JANUAR 2013 - Mary Ellen Fieweger berichtet:
Großer Schülerwettbewerb in den Bezirken Apuela und Cuellaje
Am 14. Januar, bevor die Schüler sich an das Schreiben ihrer Geschichten setzten, besuchte DECOIN-Mitarbeiter William Navarrete die sechs am Wettbewerb teilnehmenden Schulen in Apuela, Puranquí, El Rosario, Nápoles, Cuellaje und San Antonio, um ihnen die Teilnahmebedingungen für den Wettbewerb zu erklären. Wiebke Müller, eine Freiwillige aus Deutschland, die derzeit für das Gemeindezentrum „Casa Palabra y Pueblo“ arbeitet, begleitete ihn, um mehr über die Eindrücke der Schüler und Lehrer, die in den Waldschutzgebieten unterwegs gewesen waren zu erfahren. Edison, einer der Schüler, war besonders begeistert von dem, was er im Wald gesehen hatte: „Dort gab es unheimlich viele Pflanzen“, schwärmte er „und Tiere und Blumen, weil die Erde dort so fruchtbar ist. Und wenn wir die Bäume fällen, werden wir keine saubere Luft mehr haben, weil ihre Blätter die Luft nicht mehr reinigen können.“ Edison möchte über diese Bäume schreiben, ihre Blüten und die Vögel, die sie ernähren. Luis machte dagegen das Schwimmen im Fluss am meisten Spaß und die Papageien, die er in den Wachspalmen sah. Und er sagte zu Wiebke, dass man lieber Bäume pflanzen sollte, anstatt sie zu fällen.
Die Kurzgeschichten sind der Abschluss eines mehrmonatigen Umweltbildungsprojektes. In jeder der sechs teilnehmenden Schulen wurden die Kinder lange darauf vorbereitet. So wurde etwa ein Ausflug in den Wald der Gemeindeschutzgebiete unternommen, wo sie eins zu eins sehen und erleben konnten, was sie im Umweltunterricht gelernt hatten. Und es wurde das kreative Schreiben geübt, um das Erlernte und Erlebte festzuhalten.
Dies sind Auszüge aus den Geschichten der jungen Autorinnen und Autoren:
Schüler der „José Luis Moreno-Schule“ in Cuellaje entschieden sich für eine realistische Herangehensweise. Um die Faszination des Waldes zu vermitteln, übertrugen vier Klassenkameradinnen in der Erzählung „Die Reise zur sauberen Luft“ ihre eigenen sinnlichen Erfahrungen auf die Protagonisten ihrer Geschichte: „Sie staunten über die Vielfalt der Pflanzen, groß und klein, mit dicken und dünnen, breiten und schmalen Blättern. Sie nahmen den Duft der Erde und der Blumen in sich auf. Sie lauschten der Stille der Berge, dem Lied der Vögel, dem Pfeifen des Windes und dem Gemurmel der fernen Flüsse. Mit ihren Fingerspitzen ertasteten sie die Oberflächen von Baumrinde und Blättern, von Moos und Früchten.“
Zwei weitere Kurzgeschichten „Der Schutzwald von Intag“ und „Unzertrennliche Freunde“ beschreiben Begegnungen zwischen den Waldbewohnern und den Menschen. In der ersten geht es um Carlitos, einen frechen Schüler, der sich verirrt als er seinem Lehrer nicht gehorcht und alleine in den Wald geht. Dort trifft er einen Andenbären, der weiß, dass Carlitos Vater ein Jäger ist. Es entsteht folgende Unterhaltung:
„Du bist Carlos, richtig?“
„Ja“, antwortet Carlos.
„Und dein Vater liebt die Jagd“ sagt der Bär.
„Ja“, bestätigt Carlos.
„Möchtest du so gut beim Jagen sein, wie dein Vater? Willst du Bären, Hirsche und andere Tiere, die im Wald leben, töten?“ fragt der Bär.
Eingeschüchtert erwidert Carlitos, „Ja“.
Der Bär, dem klar ist, dass Carlitos Angst vor ihm hat, erkundigt sich „Weißt du, wo du hier bist?“
„Ja“, antwortet Carlitos „im Waldschutzgebiet meiner Gemeinde.“
„Und weißt du, was ein Schutzgebiet ist?“ will der Bär wissen.
„Es ist ein Wald“ erklärt Carlitos.
„Das ist richtig“ bestätigt der Bär, „und ich sage dir noch etwas: Das Schutzgebiet ist ein winziges Stück eines Waldes, der einst wie ein riesiges grünes Meer die ganze Erde bedeckt hat, üppig und wunderschön."
Die Geschichte „Pepe, die Grille und der Hundertfüßer“ von Schülern der „José Luis Moreno-Schule“ beginnt folgendermaßen: „Eines Tages im Oktober, als die Sonnenstrahlen am frühen Morgenhimmel tanzten und den Beginn eines neuen Tages ankündigten, zeichneten sich die Schatten von gewaltigen Wesen ab, deren Arme ausgefahren waren, als ob sie alles in Sichtweite umarmen wollten. Das war seltsam, aber auch beängstigend. Dann wurde die Stille durch tausende, zauberhafte Lieder und Triller von winzigen, mittleren und großen Vögeln unterbrochen, die aus ihren Träumen erwachten. Doch es gab hier nichts, wovor man sich fürchten musste, es war nur ein neuer, wundervoller Tag im Waldschutzgebiet von Cuellaje, in einem saftig grünen Wald von mehr als 2700 Hektar, wo Tura-Bäume, Zedern, Wachspalmen, Guarumbo, Wildkirschen, Lorbeer, riesige Farne, mit Aufsitzerpflanzen wie Bromelien und Orchideen, und auch einer unendlichen Vielfalt an Insekten und anderen Tieren friedlich zusammen leben.
Gemeinsam mit jeweils zwei Schülern der am Schreibwettbewerb teilnehmenden Schulen besuchte DECOIN-Präsidentin Silvia Quilumbango am 17. Januar die Station von RADIO INTAG in Peñaherrera. Die Kinder von zwei Schulen durften ihre Texte für die Hörer des Senders vorlesen. Und alle unterhielten sich anschließend mit der Gemeindereporterin Sonia Córdova über ihre Erlebnisse im Wald und wie es für sie war, darüber zu schreiben.
Manche Schüler illustrierten ihre Erzählungen sogar. Besonders die Bilder aus der „Juan Genaro Jaramillo-Schule“ in Puranquí sind beeindruckend. Die Geschichten werden nun von einer Jury beurteilt – nach Kreativität, Sprachgebrauch, Struktur, Stil und vor allem wie es den kleinen Schriftstellern gelang, den Leser zu fesseln. Wer den Schreibwettbewerb gewonnen hat, wird demnächst bekanntgegeben.
FEBRUAR 2013 - Mary Ellen Fieweger berichtet:
Die besten Geschichten
Endlich stehen die Gewinner des Schreibwettbewerbs fest: Silvia Quilumbango, Präsidentin der Umweltschutzorganisation DECOIN verkündete, dass die Jury, bestehend aus Mary Ellen Fieweger und Luis Robalino, zu folgendem Ergebnis gekommen ist:
Auf den 1. Platz kamen die Schüler der „Juan Genaro Jaramillo-Schule“ in Puranquí, Bezirk Apuela, mit ihrer Geschichte „Intags Gemeindeschutzwald“.
Der 2. Platz ging an Schüler der „Schule des 12. Februar“ in Nápoles, Bezirk Cuellaje, für die Geschichte „Die Abenteuer des kleinen Bären im Schutzgebiet Cuellaje“.
Und den 3. Platz gewann die Geschichte „Das verzauberte Paradies“ von Schülern der „Julio Tobar Baquero-Schule“ in der Gemeinde La Colonia, Bezirk Cuellaje.
Das Preisgeld von 850 Dollar wird aufgeteilt: Für den ersten Platz gibt es 500, für den zweiten Platz 200 und für den dritten Platz 150 Dollar. Die drei Schulen werden mit dem Geld ihre Ausstattung verbessern.
Bergbau spaltet den Kanton Cotacachi
Am 13. Februar versammelte sich der Rat des Kantons Cotacachi, um über den Genehmigungsantrag für Probebohrungen des ecuadorianischen Bergbauunternehmens ENAMI-EP (Empresa Nacional de Minería de Ecuador) für das Konzessionsgebiet Llurimagua, zu dem Junín gehört, zu entscheiden. Seit mehr als 15 Jahren schon wehren sich Gemeinde- und Bezirksregierungen sowie Nichtregierungsorganisationen gegen den Bergbau im Gebiet Junín; in den 1990er Jahren hatte eine Tochtergesellschaft von Mitsubishi Corporation dort Kupfervorkommen entdeckt. Der frühere Rat hatte sich strikt gegen diese Aktivitäten gestellt. Doch nun ist Alberto Arango, ein Mitglied der Regierungspartei „Alianza País“ , Ratspräsident.
