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Paul Durand-Ruel Der Mann hinter Monet: Wie ein Pariser Galerist den Kunstmarkt revolutionierte

Durand-Ruel
Treuer Engel: Immer wieder entgeht Durand-Ruel nur knapp dem Konkurs. Trotzdem hält er unbeirrt an seinen lange oft belächelten Künstlern fest: »Wir verdanken ihm alles«, sagt Monet später
© Heritage Images/Fine Art Images/akg-images
Keiner ist so wichtig für Monets Erfolg wie der Pariser Galerist Paul Durand-Ruel. Fast im Alleingang macht er den Maler und dessen Mitstreiter berühmt – und revolutioniert nebenbei den Kunstmarkt

Der Umsturz ist in der Beletage angekommen. Unter glänzenden Kristalllüstern wandeln die ­Spitzen der Gesellschaft mit ihren Champagnergläsern über das Parkett: Es sind Bankiers, wohlhabende Industrielle und Adelige. Und sie stoßen auf eine Revolution an.

Denn an den Wänden dieser prunkvollen Wohnräume in der Pariser Rue de Rome hängen Bilder, die noch vor wenigen Jahren unerhört waren. Sie stammen von Künstlern, die von der Kritik verspottet wurden, als dilettantisch verfemt: Claude Monet, Auguste Renoir, Edgar Degas. Jetzt aber pilgern die Kunstliebhaber der Stadt in das großbürgerliche 8. Arrondissement, um diese Malerei zu sehen – zu den allwöchentlichen Soireen in der Privatwohnung des Kunsthändlers Paul Durand-Ruel, der die einst Verlachten berühmt gemacht hat.

Lange ist Durand-Ruel der einzige Galerist, der die Arbeiten der Impressionisten vertreibt. Er tut es mit geradezu missio­narischem Eifer. Denn seit er die lichtdurchfluteten Bilder der in Frankreich verhöhnten neuen ­Maler ausgerechnet in London kennengelernt hat, hegt er keinen Zweifel, die Malerei der Zukunft entdeckt zu haben. Im Winter 1870/71 trifft er in der britischen Hauptstadt erstmals auf Claude Monet.

Durand-Ruel ist kurz zuvor nach London geflohen, nachdem preußische Truppen in Frankreich einmarschiert sind. Auch Monet will in der englischen Metropole den Auswirkungen des Deutsch-Französischen Krieges entgehen. Ein gemeinsamer Bekannter macht den eher klein gewachsenen, stets im eleganten Anzug gekleideten Kaufmann mit dem dunkelbärtigen Künstlerrebellen bekannt; Durand-Ruel trifft ihn in seiner neu gegründeten Galerie im Zentrum der Stadt.

Durand-Ruel kauft Monets Bilder stapelweise

Vielleicht reizen Durand-Ruel die Lichtreflexionen auf Monets Bildern, vielleicht die ungewöhnlich hellen Pastelltöne. Jedenfalls beeindruckt der Maler den Galeristen. Zäh und entschlossen habe Monet bei ihrem ersten Treffen gewirkt, erinnert sich Durand-Ruel später: „Er machte auf mich den Eindruck, als würde er unermüdlich weiterarbeiten – noch viel länger, als ich selber erwarte zu leben.“

Gleich stapelweise kauft Durand-Ruel die Bilder des bis dahin oft bettelarmen Künstlers, zahlt ihm 300 Francs pro Stück ­(etwa 100-mal mehr, als ein Pariser Arbeiter am Tag verdient). Wenig später stellt er die Arbeiten zusammen mit Werken von Monets Verbündeten wie Édouard Manet und Camille Pissarro in London und in seinen neuen Galerieräumen in Brüssel aus, nach seiner Rückkehr 1872 dann auch in Frankreich.

Dabei hatte zunächst nichts darauf hingedeutet, dass aus­gerechnet Durand-Ruel die verschriene Avantgarde fördern würde: Der 1831 geborene Sohn eines Pariser Kunsthändlers ist konservativ bis auf die Knochen. Er ist ein strenger Katholik und glühender Monarchist, der in jungen Jahren gar von einer Kar­riere als Soldat träumte.

