Schildkröten und Haie, die sich in Fischernetzen verheddert haben und verenden, Meeresvögel und Wale, die mit Kunststoff im Bauch verhungert sind: Plastikmüll in den Ozeanen steht ganz oben auf der Liste der menschlichen Umweltfrevel.
Das haben auch Markenhersteller erkannt. Und bieten immer mehr Produkte an, darunter Brillen, Rücksäcke oder Sportbekleidung, die angeblich aus sogenanntem Ocean Plastic hergestellt sind. Sie vermitteln damit ein gutes Gefühl beim Kauf eines Produkts. Denn der Kunststoff, aus dem es hergestellt wurde, stammt schließlich direkt aus dem plastikverseuchten Ozean: shoppen und die Welt ein bisschen besser machen.
Aber was ist dran an diesem Versprechen? Ein Fernsehteam von Report Mainz hat bei zweien solcher Produkte genauer hingesehen: einer Duschgel-Flasche von Henkel und einem Turnschuh von Adidas.
Auf der Shampoo-Flasche von Henkel steht auf der Rückseite der Hinweis: „Plastic Bank hat sich zum Ziel gesetzt, insb. in Ländern ohne öffentliche Recycling-System den Plastikmüll und somit Ocean Plastik (Plastik in den Weltmeeren) zu bekämpfen.“ In der Flasche ist allerdings kein Plastik enthalten, das aus den Weltmeeren gefischt wurde. Es wurde stattdessen zu 50 Prozent von Menschen in ärmeren Ländern an Stränden und anderswo eingesammelt.
Darauf angesprochen, schreibt Henkel in einer Stellungnahme gegenüber Report Mainz, auf der Flasche stehe gar nicht, dass sie aus Ocean Plastic sei – sondern nur, dass Ocean Plastic bekämpft werde.
„Aus dem Ozean holen und wiederverwerten“
Offensiver wirbt der Sportartikelhersteller Adidas mit dem Begriff „Ocean Plastic“. In einem Imagevideo heißt es: „Wir müssen [das Plastik] aus dem Ozean holen und wiederverwerten.“ Etwa, indem man Garn daraus herstellt, aus dem dann Schuhe gefertigt werden. Und was ist nun wirklich drin in den „Ocean-Plastic“-Schuhen für 149 Euro? Adidas klärt in einer Stellungnahme auf: „Der Plastikmüll stammt von Stränden und aus Küstenregionen und wurde recycelt, bevor er in die Ozeane gelangen konnte.“
Tatsächlich gibt es keine verbindliche Definition für Ocean Plastic. Und so bleibt der Verdacht, dass Hersteller die öffentliche Aufmerksamkeit auf die Müllproblematik vor allem nutzen, um ihr eigenes Image aufzupolieren.
Der Recyclingexperte Philipp Sommer von der Deutschen Umwelthilfe erklärt gegenüber Report Mainz: „Der Verbraucher denkt ja, dass mit dem Kauf dieser Flasche Plastik aus dem Ozean rausgeholt wird. Tatsächlich stammen die Recycling-Materialien aber aus anderen Quellen. Die Konzerne versuchen damit ein im Kerngeschäft umweltschädliches Verhalten praktisch grünzufärben.“
Also Greenwashing statt Weltrettung? Ähnlich sieht es die Forscherin Gilian Gerke von der Hochschule Magdeburg-Stendal: „Aus meiner Sicht bekommt der Verbraucher nicht das Produkt, mit der Geschichte, für das er bezahlt hat.“
Gerke weiß auch, warum die Hersteller kein echtes Ozeanplastik einsetzen: Es ist zu teuer. Sie hat mit ihren Studentinnen und Studenten Plastik aus dem Meer gefischt, es sortiert und gereinigt – und dann Plastikgegenstände daraus hergestellt. Für das Sortieren, Reinigen und Aufbereiten müsse man einen „Riesenaufwand“ betreiben, sagt Gerke. Die Produktionskosten eines simplen Brieföffners, den sie selbst aus (echtem) Ocean Plastic hergestellt hat, schätzt sie auf 200 Euro.