Anzeige
Anzeige

Mein Leben im Lockdown Corona-Krise in Großbritannien: "Ich möchte nicht in einem englischen Krankenhaus landen"

Mein Leben im Lockdown : Yvonne Ophaus, 43, Architektin in London. Sie lebt mit ihrem Mann und ihrer achtjährigen Tochter Anna in einem typischen englischen Reihenhaus. Erst hat der Brexit die Entfernung zwischen ihr und ihrer Familie in Deutschland vergrößert, jetzt sind die persönlichen Kontakte zur Verwandtschaft erst einmal komplett gekappt.
Yvonne Ophaus, 43, Architektin in London. Sie lebt mit ihrem Mann und ihrer achtjährigen Tochter Anna in einem typischen englischen Reihenhaus. Erst hat der Brexit die Entfernung zwischen ihr und ihrer Familie in Deutschland vergrößert, jetzt sind die persönlichen Kontakte zur Verwandtschaft erst einmal komplett gekappt.
© privat
In der Serie "Mein Leben im Lockdown" telefoniert GEO mit Menschen von Alaska bis Zimbabwe: 7,752 Milliarden Weltbürger sind von Corona betroffen. Wie gehen sie damit um? Unseren Fragebogen beantwortet heute die Architektin Yvonne Ophaus aus London. Nachdem sich das Corona-Virus lange Zeit absichtlich ausbreiten sollte, um die Bevölkerung zu immunisieren, gibt es seit Anfang der Woche nun doch Beschränkungen.

Corona-Situation in Großbritannien am 25.03.2020: 8.176 bestätigte Fälle, 423 Tote, 140 Genesene. Die britische Regierung verfolgte zunächst die Strategie, das Corona-Virus sich ungehemmt in der Bevölkerung ausbreiten zu lassen und so die Immunisierung der Menschen zu erreichen. Inzwischen ist Boris Johnson umgeschwenkt und folgt dem Beispiel der anderen Länder. Am 23. März verkündete er einschneidende Begrenzungen ähnlich denen in Deutschland.

Wie arbeitet Du jetzt?

Ich arbeite seit 17. März zuhause. Der erste Tag war schwierig, der zweite ok. Aber das wird sich in nächster Zeit bestimmt noch verbessern. Schon, weil mein Chef immer daran interessiert ist, die neueste Technik zu haben.

Wie regelt Eure Schule den Unterricht?

Das ist noch nicht ganz klar. Ich denke, sie werden Aufgaben per Email schicken.

Wie steht es um die Versorgung mit Lebensmitteln?

Die Supermärkte sind leer. In einem Laden sagte der Besitzer, sie hätten in den letzten Tagen so viel Geld eingenommen wie sonst in sechs Monaten. Einen Engpass gibt es auch bei einigen Medikamenten. Ich wollte Paracetamol kaufen, war in fünf Geschäften. Aber es ist total ausverkauft. Jetzt habe ich meiner Schwester in Deutschland geschrieben, sie soll uns bitte Tabletten schicken.


Habt Ihr Vorräte angelegt?

Die Häuser in England sind klein, haben keinen Keller. Wir haben 75 Quadratmeter. Unsere Vorräte stehen hier (sie zeigt auf den Kühlschrank hinter ihr): einige Packungen Bohnen, viele Orangen und eine Flasche Whiskey für den Fall, dass die Nerven blank liegen. Die Frau, die unsere Tochter sonst von der Schule abholt, sammelt die Vorräte der Familie unter dem Bett.

Was gibt es bei Euch heute Abend zu essen?

Vegetarische Burger mit Salat und Möhren. Ich habe auch ein Huhn gekauft, das wird morgen gekocht nach einem Rezept meiner Mutter.

Wovor hast Du Angst?

Ich möchte nicht in einem englischen Krankenhaus landen. Die Kliniken werden total überfordert sein. Wenn wir krank würden, hätten sie keine Kapazität für uns. Deswegen ist es sinnvoll, ein Mittel wie Paracetamol im Schrank zu haben, mit dem sich das Fieber senken lässt.

Gibt es etwas Gutes, was in Deiner Stadt aus der Coronakrise entstanden ist?

In England haben Freiwilligendienste und Wohltätigkeitsorganisationen eine viel größere Tradition als in Deutschland. Und da werden sich jetzt viele Menschen beteiligen. Wir haben zum Beispiel von der Schule ein Schreiben bekommen, dass Leute sich zusammengetan haben, die helfen, wenn man Sorgen hat oder Einkäufe braucht.

Wie wird die Welt aussehen, wenn die Coronakrise vorbei ist?

Ich hoffe, dass das Gesundheitssystem sich verbessern wird. Ich glaube auch, dass die Arbeitswelt sich ändern wird. Wir arbeiten jetzt notgedrungen im Homeoffice. Und das wird dann weiterhin genutzt. Mit Familie kommt mir das entgegen. Bislang haben die Arbeitgeber gezögert, das zuzulassen, weil sie dachten, sie verlieren die Kontrolle.

Wann hast Du das letzte Mal herzlich gelacht?

Am letzten Arbeitstag im Büro. Mit ihrem schwarzen Humor lachen die Engländer auch über den Corona-Virus.

Interview: Klaus Bachmann

+++ ALLE BEITRÄGE DER SERIE IM ÜBERLICK +++

Mehr zum Thema

VG-Wort Pixel