Hochzeiten mit 500 Gästen gelten als klein
"In der Talibanzeit waren üppige Hochzeiten verboten, auch Musik, Tanz und Hochzeitsfotos durfte es nicht geben. 2001 kam die NATO - und seither wollen die Leute ihre Freiheit wieder feiern. Heute gilt eine Hochzeit mit nur 500 Gästen schon als klein. Es spielen teure Bands, man bezahlt Kamerateams.
Aber indem sich die Brautpaare diese Freiheit nehmen, verschulden sie sich zugleich oft für Jahrzehnte. Leute, die ein paar Hundert Dollar im Monat verdienen, geben 30.000, manchmal 50.000 Dollar fürs Heiraten aus. Insofern ist der Gedanke, die Feiern per Gesetz kleiner zu halten, nicht falsch.
Das Hochzeitsessen etwa darf heute nur noch sieben Dollar pro Gast kosten, nicht mehr 30, wie bislang üblich. Die Regel ist aus meiner Sicht in Ordnung, selbst wenn sie die individuelle Freiheit beschränkt. Aber anstatt wirklich sparsamer zu feiern, bestechen viele Familien jetzt einfach den staatlichen Kontrolleur.
Vorschriften helfen nicht weiter
Das Problem ist kulturell bedingt. Ein Gouverneur hat es mit Massenhochzeiten von 50 Paaren versucht. Aber es finden sich keine Teilnehmer - wer da mitmacht, würde als arm gelten und belächelt werden. Aus Sicht des Islam genügen zum Heiraten übrigens zwei Zeugen und ein Geistlicher. Aber die Leute schaukeln sich gegenseitig hoch.
"Wenn du uns nicht zur Hochzeit einlädst, dann erwarte nicht, dass wir einmal deinen Sarg tragen" - so reden viele, wenn sie nicht auf der Gästeliste stehen. Wir Mullahs müssen daher versuchen, eine andere Wertung für große Hochzeitsfeiern in den Köpfen zu verankern: Wer so viel Geld für Glitzer ausgibt, der hat es offenbar zu leicht verdient, mit Drogen vielleicht, oder mit Waffen.
Aus meiner Sicht stellt sich die eigentliche Moralfrage noch ganz anders: Wer wirklich genug Geld hat, um sich eine teure Hochzeit zu leisten, der sollte stattdessen lieber noch eine Witwe zur zweiten Frau nehmen. Ich weiß, bei euch gilt das als anstößig, aber in 40 Jahren Krieg sind hier viele Männer gestorben - und in Afghanistan fängt niemand eine Witwe auf, es sei denn, sie findet einen neuen Mann.“
Protokoll: Niklas Schenck