Viele Eltern wollen nicht, dass ihre Kinder zu viel Zeit vor dem Fernseher oder Smartphone verbringen. Dabei sind sie selbst schlechte Vorbilder beim Konsum von Medien, wie eine aktuelle Studie zeigt. Denn 62 Prozent der Befragten geben zu, selbst zu viel Zeit mit dem Handy oder Laptop zu verbringen.
Eltern halten sich für gute Vorbilder beim Konsum von Medien – sind es aber nicht
Für die repräsentative Studie "Junge Familien 2023" der Krankenkasse Pronova BKK wurden Familienmitglieder von 1.000 deutschen Haushalten mit minderjährigen Kindern befragt. Schwerpunkt war die Nutzung von digitalen Medien. Die Online-Befragung fand im Juli 2023 statt.
Das Ergebnis: 78 Prozent der Eltern halten sich für mustergültige Mediennutzer. Nur drei Prozent sehen sich als wirklich schlechtes Vorbild in der Familie. Fast jede und jeder dritte Befragte hält sich sogar für ein sehr gutes Vorbild für die Kinder im eigenen Haushalt.
Und das, obwohl 56 Prozent zugeben, sich manchmal oder häufig bis spät in die Nacht mit Netflix und Co. zu beschäftigen. 62 Prozent (über sechs von zehn) der Befragten finden selbst, zu viel Zeit an Bildschirmen zu verbringen.
Nur zwölf Prozent können von sich selbst behaupten, digitale Medien in einem angemessenen Rahmen zu verwenden. Und nur 17 Prozent halten sich nach eigenen Angaben immun gegen einen Serienmarathon. Die Deutschen gehen somit sehr selbstreflektiert mit ihrem Medienkonsum um, können ihn aber scheinbar trotzdem nur schwer kontrollieren.
17 Prozent der Kinder finden, ihre Eltern verbringen zu viel Zeit mit dem Smartphone
In unserer digitalisierten Welt fällt es auch Erwachsenen schwer, das richtige Maß mit digitalen Medien zu finden. Das ist nachvollziehbar. Und doch ist Eltern oft nicht bewusst, das es etwas mit ihren Kindern macht, wenn sie ihre Augen kaum von den Bildschirmen nehmen können.
Denn dies bleibt bei Kindern nicht unbemerkt. 17 Prozent der Eltern hören laut eigenen Angaben von ihren Kindern häufig die Kritik, sie würden zu viel Zeit mit Smartphone, Computer oder Smart-TV verbringen.
"Kinder lernen von ihren Eltern – ab Tag eins. Mütter und Väter sollten Kindern so oft es geht zeigen, dass es Situationen gibt, wo das Handy nicht stören soll. Etwa beim Essen, beim Schlafen und im Straßenverkehr", sagt Clemens Beisel, Diplom-Sozialpädagoge und Kooperationspartner der Pronova BKK. "Ein wichtiger Pfeiler zur Ausprägung eines gesunden Mediennutzungsverhaltens sind klare Regeln, die für die ganze Familie gelten und dem Kind vermitteln: Du bist mir wichtig – wichtiger als das Handy oder der Ping."
Jede*r Zweite überhört das eigene Kind
Rund jede*r zweite Befragte überhört schon einmal das eigene Kind, weil eine Whatsapp-Nachricht aufleuchtet oder die Lieblingsserie läuft. Bei weiteren 29 Prozent ist dies zumindest selten schon vorgekommen. Ebenfalls 49 Prozent verschieben auch mal das Kochen des Abendessens oder das Spielen mit dem Kind, weil digitale Medien gerade für Ablenkung sorgen.
"Wenn schon die Kinder eine zu hohe Handynutzung ihrer Eltern monieren, sollten alle Alarmglocken läuten. Mütter und Väter sollten überdenken, ob sie die Bedürfnisse des Nachwuchses ausreichend wahrnehmen. Wichtig für gesundes psychisches Wachstum ist der Selbstwert - und um diesen zu entwickeln, sind Kinder auf die Aufmerksamkeit ihrer Eltern angewiesen", sagt Experte Beisel.
Experte empfiehlt: Mediennutzung im Auge behalten
In Haushalten mit Kindern werden häufig Regeln zur Länge der Mediennutzung festgelegt. Leben dort Kinder unter zehn Jahre, ist dies in rund acht von zehn Familien der Fall. Allerdings werden besagte Regeln bei 20 Prozent nicht eingehalten. Für ältere Kinder herrschen seltener Vorgaben als für die Jüngeren. Bei den 14- bis 17-Jährigen gibt es lediglich in 43 Prozent der Haushalte Medienregeln, die nur bei 25 Prozent eingehalten werden. Ebenfalls jede*r vierte der Befragten erlaubt hingegen unbegrenzte Nutzung. Die Erwachsenen begrenzen sich vermutlich selten selbst.
Sozialpädagoge Beisel rät Familien zu einer Bestandsaufnahme: "Eltern sollten zuerst ihren eigenen Medienkonsum reflektieren, wie viel Zeit sie täglich mit Medien verbringen und was sie damit genau tun. Was ist wirklich wichtig und was Ablenkung oder Unterhaltung? Wer seine eigene quantitative und inhaltliche Mediennutzung kennt und gegebenenfalls anpasst, kann auch Kindern besser bei der Regulation helfen."