
Der erste Baumeister der philippinischen Reisterrassen war ein Jäger namens Wigan, so erzählt es eine Legende. Zu seiner Zeit ernährten sich die Menschen von Wild und Wurzeln, trotzdem herrschte immer wieder Hungersnot. Doch Wigan entdeckte die Reispflanze und begann, sie nivelliert an den Hängen der steilen Kordilleren anzupflanzen. Mit dem Segen des Gottes Mah-Nogan wurde der Reis zum Hauptnahrungsmittel der Ifugao, des Bergvolks im Norden der philippinischen Insel Luzon. Der Reisanbau wird dort seit jeher als Partnerschaft zwischen Göttern und Menschen gesehen. Auf so manchen teppichartig verflochtenen Reisfeldern wachen bis heute die aus Holz geschnitzten Reisgott-Statuen, "Bulul" genannt. Ihre traditionelle indigene Kultur konnten die Ifugao selbst während der spanischen Kolonialzeit erhalten, drei Jahrhunderte lang leisteten sie Widerstand gegen die christlichen Missionare. Die spanischen Kolonialherren trauten sich lange nicht in die abgelegene Bergwelt im Norden, sie sahen es als Gebiet der Kopfjäger, Rebellen und Heidenvölker.
Heute jedoch kommt die größte Bedrohung für die Reisterrassen und das Kulturerbe der Ifugao von innen: im Wandel ihres eigenen Lebensstils und in der Anpassung an die Moderne droht die Kulturlandschaft der Bergvölker unterzugehen.
Holprige Fahrt in den hohen Norden
Rund zehn Stunden mit dem Bus dauert die knapp 400 Kilometer lange Fahrt von der Hauptstadt Manila in das Herz der Kordilleren. Die Straßen sind eng und holprig, Erdrutsche sind keine Seltenheit. Die Busse sind meist vollgepackt, Last-Minute-Reisende erhalten einen Gangplatz inklusive Plastikstuhl. Was nicht passt, wird passend gemacht.
Mit einem Blick auf die majestätische Berglandschaft von Banaue im Morgengrauen ist die beschwerliche Fahrt im Nu vergessen. Die lebendige Kleinstadt Banaue auf 1200 Meter Höhe ist meist der erste Anhaltspunkt für Reisende in die Kordilleren. Von dort aus geht es mit gemieteten Tricycles oder einem Jeepney, dem lokalen philippinischen Bus in das Tal der Reisgötter, zum Startpunkt der Wanderung.

Majestätische Kulturlandschaft
Steil ragen die Stufen der Reisterrassen Richtung Himmel empor, wie ein kunstvolles Webstück überziehen sie die Berghänge der Provinz Ifugao. Bereits vor über zweitausend Jahren wurden diese Terrassen künstlich angelegt und seitdem mittels einer perfekt durchdachten Bewässerungsanlage in Stand gehalten. Ein Netzwerk aus Bambusrohren, eingebauten Kanälen und Gräben durchzieht jeden Hügel und leitet das Wasser auf die einzelnen Reisterrassen. Es ist eine majestätische Kulturlandschaft, das sich über eine Fläche von rund 20.000 Quadratkilometern erstreckt. Seit 1995 zählt dieses Gebiet zum Weltkulturerbe der UNESCO.
Bergführerin Lucy Rivera ist selbst Ureinwohnerin und hat bereits als Kleinkind bei der Reisernte mitgeholfen. "Im Gegensatz zu anderen Reisfeldern müssen die Terrassen in Ifugao das ganze Jahr über nass gehalten werden um ihre Struktur zu wahren. Wenn sie austrocknen, drohen die Terrassenwände einzustürzen," erklärt sie. Umgekehrt können starke Regenfälle Erdrutsche auslösen. Es ist ein fragiles Ökosystem, in dem auch zahlreiche Schnecken, Frösche, Fische und Krebse beheimatet sind. Nur ein einziges Mal im Jahr wird der Reis geerntet, Hochertragssorten sind in Ifugao noch nicht verbreitet: sie sind anfälliger für Parasiten und der notwendige Dünger ist für die meisten Bauern zu teuer. Um einen Hektar Reis abzuernten, seien mindestens 1000 Arbeitsstunden notwendig, sagt Lucy. Maschinen könnten auf den kleinen, steilen Parzellen bis heute nicht verwendet werden.
Wanderung durch das Amphitheater
Nach einem zweistündigen Fußmarsch über enge Pfade erreichen wir das Dorf Batad: versteckt hinter hohen Bergen liegt der malerische 1500-Seelen-Ort, eingebettet in Reisfeldern, so weit das Auge reicht. Ein geniales Patchwork verschiedener Grüntöne, das einem Amphitheater gleicht. Fast alle Bewohner Batads leben noch in den traditionellen Stelzenhütten aus Holz, Bambus und Gräsern. Auch Lucy Rivera wohnt mit ihrer siebenköpfigen Familie in einem dieser Ein-Zimmer-Häuser. Wie die meisten Menschen hier lebt auch ihre gesamte Verwandtschaft noch traditionell, ohne Kühlschränke, Fernseher oder Computer. Im Dorf gibt es eine Kirche und eine Grundschule, der nächste Arzt ist jedoch weit entfernt. Lucy hat alle ihre Kinder in Batad zur Welt gebracht, hochschwanger pflegte sie noch das Reisfeld ihrer Eltern, rund eine Stunde Fußmarsch von ihrem Haus entfernt.

Noch werden die Reisterrassen von den Einheimischen gerne das "Achte Weltwunder" genannt, aber die Reisterrassen von Ifugao sind bedroht. Immer mehr Bauern wandern in die Städte ab und überlassen ihre Felder der Verwilderung – zu wenig lukrativ ist die Arbeit in der Landwirtschaft. Von der Reisernte allein kann schon jetzt niemand mehr leben, viele betreiben deshalb nebenbei noch einen "Homestay", einen Souvenirladen oder sind als Touristenführer, wie Lucy Rivera, unterwegs.

Mit der schwindenden Lebensgrundlage drohen auch die überlieferten Bräuche und Traditionen der Ifugao in Vergessenheit zu geraten. Um dem gegenzusteuern, organisiert die Stadt Banaue jährlich das "Imbayah"-Festival, mit bunten Prozessionen, Tänzen, Ritualen und Sport-Wettbewerben. Das mehrtägige Kulturfestival bietet interessante Einblicke in diese faszinierende, geschichtsträchtige Bergregion. "So können wir unsere Traditionen aufrecht erhalten – und gleichzeitig hoffen wir, dass die Menschen dieser Region, die aus wirtschaftlichen Gründen abgewandert sind, doch noch zurückkehren," sagt der Bürgermeister von Banaue, Jerry Dalipog. Es sind vor allem junge Menschen, die der Bergwelt von Ifugao den Rücken kehren – die körperlich anstrengende Arbeit auf dem Feld ist für sie wenig attraktiv.
Dalipog bleibt dennoch hoffnungsvoll: "Wir möchten die Menschen daran erinnern, dass die Terrassen seit jeher die Lebensgrundlage ihrer Vorfahren waren und sie sich allein deshalb um die Reisfelder kümmern sollten – auch wenn sie nun ein besseres Leben außerhalb von Banaue führen."