Stille liegt über dem seit Tagen umkämpften Alamo. Die Nacht vom 5. auf den 6. März 1836 ist feucht und kalt, nur wenige Grad über Null. Silbrig glänzen im Mondlicht die Blätter der Pappeln, nach denen die ehemalige Missionsstation benannt ist. Dunkel zeichnen sich die Mauern ab, aus Lehmziegeln, durchlöchert von den Kugeln mexikanischer Soldaten, hier und da notdürftig mit Erde gestopft. Zwölf Tage und Nächte lang haben die Belagerer Alamo beschossen; doch um zehn Uhr am vergangenen Abend stellte die Artillerie der Mexikaner plötzlich ihr Bombardement ein.
Niemand ist im Innenhof zu sehen, wo der einzige Brunnen steht. Ruhe herrscht in den ein Jahrhundert alten Wohnbaracken und Wirtschaftsgebäuden, im Stall für die Tiere, dem einstigen Schlafbereich der Mönche. Die Kanonen, die vor der kleinen Kirche zu Ehren des heiligen Antonius stehen, sind unbemannt. Der Steinbau, verziert mit Statuen der Heiligen Franziskus und Dominik, wurde nie vollendet - er besitzt weder ein Dach noch Türme.
Trotzdem bieten die mehr als einen Meter dicken Wände der Kapelle den größten Schutz in Alamo. Vor ihrem Eingang stapeln sich Sandsäcke. Die Missionsstation sollte einmal feindliche Indianer abschrecken. Doch sie ist nicht gebaut, um einem konzentrierten Angriff Stand zu halten: Die Mauern sind zu niedrig und zu schlecht befestigt, an einigen Stellen ist es sogar nur ein Erdwall oder ein Palisadenzaun, der zwischen den Eingeschlossenen und ihren Belagerern liegt.
Nichts regt sich im Inneren der Station. Selbst die Wachposten schlafen: tödlich erschöpft vom Dauerbeschuss der Mexikaner. Und im Glauben, dass die Belagerer ebenso entkräftet sind, in dieser Nacht kein Angriff droht. Doch das ist ein Fehler. Rund 250 Männer, einige Frauen und Kinder harren hier aus, wenige Kilometer nördlich der texanischen Hauptstadt San Antonio de Bexar. In den Wohnbaracken, in denen sie sich die letzten Tage notdürftig eingerichtet, in deren Wände sie Löcher geschnitten haben als Schießscharten.
Sie stehen unter dem Kommando von Oberstleutnant William Barret Travis. Der 26-Jährige US-Amerikaner hat sein Geburtsland vor knapp vier Jahren verlassen und ist nach Westen in die mexikanische Provinz Texas gereist, auf der Suche nach einem freien Leben und nach Ruhm. Zu Hause in einer Kleinstadt in Alabama hat der Jurist seine Schulden, seine junge Frau und die zwei kleinen Kinder zurückgelassen. In seiner neuen Heimat hat er sich als Junggeselle ausgegeben und als Anwalt praktiziert.
Jetzt befiehlt er über eine zusammengewürfelte Truppe. Die meisten seiner Soldaten sprechen Englisch, doch sind auch Tejanos darunter, spanischsprachige Texaner wie der fast gleichaltrige Toribio Losoya, ein desertierter Soldat der mexikanischen Armee. Als er in San Antonio geboren wurde, waren die Tejanos in Texas noch fast unter sich, inzwischen gehört Losoya zu einer Minderheit. Denn die Mexikaner zieht es selten in die Gegend nördlich des Rio Grande. Zu gefährlich ist das Land mit seinen herumstreifenden, kämpferischen Indianern, zu beschwerlich der Alltag als Pionier.
