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Sprachverarbeitung Warum wir mit dem linken Ohr anders hören als mit dem rechten

Warum die linke Hirnhälfte für Sprache zuständig ist
Auf dem rechten Ohr Gehörtes wird in der linken Hirnhälfte verarbeitet – die überlegene Hirnhälfte bei der Verarbeitung von Sprache
© Robert Kneschke / Fotolia
Zuhören, verstehen, verarbeiten – und das alles gleichzeitig. Unser Gehirn leistet Erstaunliches, wenn es um die schnelle Verarbeitung von Sprache geht. Warum dabei die linke Hirnhälfte dominiert, konnten Forscher erstmals an lebenden Personen nachweisen

Egal ob im Gespräch, beim Zuhören, beim Lesen oder Schreiben: Sprache ist Kopfsache. Wir denken in einer Sprache und wir teilen unsere Gedanken (meist) in Worte gefasst. Die Sprache ist also essenziell für die zwischenmenschliche Kommunikation. Um den Gesprächsfluss aufrecht zu erhalten, versuchen wir die nächsten Worte unseres Gesprächspartners zu erahnen, bevor dieser sie ausgesprochen hat und verarbeiten gleichzeitig das Gesagte zu neuen Gedanken. Und während wir uns andersherum selbst sprechen hören, planen wir automatisch die nächsten Laute noch ehe wir sie artikulieren.

Dass bei diesen Prozessen die linke Hirnhälfte gegenüber der rechten überlegen ist, zeigt ein einfacher Test: Spielt man Versuchspersonen gleichzeitig auf dem linken und rechten Ohr zwei unterschiedliche Silben vor, geben die meisten Menschen an, nur das gehört zu haben, was auf dem rechten Ohr gesagt wurde. Der Grund: Sprache, die über das rechte Ohr wahrgenommen wird, wird in der linken Hirnhälfte verarbeitet.

Interessant ist in diesem Zusammenhang, dass sich in der sogenannten Pfeifsprache ein anderes Bild zeigt. Bei dieser, so das Ergebnis des gleichen Tests von Onur Güntürkün der Ruhr-Universität Bochum, ist wird die linke Hirnhälfte nicht bevorzugt. Denn: Pfeifsprache erfordert die Wahrnehmung und Verarbeitung von Tonhöhe, Melodie etc., wofür vor allem Bereiche der rechten Hemisphäre zuständig sind.

Neue Einblicke in die Mikrostruktur der Hirnregion

„Wissenschaftler haben vor langer Zeit entdeckt, dass eine für Sprache wichtige Hirnregion namens Planum temporale häufig links größer ist als rechts“, erläutert Dr. Sebastian Ocklenburg von der Arbeitseinheit Biopsychologie der Ruhr-Universität Bochum in einer aktuellen Pressemitteilung. Dabei hätten die Nervenzellen des linken Planum temporale eine höhere Anzahl an neuronalen Verbindungen, als die der rechten Hirnhälfte. „Unklar war bisher aber, ob diese asymmetrische Mikrostruktur entscheidend für die linksseitige Überlegenheit bei der Sprachverarbeitung ist“, ergänzt Erhan Genç, ebenfalls aus dem Forscherteam der Ruhr-Universität Bochum und der Technischen Universität Dresden. Nun konnten sie mithilfe von neuen Messmethoden bislang unmögliche Einblicke in die Mikrostruktur der Hirnregion erhalten und die Erkenntnisse so mit der Geschwindigkeit unserer Sprachverarbeitung zusammenbringen.

Denn während bisher nur an verstorbenen Menschen die höhere Anzahl an neuronalen Verbindungen der linksseitigen Hirnregion festgestellt werden konnte, habe man nun dank einer speziellen Form der Magnetresonanztomografie die Dichte und räumliche Anordnung von Nervenzellfortsätzen im Planum temporale der linken und rechten Hirnhälften feststellen können. Der Test an fast hundert Versuchspersonen habe dabei gezeigt, dass Versuchspersonen mit einer besonders schnellen Sprachverarbeitung in der linken Hirnhälfte auch besonders viele Nervenzellfortsätze im linken Planum temporale besaßen. „Aufgrund dieser Mikrostruktur ist die Sprachverarbeitung linksseitig schneller und wahrscheinlich auch die zeitliche Präzision höher, mit der das Gehörte entschlüsselt wird“, folgert Ocklenburg. „Die höhere Verschaltungsdichte scheint somit ein entscheidender Baustein für die sprachliche Überlegenheit unserer linken Hirnhälfte zu sein“, ergänzt Genç.

Interessant ist dabei, dass Menschen, deren Faserverbindungen in der linksseitigen Hirnregion geschwächt sind, wortwörtlich ins Stottern geraten können – davon gehen zumindest mehrere Studien aus. Stress und ähnliche Störeinflüsse sorgen dann als Auslöser dafür, dass das bereits gestörte System zusammenbricht.

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