einen Eigenanteil und machen sich so das Projekt zueigen. Als Ort des Lernens soll der Campus nicht nur von Schülerinnen und Schülern sowie der Gemeinde genutzt werden, sondern auch nachhaltige Bauchtechniken vermitteln. Diese dienen nicht nur als Vorbild für andere Schulen, sondern auch für private Häuser, die meist ebenfalls aus verputzen Baumstämmen bestehen.

Der Ingenieur macht sich Notizen
Ingenieur Besukal Befikadu besucht die Dorfschule von Beyemo und erarbeitet ein Sanierungskonzept

Der Bauingenieur Besukal Befikadu von der Universität Jimma hat im Sommer 2024 in unserem Auftrag die Bausubstanz der Gebäude untersucht. Seinen Vorschlägen entsprechend werden wir:

  • zwei marode Schulgebäude durch neue ersetzen (mit insgesamt vier Klassenzimmern) 
  • zwei bestehende Gebäude sanieren

Den Campus komplettieren sollen:  

  • sanitäre Anlagen 
  • ein Brunnen (Quelle ist vorhanden) 
  • Regenwasserspeicher
  • ein Schulgarten, dessen Produkte zugunsten der Schule verkauft werden
  • Schulhof 
  • Sportfeld
  • Bepflanzung (Obstbäume, Beschattung)
  • Möblierung der Klassenräume (Bänke, Tafeln, Stühle) 

Das Areal ist groß genug, um den Campus zukünftig zu erweitern. Das wird bei der Planung berücksichtigt. Wünschenswert sind:

  • Bibliothek und Labor 
  • Lehrerzimmer 
  • Wohngebäude für Lehrpersonal
technische Zeichnung
Ein erster Aufriss zeigt, wie der Campus aussehen könnte. Die Planung erfolgt durch äthiopische Architekten
© Sabine Wieland

Sanierung der bestehenden Gebäude

Der Bauingenieur Besukal Befikadu von der Universität Jimma hat ein Sanierungskonzept für zwei Gebäude vorgelegt, das er im Auftrag des Vereins ab Ende November 2024 umsetzt. Die Sanierung erfolgt mit einer Minimallösung, damit auch sie Vorbildcharakter für andere Schulen hat und für diese finanzierbar ist. Denn der Bestand an Gebäuden muss erhalten werden, um drohende Schließungen der Schulen abzuwenden.

Die beiden zu sanierende Gebäude erhalten verstärkende Streifenfundamente, die Wände werden durch Holzstreben wieder ausgesteift und neu verputzt. Der untere Teil der Wände wird durch einen speziellen Putzauftrag gegen Spritzwasser geschützt. Dächer werden stabilisiert und repariert, sie erhalten Regenrinnen. Um die beiden Gebäude wird eine wasserableitende Drainage verlegt.

Die bisher in der Region Kaffa praktizierte Putztechnik ist unzureichend. Zur Fortbildung haben daher vier Verputzer aus Kaffa, darunter auch jemand aus Beyemo, im Sommer 2024 ein Praktikum bei der (von der italienischen Regierung finanzierten) Sanierung des aus Holz und Lehm errichteten Abajifar Königspalasts in Jimma absolviert. Dort haben sie gelernt, zementfreien haltbaren Putz herzustellen und zu verarbeiten. Ihre neu erworbenen Fähigkeiten werden sie nun in Beyemo einsetzen. 

Drei Männer auf einem Gerüst
Vom Palast zur Dorfschule: Verputzer aus Kaffa haben auf der Baustelle des Königspalastes von Jimma Techniken gelernt, um desolate Dorfschulen zu sanieren
© Tamiru Haile

Neubauten aus innovativem Material 

Auch die Vorbereitungen für den Neubau laufen bereits. Sie dauern etwas länger, denn hier leisten wir Pionierarbeit. Neue Schulen werden in Äthiopien üblicherweise aus Zementhohlblöcken gebaut. Doch die sind unbezahlbar geworden: Der Zementpreis hat sich in den vergangenen Jahren vervierfacht. Dazu kommt: Die energieintensive Zementherstellung verursacht rund acht Prozent der weltweiten CO2-Emissionen. Aus Gründen des Klimaschutzes ist es notwendig, alternative Baustoffe zu entwickeln und zu nutzen.

Deshalb haben wir uns entschlossen, die Neubauten mit lokal produzierten Lehmsteinen zu errichten. Das spart CO2, kostet weniger und schafft Arbeitsplätze.  

Vorteile von Lehm als Baustoff 

  • Lehm ist lokal vorhanden, es fallen kaum Transportkosten an.
  • Weil diese Lehmsteine luftgetrocknet und nicht gebrannt werden, verbraucht deren Produktion keine Energie.
  • Das Material Lehm ist biologisch abbaubar und wiederverwertbar.
  • Lehm ist leicht in Handarbeit oder mit Handpressen zu Steinen zu verarbeiten. 
  • Die Produktionsstätten für Lehmsteine sind schlicht, schnell aufzubauen und zu versetzen.
  • Lokal hergestelltes Baumaterial schafft Arbeitsplätze und kann Wirtschaftskreisläufe initiieren. 