Umso beliebter aber sind die fruchtbare Erde und das warme Wetter bei US-Bürgern: Unternehmer wie Stephen F. Austin haben seit 1824 kostenlos große Mengen Land von Mexiko erhalten; einen Stück davon dürfen sie selbst bewirtschaften, auf dem Großteil sollen sie als empresarios, Landvermittler, englischsprachige Familien ansiedeln. Denn die Regierung der einstigen spanischen Kolonie, die sich gerade erst nach einem jahrelangen Unabhängigkeitskriegs vom Mutterland hatte lösen können, fürchtet, die USA könnten die Schwäche des Nachbarn ausnützen und die dünn besiedelte Provinz annektieren - und setzt darauf, ausgerechnet mit US-amerikanischen Siedlern ihren Einfluss zu stärken. Deren Loyalität hofft sich Mexiko dadurch zu sichern, dass sie spanisch lernen und zum katholischen Glauben übertreten müssen, dass sie keine Sklaven besitzen dürfen.
Trotzdem kommen Hunderte. Unter ihnen der zweite Kommandeur in Alamo: James Bowie. Ein berühmter Messerkämpfer mit gefürchtetem Temperament, der schon mit Land spekuliert, mit Sklaven gehandelt, nach einer legendären Silbermine gesucht und gegen übermächtige indianische Angreifer gesiegt hat.

Colonel Bowie liegt seit dem zweiten Tag der Belagerung fieberkrank in einer der südlichen Baracken, vermutlich mit Tuberkulose. Er ist eigentlich das Musterbeispiel eines integrierten Texian, eines englischsprachigen Texaners. Wie von der Regierung verlangt, hat er sich katholisch taufen lassen und ist mexikanischer Staatsbürger geworden. Hat sogar die Tochter des Vizegouverneurs der Provinz Coahuila und Texas geheiratet. Als Bowie 1828 den Grenzfluss Red River überschritt, lebten Neusiedler und Mexikaner noch friedlich nebeneinander. Doch dann erschreckten mehrere Kaufangebote der USA für Texas die Regierung in Mexiko-Stadt; zudem hielten sich längst nicht alle Einwanderer so wie Bowie an die Auflagen. Das Kriegsministerium schickte deshalb 1830 Soldaten in die nördliche Provinz und erließ einen Einwanderungsstopp für US-Amerikaner.
Ohne Erfolg: "Die Rinder sind fetter, die Zuckerrohre höher, und die Baumwolle ist feiner als in irgendeiner Region Amerikas", schwärmte die Cousine des Landvermittlers Austin in einem Buch. Tausende folgten solchen Schilderungen, hängten ein Schild mit "GTT" an ihre Tür - Gone to Texas. Für viele war es ein Neustart, für den verschuldeten Travis etwa, aber auch für Männer wie den legendären frontiersman David Crockett, aufgewachsen im Westen, ein hünenhafter früherer US-Kongressabgeordneter, Bärenjäger und Abenteurer, der mit 14 Grenadieren aus Tennessee im belagerten Alamo liegt. So lebten nur fünf Jahre nach dem Einwanderungsstopp siebenmal mehr Texians als Tejanos in Texas. Und sie erhoben Forderungen: nach größerer Autonomie, einige Radikale wie William Travis wollten sogar den Anschluss an die USA. Als der mexikanische Präsident Antonio López de Santa Anna 1835 die Verfassung außer Kraft setzte, sich zum Diktator erhob, alle Macht in den Provinzen an die Zentralregierung übertrug und Soldaten in die aufrührerischen Landesteile schickte, um die Einheit seines Staates zu bewahren, setzten die Texaner kurzerhand die Provinzverwaltung wieder ein und lieferten sich mehrere Scharmützel mit der mexikanischen Streitmacht.
Es war eine noch völlig ungeordnete Truppe von nicht einmal 800 Mann, die da gegen eine reguläre Armee kämpfte: Freiwillige aus den USA, denen die Texaner Land zum Lohn für ihre Unterstützung zugesagt hatten, Siedler, nur wenige mit Kampferfahrung. Eine Handvoll Tejanos wie Losoya und sein Hauptmann Juan Seguin, Gegner des mexikanischen Präsidenten.