Nachdem sie im Dezember 2012 vom Antrag der ENAMI-EP erfahren hatten, schrieben die Ratsvertreterin Patricia Espinosa und ihre Kollegen vom Tourismus- und Umweltkomitee einen Bericht, in dem sie die Möglichkeit zur Genehmigung zurückwiesen, mit den folgenden Argumenten:
- In der ecuadorianischen Verfassung ist verankert, dass die Rechte der Natur beachtet werden müssen, um den Bewohnern des Landes eine gesunde Umgebung und die nachhaltige Nutzung der natürlichen Ressourcen zu ermöglichen
- Auch die für Cotacachi erarbeiteten Entwicklungs- und Zonierungspläne, insbesondere auch die der am stärksten betroffenen Bezirke García Moreno und Peñaherrera, verbieten Bergbau; zudem sind diese Pläne stark auf Landwirtschaft und Tourismus ausgerichtet – Aktivitäten also, die mit Bergbau völlig unvereinbar sind
Der Bericht hält außerdem fest: „Obwohl richtig ist, dass Bergbau bedeutenden ökonomi-schen Nutzen bringen kann, geht dieser unbestritten mit massiven Auswirkungen auf die Umwelt einher. Darüber hinaus ist der finanzielle Nutzen nur von kurzer Dauer. Dem Rat des Kantons liegen weder die Umweltverträglichkeitsstudie des Umweltministeriums, noch Berichte über Auswirkungen auf Schutz- oder Wassereinzugsgebiete vor – besonders schwer- wiegende Versäumnisse angesichts der Tatsache, dass die Schürfrechte in den Einzugsge-bieten Junín und Chalguayaco liegen, wo viele Nebenflüsse des Intag-Flusses entspringen.“
Nach seiner eingehenden Analyse, die sich auf die Meinung von Bewohnern des Llurimagua-Konzessionsgebiets stützte, beantragte das Tourismus- und Umweltkomitee, der Bericht möge dem gesamten Rat zur Abstimmung vorgelegt werden. Neben den Ratsmitgliedern des Kantons nahmen am 13. Februar auch 15 Vertreter aus den Bezirken und Gemeinden an den Diskussionen teil. Darunter die Vorsitzenden von García Moreno und Peñaherrera, Shisela Moreales und Gustavo León, sowie die Vorsitzenden der Gemeinden Junín und Chalguayaco Bajo, Xavier Ramirez und Polibio Pérez. Auch diese lokalen Vertreter legten dem Rat ihre Gründe dar, weshalb sie gegen die Bergbaubewilligung in ihren Regionen sind. Silvia Quilumbango von DECOIN bekräftigte diese Stellungnahmen.
Leider hatten andere Ratsmitglieder einen Bericht vorbereitet, der für die Genehmigung der Aktivitäten von ENANI-EP argumentierte. Am Ende stimmten vier von acht Ratsvertretern und auch Bürgermeister Arango, also die Mehrheit, für die Genehmigung – eine bittere Niederlage für die Bergbaugegner.
Im Anschluss an das Treffen hielten Silvia Quilumbango und Polibio Pérez eine Pressekon-ferenz, die auf Youtube unter http://www.youtube.com/watch?v=2QzNpKgqTC8 zu sehen ist.
Daneben sendete RADIO INTAG eine spezielle Berichterstattung über die Ratssitzung vom 13. Februar als Teil der wöchentlichen Nachrichten: Das Programm, welches von Mitarbeitern des Gemeindezentrums „Casa Palabra y Pueblo“ erarbeitet wurde, kann man sich im Blog unter http://casapalabrapueblo.blogspot.com/ anhören.
MÄRZ 2013 - Mary Ellen Fieweger berichtet:
Intag-Bewohner im Protest-Fieber
Wie wichtig die Arbeit von DECOIN ist, zeigt sich auch darin, wie überaus beharrlich und erfolgreich die Umweltschutzorganisation schon seit Jahren dazu beiträgt, einen starken Zusammenhalt und Widerstand innerhalb der Bevölkerung gegen Bergbauunternehmen und deren Vorhaben zu schaffen.
Dank der Kooperation mit „GEO schützt den Regenwald“ und LichtBlick konnten seit 2005 mehr als 4700 Hektar Bergregenwald gekauft und unter Gemeindeschutz gestellt werden. Die geschützten Wälder sind die Zukunft der Intag-Bewohner und tragen dazu bei, Pläne der ecuadorianischen Regierung und internationaler Bergbauunternehmen zu durchkreuzen.
Vor einigen Wochen haben die Bergbau-Lobbyisten einen erneuten Vorstoß gestartet, in der Intag-Region Kupfer abzubauen. Das bedeutet, dass DECOIN in diesen Tagen viel Arbeit und Zeit in die Unterstützung der am stärksten von den Bergbauvorhaben betroffenen Gemeinden stecken muss. Mitglieder dieser Gemeinden sind derzeit damit beschäftigt, Grenzmarkie-rungen für jene Wälder herzustellen, in denen ein großer Teil der Kupfervorkommen vermutet wird. Außerdem stellt die Bevölkerung Schilder auf, um jenen Wissenschaftlern, die im Auftrag des staatlichen Bergbauunternehmens Studien durchführen möchten, mitzuteilen, dass die Gemeinde nicht ihr Einverständnis für die Umweltverträglichkeitsprüfungen gegeben hat. Sollten die Wissenschaftler das Schutzgebiet dennoch betreten, so weiß die Gemeinde, dass dies ohne ihre Einwilligung geschehen ist. Auch DECOIN unterstützt die Herstellung von Grenzmarkierungen, wie Carlos Zorrilla, der Direktor der Umweltorganisation, bestätigt.
Die DECOIN-Präsidentin Silvia Quilumbango besucht derweil Versammlungen im Kanton Cotacachi, darunter eine am 14. März 2013. In Cotacachi trafen sich auf Verlangen des Nachbarschafts-Interessenverbandes diverse Vertreter von Behörden und Organisationen sowie Vorsitzende der Intag-Gemeinden, um zu erfahren, mit welcher Begründung der Rat des Kantons und Bürgermeister Alberto Arango den Bergbauplänen der Regierung in Llurimagua (ehem. Junín) zugestimmt haben. Anwesend waren auch José Cueva, der Präsident von „Corporación Toisán“ (ein Zusammenschluss verschiedener Gemeindeinitativen im Intag), Polibio Pérez, Sprecher des Komitees der von Bergbau betroffenen Gemeinden, außerdem verschiedene Rechtsberater der Bezirksregierungen. Die Vertreter der Intag-Region erklärten dem Nachbarschafts-Interessenverband die Gründe für ihren Widerstand gegen den Bergbau, und betonten dabei die Folgen für die Umwelt und für die nachhaltige Nutzung erneuerbarer Ressourcen sowie die Verletzung der Menschenrechte und Gemeinderechte, die verübt wurden, bei dem Versuch Bergbauvorhaben in der Intag-Region zu realisieren. Der Berater des Kantons unterstrich, dass Bergbau für die Regierung nun mal Priorität hat und, dass der Bürgermeister von Cotacachi daher keine andere Wahl hatte als den Untersuchungsvorhaben durch das staatliche Bergbauunternehmen zuzustimmen.
Laut Carlos und Siliva organisieren die vom Bergbau bedrohten Gemeinden eine weitere Versammlung am 6. April, zu der alle Intag-Bewohner und Mitglieder von Basisorganisationen herzlich eingeladen sind.
Außerdem hat DECOIN die Broschüre "Proyecto Minera Junín" auf Spanisch erstellt, welche die Auswirkungen des Bergbaus für Menschen und Umwelt zusammenfasst. Auch mit Unterstützung auf internationaler Ebene wie von Deutschland wird gerechnet.
APRIL 2013 - Mary Ellen Fieweger berichtet:
Auch in Deutschland Proteste gegen den Bergbau in der Intag-Region
Während der Europareise von Präsident Rafael Correa, die im April in Deutschland begann, war von der Intag-Region in den deutschen Medien die Rede. Das ecuadorianische Staatsoberhaupt wurde vom Geschäftsführer der staatlichen Bergbaufirma ENAMI, Fabián Rueda, sowie von einer Gruppe Geschäftsmänner aus Ecuador begleitet. Während der Pressekonferenz verkündete Rueda, der Bezirk Llurimagua in der Intag-Region habe hohe Priorität für weitere Erkundungen und den vorgesehenen Abbau des Kupfererzes. Es sei eine Kooperation im Bereich Bergbau mit dem chilenischen Bergbauunternehmen CODELCO geplant.
