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12.14 Uhr. Die Mission "Mars Express" läuft seit mehr als vier Stunden. Im "Main Control Room" herrscht angespannte Stille. Das Team, das die Marssonde hinter Dutzenden von flimmernden Bildschirmen steuert, hat ein Problem: Nach dem Start sollte die Sonde jetzt eigentlich ein Signal aussenden. Doch die Sonde bleibt stumm. Michael McKay vom Satellitenkontrollzentrum der ESA (European Space Agency) in Darmstadt ist zuständig für alles "Irdische": Bodenstationen, Hardware, Kommunikation, Navigation, Operation. Den ganzen Morgen schon kämpfen der Ground Segment Manager und sein Team um den Funkkontakt zur Sonde. Sie wissen: Ein 150 Millionen-Euro-Projekt steht auf dem Spiel. Kurz vor ein Uhr ist der Fehler endlich behoben. Aufatmen im Kontrollzentrum. Die Königsfrage "Haben wir eine Mission?" wird mit "ja" beantwortet. Die Simulation ist beendet.

Tiefe Einblicke
Ernst wird es für McKay und sein Team am 2. Juni. Starttermin für den "Mars Express", Europas erste Mission zum Nachbarplaneten der Erde. Wenn alles nach Plan läuft, wird der "Mars Express" im Dezember in die Umlaufbahn des Roten Planten eintreten und "Beagle 2" auf der Mars-Oberfläche absetzen. Der Lander - ein 60 Kilogramm schweres High-Tech-Paket - ist voll gestopft mit Technik. Er wurde entwickelt, um die Oberfläche des roten Planeten zu untersuchen, Bild- und Messdaten zu sammeln. Michael McKay erklärt, man wolle erstmals "auch unter die Steine schauen", mit einem "maulwurfähnlichen Roboter" Gesteinsproben nehmen und analysieren.
Radar soll Eis aufspüren
Hoch oben wird unterdessen der "Mars Express-Orbiter" den Planeten umkreisen. Und mit ihm sieben Instrumente, die wiederum die Oberfläche, aber auch die Atmosphäre des Mars einer Analyse unterziehen. Darunter ist auch eine Radar-Antenne, mit der die Forscher bis zu fünf Kilometer tief ins Innere des Planeten blicken können. McKay erwartet dort zwar keine "großen unterirdischen Seen, auf denen kleine grüne Männchen Wasserski fahren", doch kann er sich vorstellen, dass dort etwa größere Mengen Eis vorkommen. Dies wäre der Beweis dafür, dass außerirdisches Leben möglich ist. "Gibt es Leben auf dem Mars?" Auch er weiß die Antwort nicht.
Kleines Zeitfenster
Der Zeitpunkt für den Start Anfang Juni könnte nicht besser gewählt sein. Vor 73.000 Jahren waren sich Erde und Mars zuletzt so nah - genau 55.758.006 Kilometer. Anders als damals die Neandertaler wollen die Europäer heute das mehrtägige Zeitfenster im Juni auf keinen Fall verpassen. Denn frühestens in sechs Jahren gibt es wieder eine ähnlich gute Konstellation. Klar, dass auch Amerikaner und Japaner zeitgleich mit eigenen Sonden zum Mars fliegen. Von einem Wettlauf kann jedoch keine Rede sein. Vielmehr kooperieren die Raumfahrtorganisationen bei ihren Expeditionen, ergänzen sich in ihren Forschungszielen und bereiten sich in gemeinsamen Workshops vor.
Für alle Ernstfälle gewappnet

Bis der "Mars Express" startet, proben die Ingenieure und Wissenschaftler der ESA zweimal pro Woche den Ernstfall. "Wir trainieren hier die schlimmsten Fälle, die eintreten können. Würden wir das nicht tun, wären wir später verloren, denn es passiert immer etwas während der Mission", erklärt Michael McKay. Ausfälle, Störungen und Fehlermeldungen: Ein Software-Simulator macht der Kommandozentrale gezielt das Leben schwer. Für McKay steht die Verbesserung der Zusammenarbeit im Vordergrund: "Erst durch das Training werden die Teams zu einer echten Mannschaft".
Noch ein paar mal den Atem anhalten
Die ESA-Sonde wird an Bord einer russischen Sojus-Trägerrakete vom Weltraumbahnhof Baikonur abheben. Einer der kritischsten Momente gleich zu Beginn der Reise ist die Entfaltung der Solarflügel des "Mars Express". Bis dahin gibt es nur Strom aus Batterien, die sehr schnell erschöpft wären. Wenn auch diese Hürde genommen und der Funkkontakt zur Sonde aufgebaut ist, dürfte sich bei den ESA-Experten erste Entspannung breit machen. Nun stehen den Darmstädtern nur noch vier geplante Kurskorrekturen auf dem Flug ins Haus. Im Dezember soll die Sonde dann den Roten Planeten erreicht haben. Ein Marsjahr lang, das entspricht etwa 22 Erdmonaten, werden Daten aus dem All empfangen. Eventuell auch länger.
Riesenschüssel im Outback
Über die nagelneue australische Bodenstation in New Norcia bei Perth bleibt die Steuerungszentrale mit ihrem "Baby" in Kontakt. Der Standort ist deshalb so günstig, weil hier die benötigten Frequenzen nicht wie in Europa von Mobilfunknetzen belegt sind. Sie ist die erste "Deep Space-Antenne" der ESA und misst 35 Meter im Durchmesser. Die bisher verwendeten Antennen reichen mit ihren 15 Metern Durchmesser für die Signalübertragung vom und zum Mars nicht mehr aus. Bei der Datenübertragung auf der Erde ist dann wieder die transatlantische Kooperation von hohem Wert: ESA und NASA stellen sich dafür gegenseitig ihr Netzwerk an Bodenstationen zur Verfügung.

Schweißtreibende Tests
Bis zum Start der Sonde werden McKay und seinem Team noch einge Tests die Schweißperlen ins Gesicht treiben. "Jetzt ist alles noch sehr spannend, denn in den Simulationen muss man schnell reagieren", sagt der Ire mit einem Schmunzeln. "Die Mission wird eher langweilig. Hoffentlich!"