Santa Anna hat selbst die Kontrolle über die Strafaktion gegen die texanischen Abtrünnigen übernommen, mit einer 7000 Mann starken Armee die Hauptstadt San Antonio erobert, die hoffnungslos unterlegenen Aufständischen in die benachbarte Station Alamo vertrieben und dort festgesetzt. Hat auf dem Kirchturm der Stadt eine rote Flagge hissen lassen, zum Zeichen, dass er die Rebellen nicht als feindliche Kämpfer, sondern als Piraten behandeln wird: Wer sich ergibt, auf den wartet der Tod. William Travis hat am 23. Februar 1836 mit einem Schuss aus der 18-Pfund-Kanone geantwortet, dem größten Stück Artillerie in Alamo. Seither haben die Mexikaner die Station Tag und Nacht beschossen. Travis hätte fliehen, Santa Anna die zerbröselnde Missionsstation am Rande seines Marsches liegen lassen können: Sie hat keinerlei strategische Bedeutung. Doch Travis hat Juan Seguin und andere Kuriere hinausgeschickt zu Kommandeuren der Rebellentruppen, mit vergeblichen Bitten um Entsatz, mit einem flammenden Versprechen: "Ich werde nie aufgeben oder mich zurückziehen. Ich werde sterben wie ein Soldat, der niemals vergisst, was er seiner eigenen Ehre und der seines Landes schuldet. SIEG oder TOD."
Und Santa Anna ist entschlossen, in Alamo ein grausames Exempel zu statuieren, das die Texaner zurück in den Gehorsam jagt. Stattdessen wird er an diesem Märzmorgen Märtyrer schaffen. Wird einen Mythos begründen, der Mexiko letztlich 2,4 Million Quadratkilometer seiner Staatsfläche kosten und die US-Amerikaner zu unbestrittenen Herrschern auf der gesamten Breite des Kontinents machen wird.
Fünf Uhr: Seit zwei Stunden liegen Santa Annas 1300 Soldaten frierend im nassen Gras, ohne Mäntel, um beim Angriff beweglicher zu sein: 125 Mann vor der Südmauer, 400 im Osten, je 400 im Norden und Nordwesten. Sie warten auf den Sturmbefehl. Denn die Feuerpause ist eine Finte - die Verteidiger sollen sich sicher fühlen, um dann durch einen Überraschungsangriff überrumpelt zu werden.
Ein letztes Mal inspiziert der Diktator seine Truppen. Noch immer Stille. Dann bläst der Hornist, erst "Achtung", dann "Gewehre laden" und schließlich das gefürchtete Signal "El Degüello", die Durchgeschnittene Kehle: Keine Gnade. Wenige Momente später erhellt eine Signalrakete den Himmel. Der Angriff beginnt. Für die texanischen Verteidiger hinter den Mauern ist es eine Attacke aus dem Nichts, so wie es Santa Anna geplant hatte. Die drei Wachposten außerhalb der Station hatten die Mexikaner heimlich getötet. William Travis bleibt gerade noch Zeit, Pistole, Schwert und Gewehr zu greifen. Aus dem Schlaf gerissen stürzen er und seine Männer von ihren Lagern an die Befestigungen. "Wir machen ihnen die Hölle heiß", ruft Travis den Texians zu, und den Tejanos: "No rendirse, muchachos!". Gebt nicht auf, Jungs. Schon bestürmen die Mexikaner von allen Seiten die alten Mauern. Doch die Texaner halten dagegen, bald donnern die ersten Kanonen. Es fehlt ihnen an Kugeln, stattdessen füllen die Rebellen die Rohre mit allem, was sie finden können. Hufeisen, Kettenglieder, Türangeln und alte Nägel gehen auf die Angreifer nieder. Die so in riesige Schrotflinten verwandelten Kanonen töten mehrere hundert Mexikaner.