Diese Nachricht feuerte die Proteste während der Rede von Präsident Correa bei der Großveranstaltung an der Technischen Universität Berlin am 16. April 2013 an. Zuvor hatten deutsche Studenten und Experten Unterschriften für eine Petition gegen den Bergbau im Nebelwald der Intag-Region gesammelt. Die jungen Leute - ehemalige Freiwillige, die vor ihrem Studienbeginn während eines „Praxisjahres“ mit Basisorganisationen im Intag zusammen gearbeitet haben - engagieren sich nun im Verein „Intag e.V.“. Dieser organisiert Events, um Spenden im Kampf für den Waldschutz zu generieren. Insgesamt 61.431 Unterschriften kamen zusammen, die dem ecuadorianischen Minister für strategische Ressourcen, Rafael Poveda Bonilla während eines Treffens im Vorfeld überreicht wurden. Unterdessen verteilten Umweltaktivisten vor dem Universitätsgelände Informationsbroschüren an die interessierten Teilnehmer der Correa-Veranstaltung. Sie erklärten ihnen, weshalb sie gegen den Bergbau im Intag sind und unterstrichen dies mit Botschaften auf Schildern zum Schutz des Waldes. Im Hörsaal hielten sie während der Rede von Präsident Correa die Zahl der Unterschriften hoch, die gegen die Bergbauvorhaben der Regierung gesammelt worden waren.
Ehemalige Freiwillige interviewten Protestveranstalter und Konferenzteilnehmer über ihre Meinung zum Bergbau im Intag. Zusammen mit einem Bericht über die Ereignisse in Berlin wurden die Interviews in einer Sendung von Radio Intag ausgestrahlt. Flächendeckend berichteten auch die ecuadorianischen Medien über die deutsche Protestaktion wie etwa „Ecuador Radio“. In Correas wöchentlicher Ansprache an die Nation blieben diese dagegen unerwähnt.
DECOIN förderte ein Treffen der Gemeinden in Junín, um über deren Strategie in den nächsten Monaten zu beraten. Über 130 Betroffene kamen, darunter auch einige junge Leute aus dem Bezirk Cotacachi. Sie versprachen tatkräftig die Aktivitäten zu unterstützen, die dazu beitragen den Wald in der Intag-Region zu schützen und Bergbauaktivitäten zu verhindern. Zeugnis dieses Engagements sind schon jetzt Wandmalereien im Zentrum der Kleinstadt Cotacachi.
Ein Frosch wirbt für Artenschutz
„Ist das nicht cool?“ kommentierte der Leiter der Umweltschutzorganisation DECOIN, Carlos Zorrilla, begeistert Fotos, die er im März an den Projektpartner von LichtBlick, den Verein „GEO schützt den Regenwald“, schickte. Nahe seines Hauses mitten im Bergnebelwald der Intag-Region hatten Kinder einen Monat zuvor eine spektakuläre Entdeckung gemacht: Gut getarnt im vermodernden Laub fanden sie einen winzigen Frosch von nur acht Millimeter Länge. Aufgrund der geringen Größe und des speziellen Habitats spürten bisher nur Fachleute diese Art auf. Doch Carlos und seinen Begleitern glückte es sogar vier weitere Exemplare ausfindig zu machen. Die Art zu bestimmen, der diese Tiere angehören, bleibt allerdings wenigen Spezialisten vorbehalten.
Wie einer dieser Experten, der Darmstädter Zoologe Jörn Köhler, kürzlich der Geschäftsführerin von „GEO schützt den Regenwald“ berichtete, finden sich in der Gattung Pristimantis, der die Winzlinge angehören, 455 anerkannte Arten. Keine andere Wirbeltier-Gattung weist eine solche Vielfalt auf! Der durch Carlos entdeckte Miniatur-Frosch konnte durch den Amphibienforscher Martin Bustamante in Ecuador identifiziert werden; Wissenschaftlern ist er als Pristimantis appendiculatus bekannt. Diese Art ist ausschließlich an den Westhängen der Anden beheimatet, in den Nebelwäldern von Ecuador und Südkolumbien.
Der Fund verdeutlicht einmal mehr die enorme Artenvielfalt in Ecuador. Und er zeigt, wie wichtig der Schutz des Nebelwaldes der Intag-Region ist. Gerade vor dem Hintergrund seiner bedrohten Existenz ist es etwas ganz Besonderes diesen zierlichen Frosch mit der spitzen Schnauze in jenem Gebiet ausfindig zu machen, in dem sich LichtBlick gemeinsam mit „GEO schützt den Regenwald“ und DECOIN seit nunmehr neun Jahren für den Walderhalt engagiert.
Mai 2013 - Eva Danulat berichtet:
Die Geschäftsführerin von „GEO schützt den Regenwald e.V.“ berichtet von ihrem Besuch des LichtBlick-Projekts in der Intag-Region im Mai 2013:
Mehr als 10.000 Kilometer Luftlinie liegen zwischen Hamburg und dem entlegenen Intag-Tal, unserer Projektregion. An einem Tag ist die Anreise kaum zu schaffen. Nach 18 Reisestunden bin ich von dem im Februar eingeweihten, neuen Flughafen östlich der Hauptstadt Quito, nach Otavalo gefahren, um am folgenden Morgen in den Intag weiterzureisen. Die Kommunikation mit der ganzen Region ist derzeit weder per Telefon noch per Internet möglich – ich kann also Carlos Zorrilla, unserem Projektpartner von DECOIN, meine Ankunftszeit nicht übermitteln. Womöglich hätte ich ihm berichtet, dass ich mit dem ersten Bus anreise (für den es keine Plätze mehr gab), oder mit dem zweiten (der ausfiel). Für den dritten planmäßigen Bus des Tages konnte ich schließlich einen Sitzplatz ergattern, dutzende andere Passagiere müssen stehen. Nach einer nicht-planmäßigen Werkstattreparatur setzt sich das völlig überladene Gefährt mit einer Stunde Verspätung in Bewegung. Kaum haben wir die Hauptstraße verlassen, geht es nur im Schneckentempo voran: Straßenbauarbeiten? Seit Jahren soll die Schlaglochpiste nach Apuela, die in der Regenzeit durch Bergrutsche immer wieder unpassierbar ist, instand gesetzt und asphaltiert werden. Im aufgewirbelten Staub ziehen die Silhouetten von einem Dutzend riesiger Bagger und genauso vielen Planierraupen vorbei. Als der Bus nach dreieinhalb Stunden Fahrzeit Santa Rosa erreicht, schnalle ich mir mein Gepäck auf den Rücken und mache mich auf den einstündigen Weg zu Carlos’ Haus mitten im Nebelwald. Zum Glück kenne ich den Pfad von früheren Besuchen. Und: Es regnet gerade nicht, es nieselt nur. Ich genieße meinen ersten Kontakt mit der wunderschönen Natur.
Carlos hat die DECOIN-Präsidentin Silvia Quilumbango, den Landvermesser Armando Almeida und den „Umweltlehrer“ Milton Arcos nach Santa Rosa eingeladen. Hier können wir in Ruhe die Aktivitäten der vergangenen zwölf Monate evaluieren und die des kommenden Jahres planen. Dass sich das Projekt so erfolgreich entwickelt hat, fortgeführt wird und somit weiter wachsen kann, ist der steigenden LichtBlick-Kundenzahl zu verdanken. Die Gesamtgröße der durch das Projekt geschaffenen Gemeindewald-Flächen ist inzwischen auf mehr als 4700 Hektar gestiegen – ein großartiges Ergebnis. Das DECOIN-Team hat hierfür 28 Waldflächen verhandelt und deren Kauf abgewickelt, 2013 werden weitere hinzukommen. Wie gut, dass Armando mit jedem Winkel des Intag-Tals vertraut ist! Im Verlauf eines Jahres verbringt er sicher insgesamt mehrere Wochen in den Nebelwäldern, während er Flächen begeht und per GPS deren Grenzkoordinaten ermittelt. Auch heute kann Armando uns auf der Landkarte einige Waldgebiete zeigen, die zum Verkauf stehen. Uns allen ist klar, dass dauerhafter Schutz Wissen über die Bedeutung des Waldes voraussetzt. Auch in diesem Jahr wird DECOIN das Umweltbildungsprogramm für Schulkinder weiterführen. Milton liebt seine Arbeit als „Umweltlehrer“ in den Schulen und die vielen positiven Rückmeldungen der Schüler im vergangenen Jahr spornen ihn an. Bevor sein Kollege und er an ausgewählten Schulen im Intag die nächste Unterrichtsrunde einläuten, möchten wir das Lehrmaterial nun weiter verbessern. Auf Radio Intag, das inzwischen mit einem staatlichen Radiosender konkurriert, möchten wir zwei Mal täglich drei verschiedene Spots ausstrahlen lassen, die die Intag-Bewohner über umweltfreundliches Verhalten aufklären.
