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Tinnitus Woher kommt das Pfeifen im Ohr? Und wie wird man es wieder los?

Tinnitus
Erst bei absoluter Stille werden die Misstöne normalerweise hörbar – oder wenn man unter jenem Phänomen leidet, das landläufig Tinnitus genannt wird
© mauritius images / Chris Rout / Alamy
Viele leiden unter lästigen Phantomgeräuschen – oft gerade jene, die ohnehin schon von Kopfschmerz geplagt werden. Was aber verursacht Tinnitus? Und wie wird man die Ohrgeräusche wieder los?

Überdurchschnittlich oft sind Kopfschmerzen von einem unangenehmen Pfeifen im Ohr begleitet: einem Tinnitus. Der Begriff kommt aus dem Lateinischen und bedeutet eigentlich „Klang, Geklirr“. Nahezu jeder von uns produziert die Störsignale, doch die meisten nehmen sie schlicht nicht wahr. Denn unser Gehirn ist darauf trainiert, sie herauszufiltern.

Erst bei absoluter Stille werden die Misstöne normalerweise hörbar – oder wenn man unter jenem Phänomen leidet, das landläufig Tinnitus genannt wird. Die meisten Betroffenen können gut damit leben, einer Studie der Deutschen Tinnitus-Liga zufolge leidet nur etwa ein Fünftel in erheblichem Maße darunter. Oft lässt sich die Fehlwahrnehmung korrigieren oder ein guter Umgang damit finden.

Der Tinnitus kann einseitig oder auf beiden Ohren auftreten, die Laute werden meist als kontinuierliches Piepen, Pfeifen oder Rauschen beschrieben. Mal entspricht die Lautstärke einem leisen Flüstern, mal einer sehr lauten Unterhaltung.

Wie die seltsamen Geräusche entstehen, ist nicht abschließend geklärt. Als sicher gilt, dass Durchblutungsstörungen, die Mediziner einst für den Hauptverursacher hielten, nur eine Nebenrolle spielen. Stattdessen ist die Nervenachse vom Ohr zum Gehirn in den Fokus der Forschung gerückt: Entlang dieser Strecke können Schäden sowohl an den empfindlichen Haarzellen im Innenohr als auch am Hörnerv entstehen.

Vor allem Lärm hinterlässt im Laufe des Lebens immer mehr Schlaglöcher auf der Hörbahn, ob durch laute Spielzeugpistolen, Discobesuche oder Bohrmaschinen. In jungen Jahren kompensiert das Gehirn die Folgen bis zu einem gewissen Grad, später jedoch können sie zu Schwerhörigkeit oder Tinnitus führen.

Lärm oder Verletzungen können Ursachen für einen Tinnitus sein

Was immer der Auslöser ist: Sobald manche Haarzellen im Innenohr verstummen, werden offenbar jene Zellen im Gehirn arbeitslos, die mit den beschädigten Sinneszellen verbunden sind. Eigentlich erzeugen diese aus den eingehenden Signalen die akustische Wahrnehmung von Klängen. Neurobiologen gehen davon aus, dass solche Hirnzellen, wenn sie keinen Input mehr erhalten, fortan eigene Töne produzieren: den Tinnitus.

Auch andere Umstände als Lärm können einen Tinnitus verursachen oder zumindest verstärken, etwa Verkehrsunfälle, Schädelverletzungen und das heftige Einrenken der Wirbelsäule beim Chiropraktiker. Ebenso vermögen Fehlhaltungen und schmerzhafte Verspannungen an der Halswirbelsäule und im Kiefergelenk offenbar die Phantomgeräusche herbeizuführen. Und auch eine entzündliche Erkrankung der Gehörknöchelchen im Mittelohr kann zum Auslöser werden.

Zudem scheinen manche Medikamente den Tinnitus zu begünstigen, etwa Zytostatika (Chemotherapeutika gegen Krebs), das Antibiotikum Gentamicin sowie Chinin (ein Wirkstoff gegen Malaria).

