Während die Emissionen weltweit steigen, das Klima sich ungebremst erwärmt, warnen Klimaforscher vor so genannten Kippelementen. Gemeint sind damit Prozesse, die die Erderwärmung unkontrollierbar beschleunigen könnten. So würde das dunkle Wasser einer schnee- und eisfreien Arktis mehr Sonnenenergie aufnehmen – und so zu weiter steigenden Temperaturen führen. Oder die arktischen Permafrostböden: Tauen sie durch, könnten Milliarden Tonnen Methan und Kohlendioxid freigesetzt werden, die ihrerseits das Klima weiter aufheizen.
Ein Team der Universität Hamburg hat nun in der Fachzeitschrift „Nature“ eine ungewöhnliche Methode vorgestellt, diese Böden vor dem Schmelzen zu bewahren: Abertausende von Wildpferden und anderen Huftiere sollen dafür sorgen, dass der Boden im Winter ordentlich durchfriert – um so die warme Jahreszeit besser zu überstehen.
Was auf den ersten Blick seltsam anmutet, basiert auf einer einfachen Idee – und Erfahrungswerten.
Zunächst die Idee: Die Schneedecke „isoliert“ im Winter den darunter liegenden Boden vor kalter Luft. Während die Luft sich auf minus 40 Grad Celsius abkühlt, herrscht im Boden eine Temperatur von nur minus zehn Grad Celsius. Den erwünschten Kühleffekt der bodennahen Luftschichten können große Pflanzenfresser wie Pferde und Wisente verbessern – indem sie die Schneedecke stören, also platttreten und aufwühlen.
Pferde könnten 80 Prozent der Permafrostböden bewahren
Dass das funktioniert, zeigen langjährige Beobachtungen aus dem Pleistozän-Park in Cherskii im Nordosten Russlands. Herden von Bisons, Wisenten, Rentieren und Pferden sorgen hier dafür, dass die Schneehöhe im Winter deutlich verringert ist: Bei 100 Tieren pro Quadratkilometer im Mittel um die Hälfte.
Hochgerechnet auf sämtliche Permafrostböden, ergibt sich folgendes Bild: Sollten die Emissionen ungebremst weiter ansteigen, könnten sich die gefrorenen Böden bis zum Ende des Jahrhunderts um 3,8 Grad Celsius erwärmen – und etwa zur Hälfte auftauen. Mit Herden von Wisenten und Pferden betrüge die Erwärmung beim selben Emissionsszenario nur 2,1 Grad Celsius. Die Folge: 80 Prozent der heutigen Permafrostböden könnten erhalten bleiben.
„Es ist zwar utopisch, auf sämtlichen Permafrostböden des Nordens Wildherden anzusiedeln", sagt der Hauptautor der Studie, der Erdsystemwissenschaftler Christian Beer in einer Pressemitteilung der Universität Hamburg. „Doch unsere Ergebnisse zeigen, dass auch weniger Tiere schon einen kühlenden Effekt hätten.“