In den Tagen nach unserem Planungstreffen sehen wir uns einige der 2012 gekauften und der zum Verkauf stehenden Waldflächen an. Dies ist bereits mein siebter Besuch in diesem Landesteil, die „Trockenperiode“ sollte längst eingesetzt haben. Dass es in einem Regenwaldgebiet viel regnet, kann nicht verwundern – schließlich verzeichnet die Region um Santa Rosa jährlich etwa 2200 Millimeter Niederschlag, rund drei Mal mehr als in Deutschland. Zum ersten Mal erlebe ich nun, dass es Ende Mai (fast) ohne Unterbrechung regnet. Als ich mit Armando und zwei Vertretern der Bezirksregierung von Peñaherrera unterwegs bin, um mir die neuen Waldschutzflächen dieses Bezirks anzusehen, sind die Berghänge zwar wolkenverhangen, doch es regnet nicht und wir können tatsächlich in ein Regenwaldareal hineingehen. Es riecht nach nasser Erde, nach Pilzen und nach Moder. So viele Schichten Blätter bedecken den Boden, dass er bei jedem Schritt elastisch nachgibt wie Schaumgummi. Die Pflanzenvielfalt, die uns umgibt, ist wirklich überwältigend. Wohin ich auch schaue, es fällt mir schwer, die Zahl der Arten auch nur grob zu schätzen. Es sind einfach zu viele. Ein Experte könnte auf einem einzigen alten Baum womöglich hunderte verschiedene Pflanzen identifizieren. Spezialisten haben die Region bislang kaum besucht. Auch deshalb möchte die Bezirksregierung von Peñaherrera Studien zur Diversität in dem neuen Schutzwaldgebiet initiieren. Unser Kooperationsprojekt kann zwar keine wissenschaftlichen Untersuchungen oder gar Expeditionen finanzieren, als Biologin würde ich ein solches Vorhaben dennoch gerne unterstützen. So beschließe ich, nach meiner Rückkehr Experten verschiedener Tier- und Pflanzengruppen für den Bergnebelwald der Intag-Region zu interessieren. So wie Jörn Köhler, Herpetologe am Hessischen Landes-museum und seine über die Welt verstreuten Kollegen.
Der Hesse gehört zu den wenigen Spezialisten für eine erstaunliche Gruppe: die nur Fingernagel-großen Frösche der Gattung Pristimantis. Vor einigen Monaten wurde eine der 356 Arten der Frösche erstmals im Wald von Santa Rosa gesichtet. Noch kurz vor meiner Abreise nach Ecuador habe ich mit Jörn Köhler telefoniert und mir während des Gesprächs ausgemalt wie ich ihm später berichten werde, dass ich die Miniatur-Frösche selbstverständlich in ihrem natürlichen Habitat aufgespürt und beobachtet habe. Doch daraus wird nichts. Die erste Fundstelle ist zwar kaum eine Stunde von Carlos‘ Finca entfernt, als wir gerade aufgebrochen sind, prasselt allerdings schon wieder Starkregen nieder. Der schmale, steile Pfad, auf dem wir uns durch den Wald bewegen, wird bei Regen zu einer regelrechten Rutsche. Mit jedem einzelnen Regentropfen, der auf die Erde fällt, entstehen zudem Lichtreflexe auf dem Boden. Und alles scheint sich zu bewegen: die den Boden bedeckenden Blätter, Blüten und Samen tanzen vor meinen Augen. Kann man unter diesen Umständen winzig kleine Frösche in Tarnfärbung entdecken? Vielleicht suchen die Tiere in Höhlen oder Löchern Schutz vor dem Regen?
Der Rechtsanwalt und Filmemacher Malcolm Rogge ist zu Besuch bei Carlos, endlich lernen wir uns persönlich kennen. In seinem Film „Under Rich Earth“ hat der Kanadier 2006 dokumentiert, wie sich die Intag-Bewohner den Plänen widersetzten, im Bergnebelwald bei Junín Kupfer zu gewinnen. Damals kam es zu schweren Auseinandersetzungen. Das kanadische Bergbauunternehmen „Ascendant Copper“ (heutiger Name: „Copper Mesa“) schreckte vor nichts zurück, um seine Interessen durchzusetzen – auch nicht vor Menschenrechtsverletzungen. Zwei Jahre später entzog die ecuadorianische Regierung Ascendant Copper (sowie vielen anderen Unternehmen) die Konzessionen. Zu Unrecht, sagt der kanadische Kupferproduzent und fordert nun 100 Millionen US-Dollar Schadensersatz von Ecuador! Im September wird ein internationales Schiedsgerichtsverfahren in Washington die Rechtslage klären. Und Malcolm’s Film wird dabei als wichtiges Beweismaterial vorliegen. Dass ausgerechnet Carlos als Hauptzeuge der ecuadorianischen Regierung nach Washington geladen ist, kann ich kaum glauben. Denn derzeit ist es die Regierung Ecuadors selbst, die gemeinsam mit dem chilenischen Unternehmen Codelco das Vorhaben vorantreibt, im Intag Kupfer zu gewinnen. Die ökologischen Schäden des offenen Bergbaus in der Bergnebelwaldregion wären immens, gleichgültig wer das Erz gewinnt. Carlos ist der Kopf einer Widerstandsbewegung, die sich gegen jeglichen Erzabbau im Intag richtet – daran wird auch sein Auftritt als „Kronzeuge“ der Regierung nichts ändern! Dennoch möchte Carlos helfen, dem Land die Zahlung von 100 Millionen US-Dollar zu ersparen. Wie das Verfahren ausgeht ist offen. Statistisch gesehen, gewinnen allerdings fast immer die Unternehmen, die Länder müssen zahlen. Eine Wiederaufnahme des Verfahrens ist jedenfalls ausgeschlossen; das Urteil wird für beide Seiten verbindlich sein.
Auch das kommende Jahr wird in jeder Beziehung spannend.
Juni 2013 - Mary Ellen Fieweger berichtet:
Die Kampagnenarbeit von DECOIN zum Schutz des enormen natürlichen Reichtums der Intag-Region läuft weiter auf Hochtouren. Wie Präsidentin Silvia Quilumbango berichtet, hat DECOIN inzwischen mehrere Gebiete identifiziert, um die durch das LichtBlick-Projekt geschaffenen Gemeinde-Schutzwälder zu erweitern. So stehen derzeit im Bezirk Cuellaje zwei je 40 Hektar große Waldareale zum Verkauf. Ein besonderer Glücksfall, denn es handelt sich dabei um die einzigen noch ungeschützten Flecken in dem schon existierenden fast 2.700 Hektar großen Gemeindewaldgebiet von Cuellaje. Der Bezirksvorstand von Cuellaje hat ebenfalls größtes Interesse daran, diese Flächen zu schützen, weshalb die Projektpartner von DECOIN optimistisch sind, dass sich die Kaufformalitäten relativ schnell erledigen lassen.
Mitte Juni fand im Hauptquartier der UNORCAC (Union der bäuerlichen Organisationen von Cotacachi) ein Forum statt, um die Bevölkerung über die Folgen von Bergbau in der Intag- Region zu informieren. Etwa 150 Menschen nahmen an der Veranstaltung teil, darunter auch der Geologe Pablo Duque von der Polytechnischen Hochschule in Quito. Schritt für Schritt beschrieb Dr. Duque in einfachen, klaren Worten wie ein Bergbauvorhaben abläuft und welche Folgen die verschiedenen Abbauprozesse für die Natur haben. Dabei betonte er, dass die Auswirkungen dauerhaft sein werden: Insbesondere wenn Erze im Tagebau gewonnen werden, sei es unmöglich, die Zerstörung in der Natur rückgängig zu machen. Aufgrund der geologischen Geschichte sei außerdem der Anteil der metallischen Mineralien im Felsgestein der ecuadorianischen Anden sehr gering. Der Anwalt Carlos Pérez, Präsident des Verbandes der Hochlandindianer Ecuarunari, berichtete wiederum von der Widerstandsbewegung gegen Bergbau in der Region Zamora, im südlichen Amazonasgebiet von Ecuador. Dort hat das chinesische Unternehmen Ecuacorrientes Konzessionen für den Abbau der Rohstoffe. In Zusammenhang mit seinen Widerstandsaktivitäten wurde der Anwalt bereits mehrmals verhaftet. Carlos Pérez sprach auch von der bedeutenden Rolle, die Frauen in diesem Kampf spielen und kündigte an, bei Ecuarunari sei eine landesweite Versammlung in Planung, die in der Provinz Imbabura stattfinden soll.
