Die meisten von uns fühlen sich bereits als Entdecker, wenn sie bei einer Wanderung einfach mal querfeldein stapfen und sich treiben lassen. Doch Tom Schinker und Martin Druschel reichte das nicht. 2016 gründeten sie die Expeditionsplattform Wandermut. Ihr Ziel: Bislang unentdeckte Orte zusammen mit Menschen erschließen, in denen auch das Entdeckergen steckt. Das führte sie bereits per Huskyschlitten durch entlegene Regionen Russlands oder in die Sahara. Auf wochenlangen Touren gehen die Expeditionsteilnehmer an ihre körperlichen Grenzen, um an Orte zu gelangen, die vor ihnen bestenfalls noch niemand besucht hat. Und genau bei einer solchen Tour im peruanischen Amazonasgebiet stießen sie kürzlich eher zufällig auf die Ruinen eines verlassenen Dorfes der Chachapoya. Das stolze Andenvolk starb mit der spanischen Invasion Mitte des 16. Jahrhunderts aus, und seither haben die Ruinen des Dorfes, das die beiden und ihr Team entdeckten, unter dem dichten Dickicht geschlummert. Aber von vorn.
„Wir waren mit einer Gruppe rund um den See der Kondore unterwegs, wo bereits Mitte der 1990er Jahre Grabstätten sowie 200 Mumien der Chachapoya gefunden wurden. Wir wussten also, dass sich in dem Gebiet noch mehr Relikte aus den Lebzeiten des Volkes verstecken. Unsere Intention war es allerdings nicht, unentdeckte Ruinen zu suchen. Als wir sie dann fanden, war es umso schöner“, erzählt Martin.
Die Expedition stand kurz vor dem Abbruch, dann kam die Entdeckung
Der ursprüngliche Plan der Gruppe sah vor, sich den Zustand jener Ruinen und Grabstätten anzusehen, die Mitte der 1990er Jahre als Sensation galten. Unweit des Dorfes Leymebamba wurde seinerzeit eine große unversehrte Grabanlage Chachapoya entdeckt. Dem Fund wurde inzwischen ein Museum gewidmet. Auf dem Weg dorthin wollten Martin und Tom mit ihrem Team weitere Teile des unwegsamen Gebietes erschließen. Doch schnell zerrten die Naturgewalten zu sehr an den Teilnehmern, so dass viele Mitglieder des Teams krank im Camp lagen und die Expedition kurz vor dem Abbruch stand. Dennoch brachen Martin und zwei Guides eines nachmittags auf, um mit Macheten einen Weg zu einem möglichen Ort für ein neues Camp zu schlagen. Am Fuße eines Bergkamms entdeckten sie unter knorrigen Ästen und Moosschichten dann die Überreste menschlicher Bauten, die sich als ein Dorf des Andenvolkes entpuppen.
Ihr Fund besteht aus 36 Ruinen der typischen Ringhäuser der Chachapoya sowie Terrassen und weiterer Gemäuer, die auf Landwirtschaft schließen lassen.
„Das Gebiet, in dem wir die Entdeckung gemacht haben, ist eigentlich Sperrgebiet, da es hier immer wieder zu Plünderei von archäologisch wertvollen Stätten gekommen ist. Wir haben lange mit ortsansässigen Guides und Behörden gesprochen, die unsere Expedition am Ende begleitet haben. Eine große Hilfe war dabei Ronald Wagter, der Niederländer war bereits an der großen Expedition 1996 beteiligt und lebt inzwischen im Norden Perus. Sie alle konnten uns versichern, dass dieses Dorf der Chachapoya bisher verborgen lag“, erklärt Tom.
Tourismus oder Verfall?
So sehr das Expeditionsteam sich über diesen archäologischen Fund freute, so schnell kam es auch zur Ernüchterung. Um wissenschaftlich erforschen zu können, wer hier einst gelebt hat oder welche Stellung die Siedlung in der Welt der Chachapoya hatte, benötigt es Geld. Und das wird selten investiert, weiß Martin: „Es liegt nun am Staat Peru, ob und was mit dieser Fundstelle passiert. Sie muss nun offiziell als archäologische Stätte von den Behörden registriert werden. So lange sich solche Orte nicht auch für den Tourismus nutzen lassen, passiert leider meistens außer der Registrierung nichts.“
Im besten Fall würde die Ruine bewacht und könnte wenigstens nicht geplündert werden, erklärt Tom weiter. Für die beiden steht so oder so aber fest, dass sie bereits in diesem Jahr wieder nach Peru reisen möchten, um eine weitere Expedition in dem Gebiet durchzuführen. Dafür sind sie aber noch auf der Suche nach weiteren Teilnehmern, die Lust haben in die Wildnis Perus und die Welt der Chachapoya einzutauchen. Denn nur so lässt sich die aufwendige Tour auch finanzieren.