Für einen kurzen Moment sieht es fast so aus, als könnte der unerfahrene Kommandeur Travis das Gelände halten.
Santa Anna aber, Soldat seit seinem 17. Lebensjahr, konzentriert sich auf die Nordmauer, die schon vor dem Angriff am stärksten beschädigt war. Hier setzt er weit mehr als die Hälfte seiner Truppen ein, hier sollen die Soldaten die Station erstürmen. Nach einer erfolglosen Viertelstunde schickt er seine Reserve in den Kampf - noch einmal 400 Infanteristen. Sie müssen mit ihren Gewehren auf die Verteidiger oben auf der Krone zielen, mögen die Schüsse auch gelegentlich ihre Kameraden am Fuße der Mauern treffen.
Denn Santa Anna ist auch gegen seine eigenen Männer gnadenlos. In einem Gewaltmarsch hat er sie nach Norden getrieben, durch einen für Mexiko ungewöhnlich kalten und nassen Winter, durch Schneestürme, Kälte und Entbehrung, in großer Eile, um die Aufständischen zu überraschen. 500 Soldaten haben allein diesen Weg nicht überlebt.

Jetzt erreichen die vorderen Linien, von hinten und von vorn beschossen, die Mauern von Alamo. Beginnen die Soldaten, sie zu erklimmen, über tote und sterbende Kameraden hinweg. Für die wenigen Verteidiger auf der Brüstung wird die Schlacht immer aussichtsloser: Im Nahkampf nützen ihnen die Kanonen nichts. Und ihre Gewehre haben Travis und seine Leute leergeschossen – unmöglich, die Vorderlader im Ansturm der Mexikaner zu befüllen. Immer mehr feindliche Soldaten rücken nach, kaum töten die Rebellen einen mit Bajonettstichen, ersetzen ihn zwei neue.
Als die ersten Mexikaner auf der Mauerkrone stehen, ist der Kampf entschieden: Binnen kürzester Zeit überwältigen sie die wenigen Verteidiger. William Travis stirbt als einer der ersten, in die Stirn getroffen von einer Kugel.
Santa Annas Soldaten strömen über die Nordmauer hinweg auf den großen Innenplatz der Missionsstation. Die meisten Aufständischen verschanzen sich, wie zuvor besprochen, in der Kapelle und den Barracken. Die mexikanische Kavallerie macht jene nieder, die diese schützenden Stellungen nicht mehr erreichen, darunter einige, die über die offen Prärie flüchten wollen.
Keine halbe Stunde nach dem Angriffssignal kontrollieren die Mexikaner die Außenmauern und den Innenhof. Jetzt machen sie sich daran, den Rest der Station zu erobern.
Im Durcheinander haben es die Aufständischen versäumt, einen Nagel in das Zündloch ihres großen 18-Pfünders zu treiben – die sicherste Art, eine Kanone unbrauchbar zu machen. Die Angreifer drehen das Geschütz gegen die Barracken. Sie zerschießen eine Tür nach der anderen, feuern anschließend mit Gewehren in die Räume. Und stürmen sie erst dann, um Überlebende im Nahkampf niederzumachen. Niemand weiß genau, was in dieser Situation mit dem fieberkranken James Bowie geschieht. Wird er auf seinem Lager getötet, zu schwach, den Kopf zu heben? Erschießt er sich selbst? Die wahrscheinlichste Version der Geschehnisse wird nach seinem Tod auch die beliebteste: Danach wehrt sich der Texaner auf seinem Krankenlager, den Rücken zur Wand, mit Pistolen und seinem berühmten Messer, erschießt die ersten beiden Soldaten, ersticht einen weiteren, bevor er unter den Bajonetten der anderen stirbt.