Auch an einer Veranstaltung in der Zentraluniversität Quito nahm der Geologe Pablo Duque als Redner teil. Da viele der Zuhörer hier Bergbaustudenten waren, wurden die Umweltfolgen des Bergbaus hier technischer und detailorientierter erklärt. Silvia Quilumbango lieferte einen Überblick über die Geschichte des Widerstands gegen Bergbauaktivitäten in der Intag-Region. Seit 40 Jahren werde in der Intag-Region Rohmaterial für den multinationalen Zement-Hersteller LaFarge gewonnen, doch die Bewohner der Region hätten von dieser Mine in keiner Weise profitiert: „Die Straße, die zur Zementfabrik führt, ist eine Aneinanderreihung von Schlaglöchern; die Zementfabrik bietet den Intag- Bewohnern keine Arbeitsmöglichkeiten, die Wasserquellen der Gemeinde Barcelona sind verseucht worden“ fügt Silvia hinzu. Während der Trockenperiode wirbelten zudem täglich hunderte Lastwagen Staub auf, der die angrenzenden Felder bedecke und bei den Anwohnern Atemwegsbeschwerden hervorrufe. Auch Folgen für die Umwelt würden immer deutlicher sichtbar: Seit langer Zeit schon seien Organismen aus dem Fluss Quinde aufgrund der vielen Sedimente, die sich vom Berg lösen, verschwunden. Diese und weitere gesetzliche Vergehen seien untersucht und das Unternehmen von der Umweltbehörde vorgeladen worden – doch verändert habe sich nichts.
Juli 2013 - Mary Ellen Fieweger berichtet:
LichtBlick-Projekt findet Nachahmer
Gemeinden im Gebiet Manduriacos erwarten mit Spannung den Beginn eines neuen Vorhabens zum Schutz der Natur. Die Gemeinden zählen zum Verwaltungsbezirk García Moreno der Intag-Region, siedeln allerdings etwa 1000 Meter unterhalb, im flacheren Teil des Kantons Cotacachi.
Ein Förderprogramm der Vereinten Nationen und das Umweltministerium werden in Manduriacos Aktivitäten zum Schutz der Wasserversorgung der Gemeinden, zur Schaffung eines Schutzkorridors und zu wirtschaftlichen Alternativen zur illegalen Abholzung finanzieren. Der Schutzgürtel soll das Naturschutzgebiet “Los Cedros“ und die umliegenden Gemeinden umfassen und als Pufferzone für das Cotacachi-Cayapas-Naturreservat dienen.
Hintergrund des Projekts: Seit Jahren ist illegaler Holzeinschlag um Los Cedros ein großes Problem. Ungeachtet des ecuadorianischen Forstgesetzes werden dort unverblümt Bäume eingeschlagen. Der illegale Holzeinschlag bedeutet für die Bewohner von Manduriacos eine zusätzliche Einkommensquelle, doch den Großteil des Profits streichen mächtige Holzhändler ein, die die Hölzer der wertvollen tropischen Baumarten ankaufen, unter anderem Zedernholz.
Die Gesetzesübertreter vor Gericht zu bringen, gestaltet sich überaus schwierig. Vor fünf Jahren leitete Segundo Fuentes, der Leiter des Umweltbüros in Ibarra, der Hauptstadt von Imbabura, rechtliche Schritte gegen die illegalen Aktivitäten ein. Die Maßnahmen versprachen zunächst sogar erfolgreich zu sein. Doch eines Morgens wurde Segundo Fuentes vor seinem Haus angeschossen. Laut Aussage der damaligen ecuadorianischen Umweltministerin, Marcela Aguiñaga, gehörten die Attentäter zu einer „Holzmafia“ [Interview mit Aguiñaga (leider nur auf Spanisch) klick hier]. Segundo Fuentes überlebte und blieb auf seinem Posten im Büro des Ministeriums in Ibarra, doch von nun an hielt er sich - verständlicherweise - mit Maßnahmen gegen den illegalen Holzeinschlag zurück.
Anfang August soll in der Gemeinde Chontal das Vorhaben den Bewohnern vorgestellt werden. Wie José DeCoux, der Leiter der Forschungsstation Los Cedros und einer der Projektinitiatoren, bekannt gab, sind der Bezirksvorstand von García Moreno, verschiedene Gemeinderäte und Vertreter von Wasser-Komitees ebenso zu der Veranstaltung eingeladen wie Vertreter von Frauenorganisationen und Tourismus-Gruppen.
José DeCoux erläuterte die drei Hauptaspekte des Projekts, die allesamt auf Waldschutz hinwirken: Erstens sollen zur Sicherung der Wasserversorgung der Bevölkerung Gemeinde-Wasserschutzgebiete geschaffen werden. Wie im „LichtBlick-Projekt“, das DECOIN in Kooperation mit “GEO schützt den Regenwald“ realisiert, sollen die Gemeinden dabei selbst für den Schutz und die Bewirtschaftung der Wasserquellen aktiv werden. Der zweite Projektaspekt zielt auf die Schaffung eines Korridors ab, der das Cotacachi-Cayapas-Naturreservat schützen soll. Illegaler Holzeinschlag erfolgt vor allem in den Einzugsgebieten von den drei Flüssen Manduriacos Grande, Río Verde und Río Magdalena. Da Polizei und Gesetz praktisch machtlos sind, und es meist heimische Bauern sind, denen die Bäume zum Opfer fallen, betrifft der dritte Aspekt des Vorhabens die Schaffung von alternativen Einkommensquellen für die Bevölkerung. Die meisten Bewohner der Gegend betreiben Rinderzucht, und diese macht sich erst nach Ablauf vieler Monate, nach dem Schlachten der Tiere, bezahlt. Weil das Holz unmittelbar im Anschluss vermarktet werden kann, führt oft wirtschaftliche Not zum Holzeinschlag. Eine der vorgeschlagenen Alternativen besteht daher in der Verlagerung auf die Milchviehhaltung. Durch den regelmäßigen Verkauf von Milch könnten die finanziellen Engpässe der Bauern vermieden werden. Auch Gemeindetourismus-Aktivitäten und die Vermarktung landwirtschaftlicher Produkte sollen im Rahmen des Projekts gefördert werden.
August 2013 - Mary Ellen Fieweger berichtet:
Entdeckung im Nebelwald - der Olinguito

für die Autorisierung der Veröffentlichung der Fotos.
Mitte August erregte diese Nachricht weltweites Aufsehen: Erstmals nach 35 Jahren konnten Forscher von der Entdeckung eines neuen Mitglieds der hundeartigen Raubtiere, der Carnivora, berichten – eine wissenschaftliche Sensation! Das auf „Olinguito“ getaufte Tier mit dem lateinischen Namen Bassaricyon neblina sieht aus wie eine Mischung aus Hauskatze und Teddy-Bär. Es zählt zur Familie der Kleinbären, der auch die Waschbären angehören und lebt ausschließlich im Bergnebelwald von Nordwest-Ecuador – wo die LichtBlick-Kooperation mit „GEO schützt den Regenwald“ angesiedelt ist – bis Zentral-Kolumbien.
Die Geschichte der Entdeckung des Olinguito begann bereits vor zehn Jahren als der Säugetierexperte Dr. Kristofer Helgen im Museum von Chicago die Knochen und Felle von Vertretern der Kleinbären-Familie untersuchte. Besonders interessierten ihn dabei vier Olingo-Arten – die nächsten Verwandten des Olinguito, wie man inzwischen weiß. Den Forscher machte stutzig, dass die Fellfarbe einiger Tiere, der Schädelbau und die Form der Zähne zu keinem der bekannten Säugetiere passten. Zudem war in den Feldberichten verzeichnet, dass die Funde aus Höhenlagen zwischen 1500 und 2750 Meter über dem Meeresspiegel stammten – Olingos leben jedoch in viel flacheren Regionen. Sofort ahnte der Experte, der als Kurator am Museum für Naturgeschichte der Smithsonian Institution in der amerikanischen Hauptstadt Washington für die weltweit größte Säugetiersammlung verantwortlich ist, dass es sich bei seinem Studienobjekt um eine noch nicht beschriebene Tierart handeln musste. Und tatsächlich: Der anschließende Vergleich der DNS-Sequenzen verschiedener Vertreter der Waschbären-Familie bestätigte diese Vermutung. Doch die untersuchten Felle und Knochen stammten von Funden, die etwa 100 Jahre alt waren. Die wichtigste Frage war deshalb: War das Tier noch in der Natur anzutreffen?