Insbesondere Menschen mit regelmäßigen oder gar chronischen Kopfschmerzen sind oft auch von Tinnitus betroffen. Forscher vermuten, dass dies auf gemeinsame Ursachen zurückgeht. So könnte etwa ein Mechanismus, der bei Migräne und Clusterkopfschmerz eine zentrale Rolle für die Entstehung der Attacken spielt (die Aktivierung des Trigeminusnervs), auch für eine spezielle Form des Tinnitus verantwortlich sein.

Ärzte raten beim Ohrgeräuschen zur Gelassenheit

Typisch ist zudem, dass Tinnitus auftritt, wenn Kopfschmerzmedikamente nach dauerhafter Einnahme plötzlich abgesetzt werden, statt sie langsam auszuschleichen. Gleiches gilt beim abrupten Entzug anderer Arzneimittel sowie von Suchtmitteln. Gesichert ist auch, dass Stress die Töne verstärkt: Denn Menschen, die dauerhaften Druck nicht gut bewältigen können, erleben das innere Pfeifkonzert als lauter, störender – und beängstigender.

Ohnehin spielen Emotionen eine große Rolle: Je aufmerksamer und sorgenvoller ein Mensch das Störfeuer in seinem Ohr verfolgt, desto mehr Hirnzellen widmen sich den Misstönen und desto belastender werden sie.

Deshalb raten Ärzte anfangs zur Gelassenheit: Wer plötzlich Ohrensausen bekommt, sollte zunächst ein, zwei Tage abwarten, ob die Störung von selbst wieder abklingt. Ab dem dritten Tag sei es jedoch sinnvoll, einen Hals-Nasen-Ohren-Arzt aufzusuchen.

Der wird umfassende Untersuchungen vornehmen, um mögliche körperliche Ursachen aufzuspüren. Diese werden entsprechend therapiert, etwa mittels Kortison, Physiotherapie – oder durch ein Hörgerät. Denn auch eine allgemeine Abnahme des Hörvermögens kann dazu beitragen, dass ein Tinnitus wahrgenommen wird.

Bleibt dieses Vorgehen ohne Erfolg, wird sich die Behandlung nicht gegen den Tinnitus selbst richten, sondern gegen jene Fehlsteuerung des Gehirns, die seine Wahrnehmung zum Problem werden lässt. Denn oft hat es ein Stück weit verlernt, wichtige von unwichtigen Geräuschen zu unterscheiden und Letztere zu unterdrücken.

Normalerweise würde das Gehirn die Missklänge herausfiltern und gar nicht erst in unser Bewusstsein dringen lassen. So wie es etwa auch vorbeirauschende Autos, Vogelgezwitscher oder unsere zahllosen Schluckbewegungen am Tag ausblendet – die weit lauter sind als ein gewöhnlicher Tinnitus.

Doch bei manchen Menschen scheint dieser Filter zeitweise oder dauerhaft zu versagen. Durch gezieltes Training können Betroffene diese Fähigkeit aber in vielen Fällen wieder erlernen. Bewährt haben sich vor allem Maßnahmen aus der Verhaltenstherapie, die von entsprechend ausgebildeten Psychotherapeuten angewandt werden. Bei der Deutschen Tinnitus-Liga etwa bekommt man Adressen spezialisierter Tinnitus-Zentren.

Leise Musik kann Einschlafen bei Tinnitus erleichtern

Insbesondere ein besserer Umgang mit dem Alltagsstressist oft hilfreich. Mitunter sind aber auch schon einfache Maßnahmen zur Ablenkung von den Ohrgeräuschen wirkungsvoll: Leise Musik etwa kann das Einschlafen bei einem Tinnitus erleichtern.

Zudem unterstützen körperliche Entspannungsverfahren wie die Progressive Muskelrelaxation oder Yoga die Heilung. Auch Ausdauersport ist ein gutes Mittel, muskuläre Probleme zu bessern und tinnitusfördernden Stress abzubauen.

Der vielleicht wichtigste Rat aber lautet, dem Tinnitus gar nicht erst so viel Raum zu geben, dass er sich verfestigt und chronifiziert. Und so schwer es manchem auch fällt, die beste Methode dafür ist: ihn zu ignorieren.

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