Bald sind die meisten der 250 Verteidiger tot. Die Kapelle des Heiligen Antonius wird zur letzten Bastion. Dort kauern die Frauen und Kinder, dort sind in der Apsis noch zwei kleinere Kanonen auf den Eingang gerichtet. Und dort kämpfen jene elf Texaner, die als letzte sterben werden. Sie stehen unter dem Befehl von Captain Almaron Dickinson. "Großer Gott, Sue", ruft er seiner Frau zu, die ihre Tochter Angelina in den Armen hält, "wenn sie dich verschonen, rette unser Kind!"

Der 18-Pfünder fegt die Barrikaden vor der Kirchentür weg, die letzten Verteidiger feuern aus den Kanonen auf die Hereinstürmenden, dann aus ihren Gewehren - und werden ebenfalls erstochen. Unter ihnen ist wohl auch der Tejano Toribio Losoya: Seine Frau und die drei Kinder verstecken sich in der Kapelle, hier wird später seine Leiche gefunden. Ein verwundeter Texaner kriecht mit einer Fackel fort, eine Kugel tötet ihn, bevor die Flamme das Pulverlager erreicht: Hätte er Erfolg gehabt, es wären bei der Explosion wohl alle in der Kapelle ums Leben gekommen. Auch so gibt es zivile Opfer: Als ein Junge aufsteht, um sich eine Decke umzulegen, halten ihn die Mexikaner für einen Soldaten und erschießen ihn. Sein Vater greift den Bruder, versucht zu fliehen – beide sterben im Kugelhagel. Als letzten töten die Mexikaner einen Texaner, der sich hinter den Frauen versteckt hat. Nach eineinhalb Stunden ist die Schlacht um Alamo vorbei. Mehrere Hundert Mexikaner sind tot und alle Verteidiger. Santa Annas Soldaten gehen von Körper zu Körper und erstechen mit dem Bajonett alle, die sich noch bewegen. Noch immer fallen Schüsse, manche mexikanische Soldaten erschießen sich im Rausch gegenseitig. Endlich bläst das Horn zum Rückzug - doch noch eine weitere Viertelstunde lang feuern die Sieger in die Leichen ihrer Feinde. Später schichten sie Scheiterhaufen auf und verbrennen die toten Texaner. Niemand weiß, wie David Crockett gestorben ist. Bei dem Versuch, die Kirche zu verteidigen? Oder hat er zu den sieben Soldaten gehört, die ein mexikanischer General gegen Ende des Kampfes gefangen nahm?
Als der Offizier sie seinem Präsidenten vorführt und um ihr Leben bittet, befiehlt Santa Anna ihre Hinrichtung. Sofort durchbohren seine Soldaten die Männer mit ihren Bajonetten und überlassen sie einem langsamen Tod. Weniger als 50 Zivilisten haben die Kämpfe überlebt, die meisten von ihnen Sklaven oder Tejanos. Auch Sue Dickinson und ihre kleine Tochter werden verschont. Santa Anna lässt sie gehen, damit sie den Städten der amerikanischen Siedler seine Botschaft an die Aufständischen überbringen: Die mexikanische Armee ist unbesiegbar - und wer sich gegen sie auflehnt, kann keine Gnade erwarten.
Gegen acht Uhr diktiert General Santa Anna einen Bericht nach Mexiko-Stadt, in dem er seinen "vollständigen und ruhmreichen Triumph" beschreibt, der die Erinnerung an ihn unauslöschbar machen wird.
In der Tat wird dieser 6. März 1836 für immer mit seinem Namen verbunden bleiben - wenn auch anders, als er selbst vermutet. Denn Alamo ist zwar ein deutlicher Sieg gegen die texanischen Rebellen. Aber auch einer der letzten. Denn die Brutalität, mit der Santa Anna die Missionsstation hat erobern lassen, wird zum entscheidenden Fanal für die Texians. Von nun an kämpfen sie mit noch größerer Entschlossenheit und Wut für die Sache eines unabhängigen Texas. Und Santa Annas Härte, mit er die Revolution ersticken wollte, bewirkt das Gegenteil: Empört strömen Freiwillige aus den USA herbei, um sich den Aufständischen anzuschließen.