Videoaufnahmen des ecuadorianischen Zoologen Miguel Pinto brachten den Durchbruch, denn sie bewiesen, dass der Olinguito nicht ausgestorben war. Auf einer gemeinsamen dreiwöchigen Expedition fanden Helgen, dessen Kollege Kays und Pinto den Olinguito im Nebelwald auf der Westseite der Anden. Und das Team konnte die Lebensweise des Tieres in dessen Habitat, dem Nebelwald, dokumentieren, der durch die Ausweitung der menschlichen Siedlungsgebiete und der Ackerflächen immer weiter schwindet.
Mit 35 Zentimeter Körperlänge und nur 900 Gramm Gewicht ist der Olinguito das kleinste Mitglied der Waschbärenfamilie. Da es auch Insekten frisst, gehört das Tier zu den Raubtieren, doch meist ernährt sich der Olinguito von Früchten. Die Weibchen haben jeweils ein einziges Junges. Olinguito ist nachtaktiv, lebt nicht in Gruppen, sondern als Einzelgänger auf Bäumen. Sein langer Schwanz hilft ihm beim Klettern und sorgt bei den Sprüngen von Baum zu Baum für Balance.
Die Art kommt nur in den nördlichen Anden, in den Bergnebelwäldern Ecuadors und Kolumbiens, vor. Die Forschergruppe um Kristofer Helgen schätzt, dass bereits 42 Prozent des ursprünglichen Lebensraumes der Olinguitos zerstört sind. „Die Nebelwälder der Anden sind eine Welt für sich, angefüllt mit zahlreichen Arten, die nirgendwo sonst vorkommen“, so Helgen. „Wir hoffen, dass der Olinguito zum Botschafter des Bergnebelwaldes von Ecuador und Kolumbien wird und die Weltgemeinschaft auf diese stark bedrohten Habitate aufmerksam macht.“
Peruanischer Bergbaugegner in Ecuador
Ende August kam auf Einladung von DECOIN der Soziologe, Umweltaktivist, ehemalige Priester und Gründer der „Bewegung für Land und Würde“ Marco Arana für eine Vortragsreise nach Ecuador. Dabei besuchte er die Stadt Cotacachi und sprach auch im Intag vor 150 Teilnehmern, darunter viele Bewohner sowie Vertreter verschiedener Organisationen.
Marco Arana berichtete seinen Zuhörern vom Kampf um den Wald und um die Wasserquellen der peruanischen Provinz Cajamarca. Zwar liegt dieser Kampf bereits zwei Jahrzehnte zurück, doch es gibt viele Parallelen zur Bewegung gegen Bergbau in der Intag-Region. Die Versprechen, die er vor 20 Jahren
von den damaligen Bergbau-Unternehmen hörte, sind dieselben, die jetzt im Intag gemacht werden: Die Schaffung von Arbeitsplätzen und der Einsatz der neuesten Technologien, um Auswirkungen des Bergbaus auf die Umwelt zu verhindern. Das Problem dabei ist, dass auch die neueste Technologie nicht verhindern kann, dass es Auswirkungen auf die Umwelt geben wird. Hinzu kommt, dass Sinn und Zweck des Einsatzes von Spitzentechnologie im Bergbau darin bestehen, Arbeitsplätze einzusparen. Heute, zwei Jahrzehnte nach dem Beginn des Bergbaus in Cajamarca, ist die Provinz eine der ärmsten von Peru.
Auch Pater Geovanni Paz, der ehemalige Pfarrer von Cuellaje und Mitbegründer von DECOIN, sprach auf der Veranstaltung. Er ging auf die Haltung der Kirche zur Umwelt ein. Dabei erwähnte der Pater auch, dass der Name des jetzigen Papstes Franziskus auf den Heiligen Franz von Assisi zurückgeht, der für die Gleichberechtigung aller Lebewesen auf der Erde eintrat. Davon sei allerdings nicht mehr viel zu spüren…
September 2013 - Mary Ellen Fieweger berichtet:
Neuigkeiten von DECOIN
Das Umweltbildungsprogramm im Rahmen der Kooperation mit “GEO schützt den Regenwald“ und DECOIN läuft auf Hochtouren. In der Funktion als Umweltlehrer begleiteten vier DECOIN-Mitarbeiter Unterrichtseinheiten in verschiedenen Gemeinden im Intag-Tal sowie einen Ausflug in ein nahegelegenes Naturreservat. Die Freiwillige Diana Staats wurde vom Gemeindezentrum Casa Palabra y Pueblo beauftragt, die Aktivitäten im Klassenzimmer und auf den Ausflügen in das „Siempre Verde Naturreservat“ zu beobachten und Eindrücke von Schülern und Lehrern zu sammeln.
Diana besuchte zunächst die Schule in der Gemeinde Irubí und schaute Umweltlehrer Milton Arcos zu, wie er mit 23 Schülern der siebten Klasse für zweieinhalb Stunden arbeitete. Milton begann mit einem Rückblick auf die vorige Unterrichtstunde zum Thema Artenvielfalt und erörterte gemeinsam mit den Schülern die Bedeutung des Begriffs. Im Anschluss stellte Milton das neue Thema vor: Die Bedeutung von Ökosystemen. Nach einer thematischen Einführung beschrieben die Schüler Teile ihres Ökosystems und notierten Beispiele für jene Tiere und Pflanzen, die sie aus ihrer Region kannten. Im Schulgarten suchten sie anschließend weitere Beispiele für Lebensformen, um diese dem erstellten Ökosystem hinzuzufügen. Zurück im Klassenraum erklärte Milton den Schülern die beiden Ökosysteme des Intag-Tales - den Bergnebelwald und das „Páramo“ (Hochland).
Es folgte ein Spiel, welches den Schülern ein Gefühl für das Thema „Artensterben“ vermitteln sollte. Jedes Kind sollte ein Tier oder eine Pflanze darstellen. Anschließend stellten sich die Kinder in einen Kreis, hielten sich eng aneinander fest und stellten so gemeinsam ein gesundes Ökosystem dar. Sobald Milton den Namen eines Tieres oder einer Pflanze rief, fiel das Kind, das dieses Lebewesen darstellte, um. Durch sein „Aussterben“ zerstörte es die Harmonie im Kreis, was zu vorübergehendem Chaos führte. Zuletzt sahen die Schüler aller Klassenstufen gemeinsam einen Dokumentarfilm von DECOIN, in dem es um die Artenvielfalt im Intag ging. Am Ende des Unterrichts drehte sich jedes Kind zu seinen beiden Nachbarn um, hielt die rechte Hand hoch und sprach: „Yo me comprometo a cuidar la naturaleza“ („Ich verspreche, die Natur zu schützen.“).
Wir fragten einige Schüler, was sie im Umweltbildungsprogramm gelernt hatten. Edison, ein 14-Jähriger Schüler sagte, dass es ihm am besten gefallen hatte, etwas über die Tierarten zu erfahren, denn „Tiere verleihen dem Wald Leben“. Sein Lieblingstier ist der Brillen- oder Anden-Bär, „weil dieser so groß ist und wirklich gut in den Wald passt“. Edison sagte auch, er habe bereits zwei Mal einen Bären in freier Wildbahn beobachtet. Die elfjährige Yadira sprach über die Bedeutung des Feuerverbotes im Wald und auf den Feldern im Intag-Tal und darüber, dass die Flüsse nicht mit Müll verschmutzt werden dürften.
Um die letzten regenarmen Wochen des Sommers zu nutzen, fanden die Ausflüge in das „Siempre Verde Naturreservat“ (http://www.siempreverde.org) nahe der Intag-Gemeinde Santa Rosa bereits ab Ende August statt. Die erste Besuchergruppe im Naturreservat bestand aus 44 Sechs- und Siebtklässlern der „Grundschule Apuela“.
