Wollpullover und -socken sind besonders in der kalten Jahreszeit beliebt. Sie sind kuschelig und halten den Körper warm. Doch was viele nicht wissen: Ein großer Teil der Schafe, die für unseren Woll-Konsum gezüchtet und gehalten werden, wird brutal verstümmelt. Mulesing nennt sich die grausame Praxis, benannt nach ihrem „Erfinder“, dem australischen Schafzüchter John Mules.
Das Problem, das Mules lösen wollte, liegt buchstäblich am Hintern der Schafe: Besonders Merinoschafe haben – durch ihre Zucht bedingt – eine wollige und faltige Afterregion. Kotreste und Urin machen diese Partien unwiderstehlich für Schmeißfliegen. Die Insekten legen ihre Eier auf den wolligen Hautfalten ab, in die sich später die Larven hineinfressen. Bei einem starken Befall können Schafe an späteren Infektionen sogar sterben.
Mules begann also, bei jungen Schafen die kritischen Hautpartien rund um den Schwanz und unterhalb des Schwanzes einfach abzuschneiden. Ohne jede Betäubung.
Das Verfahren erwies sich als effektiv und verbreitete sich schnell. Und es wird bis heute angewendet – mit dem Hinweis, man erspare den Tieren den Befall durch die lästigen Fliegenlarven oder Schlimmeres. Oft wird zusätzlich auch noch ein Teil des Schwanzes kupiert. Rund 70 Prozent aller jungen Merino-Wollschafe in Australien, dem größten Wollproduzenten der Welt, müssen heute noch diese Prozedur über sich ergehen lassen.
Mulesing ist Tierquälerei
Wissenschaftliche Untersuchungen zeigten, dass der Eingriff für die Tiere sehr belastend ist. Noch zwei Tage danach weisen die Tiere einen erhöhten Wert des Stresshormons Cortisol auf und sind noch bis zu vier Tage danach extrem schreckhaft und spielen nicht.
Doch was ist die Alternative? Forscher experimentieren mit Fliegenfallen und arbeiten an einem Impfstoff gegen die Schmeißfliegen-Larven. Erfolgversprechender scheint allerdings die Zucht von Schafen zu sein, die für Schmeißfliegen unattraktiv riechen und die wenig Wolle und Hautfalten am Hintern haben.
Dass es auch ohne Tierquälerei geht, zeigt das Beispiel Neuseeland, ebenfalls ein großer Player auf dem globalen Woll-Markt. Hier ist Mulesing seit dem Jahr 2018 verboten.
Für die Züchter ist das kein Nachteil. Denn immer mehr Konsumenten achten darauf, dass für ihren Kleidungskonsum keine Tiere gequält werden. Und für Wolle, die garantiert Mulesing-frei ist, werden auf dem Markt höhere Preise erzielt.
Was Sie tun können
- Beim Kauf von Woll-Produkten sollten Sie auf entsprechende Labels achten, z.B. Responsible Wool Standard (RWS), ZQ Merino, NATIVA oder New Merino.
- Wenn Sie unsicher sind, fragen Sie beim Hersteller nach. Das hat nebenbei noch den Effekt, dass Hersteller für Fragen des Tierschutzes sensibler werden. Die australische Tierschutzorganisation Four Paws listet auf ihrer Homepage internationale Hersteller, die sich heute schon gegen das Mulesing engagieren. Das Problem ist oft die Intransparenz in den Lieferketten. Die deutsche Partnerorganisation Vier Pfoten hat kürzlich in einem Ranking festgestellt, dass nur vier von 28 Herstellern von Strickwolle Mulesing mit einiger Sicherheit ausschließen können.
- Muss es wirklich Wolle sein? Auch wenn Wolle Mulesing-frei ist, wurde das Produkt von einem Tier gewonnen, das nur wegen seiner Wolle und seines Fleischs produziert wurde. Es gibt kuschelige Alternativen, etwa aus Bio-Baumwolle, Modal, Hanf oder Polyestervlies.