Und schon in das nächste große Gefecht ziehen sie mit dem Schlachtruf "Remember The Alamo". Am Nachmittag des 21. April 1836 überrascht Sam Houston, Oberbefehlshaber der Aufständischen, mit seiner Armee von 910 Rebellen die mehr als doppelt so starken Truppen von General Santa Anna, die gerade völlig ungesichert an den Ufern des Flusses Jacinto ihre Siesta abhalten. In nur 18 Minuten überrennen die Revolutionstruppen das Lager. Dann töten sie Hunderte flüchtende Mexikaner - aus Rache für das Massaker an den Kämpfern in Alamo. Santa Anna wird gefangengenommen und muss als Gegenleistung für sein Leben die texanische Unabhängigkeitserklärung unterzeichnen.
Ein Jahr nach der Schlacht von Alamo erkennen die USA die Republik Texas als eigenständigen Staat an. Vergeblich allerdings bemüht sich der Lone-Star-State zunächst um Aufnahme in die Union: In ihrer Verfassung haben die Texaner die Sklaverei erlaubt und allen freien Schwarzen ein Bleiberecht verweigert. Das führt zu einem Exodus afroamerikanischer Siedler. Vor allem aber erschwert es den ersehnten Anschluss an die USA. Dort schwelt länger schon ein innenpolitischer Streit zwischen Sklavenhalter- und freien Staaten. Washington fürchtet, Texas könnte das fragile Gleichgewicht zwischen Nord und Süd stören.

Außerdem scheut die Regierung den offenen Konflikt mit Mexiko. 1843 informiert Santa Anna den US-Präsidenten offiziell, dass die Annexion von Texas einer Kriegserklärung gleichkäme. Trotzdem wird die junge Republik immer US-amerikanischer. Zwar wählt sie einen spanischsprachigen Empresario zum Vizepräsidenten, Juan Seguin zum Bürgermeister von San Antonio. Doch lange überlebt die Allianz aus Tejanos und Texians die Revolution nicht. Übergriffe und Morddrohungen häufen sich, immer mehr mexikanischstämmige Texaner fliehen aus ihrer Heimat in das ehemalige Mutterland.
1845 gewinnt James Polk die Wahl zum US-Präsidenten mit dem Versprechen, Texas aufzunehmen - und sein scheidender Vorgänger löst in seinen letzten Amtstagen dieses Versprechen ein. Mexiko zieht seinen Botschafter aus Washington ab, beide Nationen verlegen Truppen nach Texas. Polk lässt seine Soldaten die Mexikaner provozieren. Und erklärt nach dem ersten Zwischenfall mit toten US-Dragonern im April 1846 den Krieg. Er wird in jeder Hinsicht teurer, als Politiker und Presse geglaubt haben. Zwei Jahre lang führt die US-Armee einen Eroberungskampf gegen Partisanen, der das Schatzamt fast 100 Millionen Dollar kostet. Rund 13.000 US-Amerikaner sterben und mindestens 20.000 Mexikaner. Es ist der bis dahin zerstörerischste Krieg der US-Geschichte. Doch er führt zum von Polk gewünschten Ziel: Im Frühjahr 1848 muss Mexiko einem Friedensvertrag zustimmen. Texas fällt nun an die USA, dazu auch weite Teile der angrenzenden westlichen Gebiete, in etwa die modernen Staaten Kalifornien, Nevada, Utah und Arizona.
Zwölf Jahre nach der Schlacht um Alamo erstrecken sich die Vereinigten Staaten von Amerika zum ersten Mal in ihrer Geschichte unbestritten von der Ost- bis zur Westküste des Kontinents.