Diana Staats, die im Sommer Siempre-Verde-Stationsmanagerin war, und Edwin Ruiz, Sohn des Betreiber-Ehepaars des Reservats und Student der Umweltwissenschaften, hießen die Schüler willkommen. In ihrer Begrüßungsrede erklärten sie, was ein Naturreservat ist und berichteten von den Vogel-, Säugetier-, Amphibien-, Reptilien- und Insektenarten, die in Siempre Verde vorkommen. Es folgte eine halbstündige Wanderung zum Toabunchi-Fluss auf der Pflanzen, wie etwa eine Aufsitzerpflanze, der „Matapalo“, identifiziert und erklärt wurden.
Am Toabunchi-Fluss lernten die Schüler, wie wichtig Wasser für das Ökosystem Regenwald ist. Vor der Rückfahrt nach Apuela erneuerten die Schüler das bereits erwähnte Versprechen gegenüber der Natur. Ein Vertreter der sechsten und siebten Klasse hielt eine Dankesrede: „Wir sind allen Menschen sehr dankbar, die sich um den Erhalt des Siempre Verde Naturreservats kümmern. Sie haben uns diese Möglichkeit gegeben, mehr über die Artenvielfalt zu erfahren und alles, was die Natur uns bietet, schätzen zu lernen“.
In einem anschließenden Gespräch mit den Schülern, sagte der Fünftklässler Anderson, dass er sehr viel über die verschiedenen Pflanzen und Tiere gelernt habe. Besonders angetan war er von einem Spiel, bei dem Tiere und Pflanzen mit Hilfe von Fotos und Hinweisen identifiziert werden sollten. Außerdem äußerte er seine Sorge um den Toabunchi-Fluss, der von Jahr zu Jahr weniger Wasser führt. Es war das erste Mal, dass Anderson in einem Naturreservat war; er verließ es nachhaltig beeindruckt und überzeugt, dass die Natur geschützt werden muss.
Oktober 2013 - Mary Ellen Fieweger berichtet:
Plan B - Das Parlament stimmt für die Ölförderung im Nationalpark Yasuní von Ecuador
Als Rafael Correa 2006 zum zweiten Mal für die Präsidentschaft kandidierte, waren die indigenen Völker, Umweltschützer, Frauen, Menschenrechtler und Aktivisten voller Hoffnung. Immer wieder versprach er eine Regierung, die die Rechte aller Lebewesen respektiert und der Bevölkerung Mitspracherecht garantiert. Während einer Kundgebung im Süden des Landes, wo transnationale Bergbauunternehmen begierig auf die Bodenschätze des Landes lauerten, versicherte er, dass es unter seiner Regierung keinen Tagebau geben werde. Er unterstrich sein Versprechen mit den Worten „Confíen en mi“ – „Vertrauen Sie mir!“.
Mit diesem Ziel vor Augen entstand die vielversprechende Initiative „Yasuní-ITT“ und wurde zum Markenzeichen der Correa-Regierung. Das Projekt sollte nicht nur Ecuador zugutekommen, sondern dem ganzen Planeten. Yasuní ist ein Nationalpark, der sich über 9.820 Quadratkilometer in den Amazonas-Provinzen Pastaza und Orellana erstreckt. Schon 1989 hat UNESCO den Nationalpark zum Biosphärenreservat ernannt. Hier leben auch zwei indigene Volksgruppen des Huaorani-Volkes, die Taromenane und die Tagaeri. Diese verweigern bis heute den Kontakt zur modernen Welt und leben autark. In Yasuní befinden sich auch drei Ölfelder: Ishpingo, Tiputini und Tambococha (genannt ITT). Dort liegen rund 20 Prozent der Erdölreserven des Landes.
Schon bevor Correa gewählt wurde, gab es Bemühungen, eine Lösung für „die Zeit nach dem Erdöl“ zu finden. Die Organisation „Acción Ecológica“, war die erste, die sich dafür einsetzte, das Erdöl im Boden zu lassen. Die Correa-Regierung übernahm diese Idee und rief das „Yasuní ITT-Projekt“ ins Leben. Es gibt viele gute Gründe gegen die Ölförderung:
- Amazonien zählt heute zu den artenreichsten Regionen der Welt. Hier gibt es zum Beispiel 2.274 Baum- und Straucharten, bis 100.000 Insektenarten pro Hektar, 80 Fledermausarten, 593 Vogelarten, 150 Reptilien- und 121 Amphibienarten.
- Yasuní ist eine so genannte Kohlenstoffsenke und hilft CO2 aus der Atmosphäre zu entziehen.
- Würde auf Abbau und Verbrennung von 846 Millionen Barrel Erdöl aus Yasuní verzichtet, so wäre dies ein wichtiger Beitrag zum Klimaschutz.
- Bei Erfolg hätte die „Yasuní-ITT-Initiative“ Modellcharakter für andere Länder mit Erdölvorkommen.
- Der Lebensraum – und damit das Leben – der indigenen Völker vor Ort würden geschützt werden.
Als Gegenleistung für den Nutzen, den die Welt durch die Initiative erfahren würde, stellte Ecuador eine Forderung an die übrigen Staaten, insbesondere an die Industrieländer: Sie sollten 50 Prozent der möglichen Profite aus dem Ö l als „Kompensationszahlung“ an Ecuador entrichten. Bei der Ankündigung der Initiative im Jahr 2007 machte Präsident Correa großen Wirbel. Er ernannte sogar einen verantwortlichen Botschafter. Doch kurz darauf sendete die Regierung gemischte Signale und ein „Plan B“ wurde ins Spiel gebracht. Dieser sah vor, mit der Ölförderung zu beginnen, sollte der Rest der Welt nicht mitziehen.
Durch Unterzeichnung des Dekrets Nr. 75 setzte Präsident Correa im August 2013 der „Yasuní-ITT-Initiative“ ein Ende. Die Begründung: Die Welt habe Ecuador allein gelassen – Plan B sei somit in Kraft getreten. In den Großstädten Quito, Guayaquil und Cuenca kam es daraufhin zu Demonstrationen, die Forderung nach einer Volksabstimmung wurde laut. Eine Umfrage ergab, dass zu diesem Zeitpunkt 90 Prozent der Bevölkerung befürworteten, das Erdöl im Boden zu lassen.
Seither läuft die Propagandamaschinerie von Correa auf Hochtouren. Den Ecuadorianern und dem Rest der Welt soll klar gemacht werden, dass die Menschen Amazoniens ohne das Erdöl zu einem Leben in bitterer Armut verdammt seien. Außerdem soll die Bevölkerung davon überzeugt werden, dass zur Ölförderung Spitzentechnologie eingesetzt würde, die nur minimale Auswirkungen auf die Umwelt hätte.
Am 3. Oktober genehmigte die Nationalversammlung den Antrag des Präsidenten auf Ölförderung in Yasuní mit überwältigender Mehrheit (108 zu 25 Stimmen). Dass die Abstimmung verfassungswidrig war, schien nicht zu stören. Laut Artikel 57 der Verfassung sind die angestammten Territorien der Völker in freiwilliger Isolation unantastbar. Rohstoffe dürfen aus diesen Gebieten nicht entnommen werden. Der Staat muss sich dafür einsetzen, dass das Leben und die Rechte der Völker respektiert werden.
Während es Correa gelang, die Nationalversammlung zu überzeugen, blieben andere skeptisch. Mitte Oktober reisten 160 Frauen aus verschiedenen Gemeinden Amazoniens nach Quito, und forderten, dass das Öl im Boden bleibt. Eine dieser Frauen war Patricia Gualinga aus der Sarayacu-Gemeinschaft. Bereits seit 1989 hindert sie erfolgreich Ölfirmen an der Förderung in ihrer Region. Gualinga wies darauf hin, dass in keiner der Gemeinden, in denen bisher Öl gefördert worden ist, die traditionellen Bewohner profitiert haben. Ganz im Gegenteil: Alle, ohne Ausnahme, leiden unter den Folgen von belasteten Böden und Flüssen, sozialen Konflikten und dem erzwungenem Ende ihrer Lebensweise. Die Ölproduktion und der Bau von Straßen ziehen Zuwanderer an, die nach ihrer Ankunft den Wald und damit die Nahrungsquellen der Anwohner zerstörten. Einige Völker Amazoniens, etwa die Tetete, sind sogar bereits ausgestorben. Während eines Interviews mit dem Direktor des ecuadorianischen Radios widersprach Gualinga dem Präsidenten, der auf die „ärmliche Lebensweise“ der indigenen Bevölkerung Be zug genommen hatte: „Wir sind nicht arm!“. Die Frauen konnten sich auch in der Nationalversammlung Gehör verschaffen.