Lehm-Gebäude mit Vorbildcharakter

Die neuen Gebäude aus Lehmsteinen auf dem Beyemo-Campus werden Vorbildcharakter haben: 

  • Weil wir mit Gebäuden aus Lehm eine billige und klimafreundliche Alternative zu Gebäuden aus Zement vorstellen.
  • Weil wir in Beyemo ein replizierbares Bau-Modul für Schulgebäude planen, das problemlos an anderen Standorten verwendet werden kann.
  • Weil Lehmsteine auch die traditionelle Bauweise ersetzen und damit sehr viel Holz sparen können.
  • Weil die Architektur der neuen Gebäude lokale Materialien, Tradition und ästhetischen Anspruch vereinen wird. 
  • Weil wir mit Gebäuden aus Lehm eine billige und klimafreundliche Alternative zu Gebäuden aus Zement vorstellen.
  • Weil wir in Beyemo ein replizierbares Bau-Modul für Schulgebäude planen, das problemlos an anderen Standorten verwendet werden kann.
  • Weil Lehmsteine auch die traditionelle Bauweise ersetzen und damit sehr viel Holz sparen können.
  • Weil die Architektur der neuen Gebäude lokale Materialien, Tradition und ästhetischen Anspruch vereinen wird. 

Sind solche Gebäude stabil genug?

Es gibt verschiedene Formen von Lehmsteinen: zementverstärkt, gepresst, ungepresst. Ein systematischer Vergleich ihrer Eigenschaften fehlt bisher. Deshalb haben wir das Ethiopian Institute of Architecture, Building Construction and City Development (EiABC) an der Universität von Addis Abeba mit einer Studie beauftragt. Ehrenamtlich beraten werden wir außerdem von dem deutschen Lehmbau-Experten Marius Bierig von ProLehm, der über viel Erfahrung in Äthiopien verfügt.

Der Lehrstuhl für “Appropriate Building Technology” arbeitet seit Jahren zu alternativen Baustoffen und erstellt für uns eine “Soil and Soil Blocks Experimental Study”. Die Ergebnisse werden uns als Entscheidungshilfe für das optimale Baumaterial dienen.

In einem ersten Schritt hat das Labor des Fachbereichs bereits internationalen Standards entsprechend Bodenproben aus Beyemo sowie von vier weiteren Standorten in der Region getestet. Jetzt kennen wir die Eigenschaften der verschiedenen Böden.

In einem zweiten Schritt werden Materialeigenschaften, Kosten und Praktikabilität drei verschiedener Steinsorten verglichen: zementstabilisierte Steine. Mechanisch gepresste Steine ohne Zement. Handgeschlagene “Adobe”-Steine ohne Zement. Alle Steine werden luftgetrocknet.

Ziel der Studie ist es, die Rezeptur für einen langlebigen, preisgünstigen, nachhaltig und lokal zu produzierenden Lehmstein zu entwickeln, bei dem auf die Beimischung von Zement ganz oder weitgehend verzichtet werden kann. 

Die Stein-Tests werden noch in 2024 durchgeführt, die Auswertung erwarten wir Anfang 2025. Die Studie soll veröffentlicht werden, damit die Ergebnisse auch von anderen genutzt werden können. Aus Gesprächen mit anderen in Äthiopien engagierten NGO wissen wir, dass ein lebhaftes Interesse am innovativen Baustoff Lehm besteht.

Wer soll die Steine herstellen? 

Die Steine für die neuen Schulgebäude werden vor Ort von lokalen Kräften hergestellt. Dazu wird auf dem Campus Beyemo eine schlichte, temporäre, leicht versetzbare Produktionsstätte errichtet. 

In einem ersten Schritt bilden Lehmbau-Spezialisten fünf bis sechs junge Menschen in der Herstellung von Lehmsteinen aus – nach Maßgabe der Studienergebnisse der Universität Addis Abeba. Dann beginnt die Massenproduktion. 

Ziel dieser Maßnahme: 

  • Produktion von ausreichenden Lehmsteinen für den Bau der neuen Schulgebäude in Beyemo.
  • Vermittlung von Wissen über die bisher in der Region unbekannte Technik der Lehmsteinproduktion.
  • Initialzündung für einen Wirtschafts-Kreislauf in der Region: Die Auszubildenden sollen sich mit ihren neu erworbenen Fähigkeiten selbstständig machen und auch für private Gebäude Lehmsteine herstellen.

Wer soll die Gebäude und den Campus entwerfen?

Wir legen großen Wert darauf, Gebäude und Campus mit äthiopischen Architekten, Bauingenieurinnen und lokalen Handwerkern zu planen und zu realisieren. Sowohl EiABC in Addis Abeba als auch die Universität in Jimma sind an einer Zusammenarbeit interessiert. 

Zeitplan und Kosten:

Die Baumaßnahmen sollen nach Ende der „kleinen“ Regenzeit im Frühjahr 2025 beginnen.