+++ Kolumne "Alles im grünen Bereich" +++
Wir Menschen leben auf Pump. Und zwar genau ab Samstag, den 22. August 2020: Das ist die simple Botschaft des Earth Overshoot Day.
Seit 50 Jahren errechnet das Global Footprint Network, eine NGO mit Sitz in der Schweiz und in den USA, wann die Menschheit die Ressourcen aufgebraucht hat, die die Erde innerhalb eines Jahres zur Verfügung stellen kann. Ab Ende August rutschen wir in die roten Zahlen. Nehmen uns mehr, als die Erde zurückgeben und verkraften kann: Wir schlagen zu viel Holz, überfischen die Meere, vermüllen die Atmosphäre mit CO2.
Dass dieses Datum mit dem Ende des Jahres zusammenfiel, war zuletzt 1970 der Fall. Seither steigt der weltweite Ressourcenhunger, nimmt die Vermüllung der Atmosphäre stetig zu.
Wegen Corona: Verschiebung um drei Wochen
Das Besondere in diesem Jahr: Durch weltweite Lockdowns und eingefrorene Wirtschaftsaktivitäten liegt der Earth Overshoot Day, auch Erdüberlastungstag genannt, nicht früher, sondern drei Wochen später als im vergangenen Jahr.
Ein Grund zum Aufatmen? Wohl eher eine kleine Verschnaufpause. Immer noch wirtschaftet die Menschheit so, als hätte sie nicht einen, sondern 1,6 Planeten zur Verfügung. Dass die Verschiebung des Stichtags eine globale Trendwende markiert, darf getrost bezweifelt werden: Im selben Maß, wie die Volkswirtschaften auf das bisherige Leistungsniveau aufgepäppelt werden, wird auch der Hunger nach Holz und fossilen Brennstoffen wieder wachsen.
Besonders entlarvend ist der Blick auf die nationalen Erdüberlastungstage. Während es viele Länder im globalen Süden gibt, die die Vorräte der Erde noch weit weniger anzapfen, als nachhaltig wäre, stechen aus der Liste die Industrienationen heraus. Beispiel Deutschland: Wenn alle Welt so wirtschaftete wie wir, bräuchte die Menschheit sogar drei Planeten.
Gleiches Recht für alle!
Es gibt wohl keinen Wert, der besser zeigte als der Erdüberlastungstag, wo das entscheidende Problem der Menschheit liegt: Erstens: Wir verbrauchen in der Summe von allem zu viel – und schädigen damit auch unsere eigene Lebensgrundlage. Zweitens: Die Nutzung scheinbar kostenloser Rohstoffe und Müllkapazitäten ist gegenwärtig, aber auch historisch, extrem ungerecht verteilt.
Es ist an der Zeit, dass die Großverbraucher unter den Nationen der Erde dieser Tatsache ins Auge sehen – und sich für globale Gerechtigkeit einsetzen. Denn ökologische ist auch soziale Gerechtigkeit. "Gleiches Recht für alle – innerhalb planetarischer Grenzen": Dieses Motto sollte über der UN-Klimakonferenz von Glasgow ebenso wie über der UN-Biodiversitätskonferenz in Kunming stehen. Beide übrigens verschoben auf nächstes Jahr, wegen Corona.