Durand-Ruel
Nicht nur in seinem Ladengeschäft bringt Durand-Ruel die Bilder seiner Künstler an die Käufer. Er ent­wickelt auch unkonventionelle Ideen – etwa die, seine Ware per ­Katalog anzubieten
© Tallandier/Bridgeman Images

Doch so rückwärtsgewandt seine politische Weltsicht ist, so vorwärtsstürmend ist sein Kunstgeschmack. Sich selbst sieht er als eine Art Missionar – mit der Aufgabe, talentierte Künstler abseits der etablierten Akademiemalerei zu finden und in der Öffentlichkeit „verstanden und beliebt zu machen“.

Und so geht Durand-Ruel auch als Geschäftsmann weit über das Übliche hinaus: Er kauft Monet und seinen Kollegen fast jedes neue Bild ab, zahlt ihre Rechnungen für Leinwände, Farben, Miete – und bindet sie damit exklusiv an sich.

Auch in der Vermarktung versucht er Neues. Er preist die ­erworbenen Werke in Katalogen an, die er an seine Kunden verschickt. Organisiert statt der üblichen Gruppenausstellun­gen Einzelschauen, bei denen er ausschließlich Bilder eines einzigen Malers zeigt. Knüpft Kontakte zu Museumsdirektoren in anderen europäischen Kunstmetropolen.

Doch der außergewöhnliche Elan macht sich lange nicht ­bezahlt. Die Bilder der Impressionisten verkaufen sich kaum, sämtliche Ausstellungen der Gruppe werden von den Kritikern zerrissen. Und obwohl Durand-Ruel auch weiter andere Künstler vertritt, wird sein Name immer mehr mit den verschmähten Avantgardisten gleichgesetzt. Kunden wenden sich von ihm ab, zeitweise bekommt er keine Kredite mehr. Dennoch hält Durand-Ruel unbeirrt an den Impressionisten fest.

Der Durchbruch in den Vereinigten Staaten lässt Kunstpreise auch in Europa steigen

Als aber Anfang der 1880er Jahre auch noch eine schwere Rezession den Verkauf von Malerei in Frankreich erschwert, sieht der Galerist nur noch einen Ausweg: die USA. In dem ­jungen, wirtschaftlich aufstrebenden Land hofft er auf viele zahlungskräftige Käufer, die offen für Neues sind.

Mit 360 Gemälden im Gepäck überquert Durand-Ruel 1886 den Atlantik. Er zeigt die Impressionisten in New York, Minneapolis, Chicago und Boston. Und tatsächlich feiert die amerikanische Presse die neue französische Kunst, strömen Tausende Besucher in die Ausstellungsräume. Bereits nach kurzer Zeit wechseln 15 Gemälde den Besitzer. „Eure Bilder werden gekauft!“, berichtet Durand-Ruel nach seiner Rückkehr euphorisch den in Paris gebliebenen Protegés.

Es ist der Durchbruch: Der Erfolg in den Vereinigten Staaten lässt die Preise der Rebellen langsam auch in Europa steigen. Andere Kunsthändler ahmen nun Durand-Ruels neuartige Erfolgsrezepte nach. Der moderne Galerist, der seine Künstler systematisch aufbaut und vermarktet, wird zum Normalfall. Und die Impressionisten sind die erste Generation von französischen Künstlern, die nicht durch das Wohlwollen von Herrschern oder die Anerkennung ihrer Zunftgenossen reich und berühmt werden – sondern durch Angebot und Nachfrage.

Durand-Ruel, stolz auf den Siegeszug seiner Protegés, lädt Kunstinteressierte nun bald regelmäßig zu Soireen in seine Privatwohnung in der Pariser Rue de Rome, wo Gemälde der neuen Maler die Wände zieren – und auf den riesigen Salontüren sogar exklusiv von Monet gestaltete Blumenranken prangen.

Als der Kunsthändler 1922 stirbt, hat er die Impressionisten zum Weltruhm geführt, hat Tausende ihrer Gemälde in öffentliche und private Sammlungen in Europa und jenseits des Atlantiks gebracht. Und selbst wenn längst auch andere Galerien mit der atmosphärischen Lichtmalerei handeln, wissen die Impressionisten genau, wem ihr Erfolg geschuldet ist: „Ohne Durand wären wir verhungert“, wird Monet sich erinnern. „Wir verdanken ihm alles.“

GEO Epoche Edition Nr. 22 - Claude Monet und seine Zeit

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