GEO.de: Warum war es überhaupt notwendig, die Identität Rudolf Heß‘ zu klären?
Jan Cemper-Kiesslich: Die Doppelgängerhypothese kursierte schon zur Zeit der Nürnberger Prozesse und wurde auch von prominenten Herrschaften vertreten, etwa dem amerikanischen Präsidenten Franklin D. Roosevelt oder dem späteren CIA-Direktor Allan Dulles. Nach 2011, als die Grabstätte Rudolf Heß‘ in Wunsiedel aufgelöst und die Gebeine eingeäschert worden waren, hatte sich die Doppelgängerhypothese verselbständigt.
Denn nun gab es keine Möglichkeit mehr, die Identität des Toten zweifelsfrei zu klären ...
... Bis Sherman McCall, der Erstautor der Studie, durch verschiedene Zufälle auf eine Blutprobe auf einem Objektträger aus Glas aufmerksam wurde. Er erkannte sofort, welches Potenzial seine Entdeckung hatte, und fragte mich, ob wir einen DNA-Test machen könnten.

Was waren die Herausforderungen?
Die Probe war relativ alt und durch viele Hände gegangen. Aber mit entsprechenden Erfahrungen im Bereich forensischer Spurenanalyse war das aus technischer Sicht ein nicht allzu großes Problem. Wir brauchten allerdings eine Vergleichsprobe. Und die wurde uns von einem Angehörigen der Familie Heß zur Verfügung gestellt, der in ungebrochener männlicher Linie mit Rudolf Heß verwandt ist.
Woher wissen Sie denn, dass die Proben echt sind?
Natürlich steht und fällt die Geschichte mit der Provenienz der Proben. Die Referenzprobe stammt von der Familie Rudolf Heß‘, und wir haben uns doppelt und dreifach abgesichert, dass die Angaben zutreffen. Das andere ist die Herkunft des Objektträgers. Einer der Co-Autoren der Studie war Militärarzt in Spandau – und hat die Probe für einen medizinischen Routinecheck eigenhändig entnommen, präpariert und in das Armeelabor nach Amerika gebracht.
Und was ist das Ergebnis Ihrer Analyse?
Wir haben die Y-chromosomale DNA untersucht und haben eine komplette Übereinstimmung zwischen der Blutprobe von „Häftling Spandau #7“ und der Referenzprobe bekommen. Das bedeutet, dass die beiden Probengeber mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit derselben männlichen Linie angehören. Damit ist die Doppelgängerhypothese widerlegt.