Inzwischen sind Umweltschützer, Menschenrechtler und viele Gruppierungen junger Leute dabei, Unterschriften zu sammeln. Diese sollen die Regierung dazu zwingen, mittels eines Volksentscheids beschließen zu lassen, ob das Öl in Yasuní gefördert werden soll. Die Aktivisten haben 180 Tage Zeit um Unterschriften von fünf Prozent der Wahlberechtigten des Landes (584.116 Unterschriften) zu sammeln, um einen Volksentscheid zu erwirken. Hat die Aktion Erfolg, so muss das Verfassungsgericht zustimmen, bevor die Nationale Wahlkommission zum Volksentscheid aufrufen würde. Diese hat bereits angekündigt, dass ein möglicher Volksentscheid zwischen März und Mai nächsten Jahres stattfinden würde.
Carlos Zorrilla, Direktor von DECOIN in der Intag-Region, betont die Verfassungswidrigkeit der Regierungsentscheidung: Per Gesetz ist die Rohstoffentnahme im Yasuní Nationalpark verboten. Doch für die erfolgreicheEinforderung von Umweltschutz sei häufig etwas anderes wichtiger, nämlich wie entschieden sich die Bevölkerung für ihre Rechte einsetzt. In diesem Punkt hätten die Menschen in der Intag-Region, Ort des LichtBlick-Regenwaldgebietes, große Vorteile, denn nirgendwo in Ecuador sei das Umweltbewusstsein so stark ausgeprägt wie dort.
November/Dezember 2013 - Carlos Zorilla (Direktor von DECOIN) berichtet:
Liebe LichtBlick-Spender,
wir haben in den vergangenen Jahren viel erreicht: Dank der Spenden von LichtBlick – und damit durch Ihre Hilfe - konnte die lokale Organisation DECOIN 31 Waldflächen in vier Bezirken als Gemeindewälder unter Schutz stellen, insgesamt mehr als 4.600 Hektar der bedrohtesten und schützenswertesten Wälder weltweit. Die meisten Schutzgebiete liefern klares Wasser für Tausende von Männern, Frauen und Kindern und bewahren Wälder, die für Ökotourismus genutzt werden. Zum Teil dienen sie zudem als Sicherheitszone für das Ökologische Schutzgebiet Cotacachi-Cayapas. Diese Arbeit ist von großer Bedeutung. Gleichzeitig bringen wir derzeit auch unser Umweltbildungsprogramm voran, indem wir mit 420 Schülern von 16 verschiedenen Schulen arbeiten. Wichtigstes Ziel ist es dabei, den Kindern bewusst zu machen, wie außergewöhnlich artenreich ihr Zuhause ist und wodurch dieses bedroht ist.
Die geschützten Wälder beherbergen eine Vielzahl von noch unbekannten, neu endeckten oder besonders schützenswerten Lebewesen. Nur einen Papagei-Flug von mir entfernt wurde in Ecuador kürzlich ein neues Säugetier, der Olinguito, in einem Nebelwald nahe der Intag-Region entdeckt. Laut Experten ist dies nach 35 Jahren das erste neu entdeckte fleischfressende Säugetier. Man geht davon aus, dass das Tier ausschließlich Bergnebelwaldregionen im Westen Ecuadors und Kolumbiens bewohnt. In anderen Wäldern nahe dem LichtBlick-Gebiet wurden außerdem eine neue Froschart und eine womöglich neue Fledermausart entdeckt. Diese Wälder bieten oft ein Zuhause für vom Aussterben bedrohte Arten, wie auch für den Schwarzbauch Höschenkolibri.
Bergnebelwälder: Bedrohte Heimat unzähliger Lebewesen
Mit Sicherheit werden unzählige weitere Arten entdeckt werden, wenn die Welt endlich den wenigen verbleibenden Bergnebelwaldregionen mehr Aufmerksamkeit schenkt. Nebelwälder machen nicht einmal 2,5 Prozent der tropischen Waldflächen aus. Am 15. November wurde eine Liste mit den wichtigsten biologischen Schutzgebieten der Welt veröffentlicht[1] und als Nummer 161 – von 173,461 untersuchten Schutzgebieten – findet sich das Ökologische Schutzgebiet Cotacachi-Cayapas. Viele der Waldflächen an deren Schutz Sie als LichtBlick-Kunden beteiligt waren, grenzen direkt an dieses rund 243.000 Hektar große Naturschutzgebiet an. Die Wälder haben somit eine unermessliche Bedeutung als Übergangsgebiet.
Ihre Unterstützung war und wird von großer Bedeutung sein, wenn es um den Schutz der Wälder geht und darum, den genannten Tieren, sowie Tausenden weiteren Arten, eine Chance zum Überleben zu geben. Sehr wichtig ist an dieser Stelle auch ein starkes Bewusstsein für Naturschutz in diesen Gebieten.
Umweltbildung ist der erste Schritt zum Umweltschutz
Uns ist ein Regierungsdokument in die Hände gefallen, das den Widerstand gegen Bergbauaktivitäten in Ecuador aufs Genaueste analysiert. Im Vergleich zu allen anderen Teilen des Landes lebt demnach in der Intag-Region eine außergewöhnlich umweltbewusste Bevölkerung. Wir haben das stets vermutet, doch es ist ermutigend, dies von anderer Seite bestätigt zu bekommen.
Dass in Ländern wie Ecuador Gesetze niemals Garant für die Unterlassung von Naturzerstörung sein werden, hat Ecuadors Präsident im September unter Beweis gestellt: Er öffnete den Nationalpark Yasuní, – eines der artenreichsten Gebiete der ganzen Erde und Biosphärenreservat – für die Erdölförderung. Tatsächlich sind in Yasuní auch zwei indigene Volksgruppen zuhause, die in freiwilliger Isolation leben. Die Verfassung des Landes untersagt ausdrücklich den Abbau von Rohstoffen in solchen Regionen. Sie erklärt für diesen Fall sogar den Tatbestand des Völkermords für erfüllt. Gerechtfertigt wurde das Vorgehen der Regierung damit, dass das Land Einkünfte benötigt, um Armut zu bekämpfen. Daraus wird deutlich, dass kein Naturschutzgebiet sicher ist vor Bergbau, Ölförderung oder anderem Rohstoffabbau. Außerdem kann man hinterfragen, wodurch „Armut“ definiert wird? Ist arm nicht auch derjenige, der in einem Gebiet lebt, das durch Bergbau oder Ölförderung zerstört worden ist? Oder jemand, der in einer Kultur lebt, die durch die Ausbeutung der Ressourcen so geschädigt ist, dass das Erbe der Ahnen zerstört wird?
Diese unselige Entscheidung der ecuadorianischen Regierung unterstreicht, warum Gemeinde-Naturschutz-Initiativen wie die in der Intag-Region so wichtig sind; und warum es von essentieller Bedeutung ist, so viel Geld in Umweltbildung zu investieren wie möglich. Menschen, denen die Bedeutung von Naturschutz bewusst ist, und die an der Schaffung von Schutzgebieten beteiligt sind, werden diese Regionen viel eher schützen und verteidigen, unabhängig von vergänglichen Regierungsstrategien.
Es ist tatsächlich dieses hohe Maß an Umweltbewusstsein, das zum einen unsere Arbeit erleichtert hat, denn wir müssen keine Gemeinde davon überzeugen ihren Wald zu schützen. Zum anderen hat es dazu beigetragen, seit 1995 umfangreiche Bergbauvorhaben vom Intag fernzuhalten. Und diese Arbeit ist noch nicht zu Ende. Im laufenden Jahr hat DECOIN mit Unterstützung von LichtBlick zusätzlich 464 Hektar Bergnebelwald im Bezirk Cuellaje erworben, diese an die lokale Regierung übergeben und sie der Verwaltung durch die Anlieger-Gemeinden überstellt. Ich möchte hier auch die herausragende Arbeit jener DECOIN-Mitarbeiter würdigen, die dies alles bewerkstelligt haben: Silvia Quilumbango und Armando Almeida. Jedes Jahr sind die bürokratischen Hürden der Regierung größer und Waldkäufe dadurch schwieriger und langwieriger geworden.
LichtBlick-Kunden können stolz darauf sein, an dieser Arbeit wesentlich Anteil zu haben. Durch Ihre Hilfe konnten die Waldkäufe finanziert werden und dafür gesorgt werden, dass der künftigen Generation der Intag- Region bewusst wird, wie wichtig die Bewahrung dieser biologischen Juwelen ist.
Danke!
Carlos Zorrilla