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Correns: Frankreichs erstes Bio-Dorf

Saftige Wiesen, dichte Wälder, stets sprudelnde Brunnen und eine köstliche Küche: Correns in der "Provence Verte" ist eine Idylle wie aus dem Bilderbuch - und Frankreichs erstes "Bio-Dorf"

Inhaltsverzeichnis

Provence Verte

Der Weg in die Idylle führt durch ein Nadelöhr: Die Steinbrücke vor dem Dorf ist so schmal, dass mancher Fahrer sie nicht ohne Kratzer an den Kotflügeln bewältigt. Unter der Brücke plätschert der Fluss Argens in seinem blaugrünen Bett, so klar, dass man von oben die Forellen zählen kann. Ein einzelner Reiher stakst umher und äugt nach seinem Frühstück.

Bauernhof und Gästehaus: die "Domaine le Peyrourier" bietet schöne Ferienunterkünfte
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© Bertrand Rieger

Nein, sagt Jean-Claude Sadion, wenn er es recht überlege, habe sich in Correns seit seiner Kindheit fast nichts verändert - seit gut fünf Jahrzehnten also. Dann bleibt der pensionierte Postbeamte und stellvertretende Bürgermeister plötzlich mit einem Lächeln stehen: "Aber nein", korrigiert er sich. "Es gibt doch Neuigkeiten: Die Burgruine wird seit einiger Zeit restauriert. Und in die 'Auberge du Parc' am Dorfplatz ist ein neuer Patron eingezogen: Raymond. Der kann Ihnen zwischen Vorspeise und Hauptgang den 'Albatros' von Baudelaire vortragen. Fehlerfrei bis zur letzten Zeile." Für weiterreichende Umwälzungen, findet Monsieur Sadion, "sind wir zu weit von allem weg". Der Satz klingt wie eine Verheißung.

Walfischbuckel im Süden

Correns liegt im Herzen der "Provence Verte", die sich zwischen den Gorges du Verdon im Norden, dem Massif des Maures im Südosten und dem Walfischbuckel der Sainte-Baume im Südwesten erstreckt. Dichte Eichen- und Kiefernwälder bedecken die Hügel dieser Grünen Provence. Die Flüsse hier führen auch im Hochsommer reichlich Wasser. Ein grüner Teich, in den ein Tropfen plumpst, ziert das Logo der Region - man ist stolz auf den Wasserreichtum. Auf jedem Dorfplatz plätschert ein Brunnen. Während der trockenen Monate ist das im Süden Frankreichs kein selbstverständliches Bild.

Nach Correns muss man wollen

Souvenirboutiquen, Busparkplätze und Immobilienmakler dagegen sind rar hier; die Region liegt abseits der großen Reiserouten. Wer sich nicht traut, die bekannten Schaustrecken der Routes Nationales zu verlassen, wird die Provence Verte verpassen. "Nach Correns gerät man nicht zufällig", so formuliert es Monsieur Sadion, "nach Correns muss man wollen." Wer es heil über die Brücke geschafft hat, den erwartet auf dem Dorfplatz die vertraute französische Provinzmischung aus hôtel de ville und Kirche, Bar und boulangerie. Auf der Ockerfassade des Rathauses steht in großen, sorgfältig gemalten Lettern: "Liberté, Egalité, Fraternité". Von der anderen Ecke der Place Général de Gaulle lächelt eine Madonnenstatue. Morgens steigt der Duft von ofenfrischen Baguettes in die Nasen. Die Schüler auf dem Weg zum Unterricht grüßen mit einem artigen "Bonjour, Monsieur" oder "Bonjour, Madame".

Marie-Ange hat gerade die Rollläden hochgezogen. Die ersten Kunden stehen in ihrem Lebensmittelladen und halten einen Morgenschwatz mit der fidelen Händlerin.

Am Fuß eines mächtigen Felsens liegt Correns, abseits der großen Routen
Am Fuß eines mächtigen Felsens liegt Correns, abseits der großen Routen
© José Nicolas

Ein Dorf sieht grün

Mittags trifft man sich im "Cercle de l’Avenir", dem Dorfcafé, zum Aperitif. Dann rollt eine Blecharmada aus klapprigen R4-Kastenwagen und japanischen Pick-ups auf den Platz. Weil jeder fast bis an die Theke fahren will, ist der Platz vor der Bar bald völlig verrammelt. Am späten Nachmittag wiederholt sich das Schauspiel zum Gläschen am Feierabend - und leicht werden mehrere daraus. Auch sonst herrscht in Correns ein verlässlicher Rhythmus: Jeden Mittwochabend baut Jo seinen Pizzawagen vor dem Café auf. Donnerstags ist Markt für Fisch, freitags für Hühner und Obst.

Der Wein soll naturrein sein: Bürgermeister Michaël Latz führte ökologische Methoden ein
Der Wein soll naturrein sein: Bürgermeister Michaël Latz führte ökologische Methoden ein
© José Nicolas

Ein Dorf sieht grün Zwischendurch verirren sich möglicherweise ein paar Touristen in das Dorf, und staunen - auf dem Ortsschild steht: Frankreichs "premier village bio". Michaël Latz erklärt es abends in der "Auberge du Parc": "Die intakte Natur ist das Kapital von Correns und der gesamten Provence Verte." Der Bürgermeister, Nachfahre deutscher Einwanderer, bewirtschaftet als Winzer die "Domaine des Aspras", seit langem völlig ohne Chemie. Vor neun Jahren machte er sich daran, die Winzergenossenschaft von den Vorzügen des Bio-Anbaus zu überzeugen - und hatte Erfolg: Die große Mehrheit der rund 80 Winzergenossen stimmte dafür, den Weinbau konsequent auf Bio-Methoden umzustellen. Allerdings erforderte das auch keinen Riesenaufwand. "In Correns gibt es keine Großwinzer", sagt Latz, "einen massiven Einsatz von Chemie hatte es schon vorher nicht gegeben."

Seither sieht ein ganzes Dorf grün. Im Vallon Sourn, einer vier Kilometer langen Felsschlucht im Westen, tragen die Toilettenhäuschen Solarzellen auf den Holzdächern. Das linke Ufer des bei Kletterern und Kanuten beliebten Argens-Tals ließ die Kommune für Besucher sperren, den Reihern, Enten und Auwäldern zuliebe.

Der Held der Provence wiegt 110 Kilo Auch an der Dorfverschönerung wird fleißig gearbeitet. Jedes Jahr im Mai weiht irgendjemand in Correns einen neuen Brunnen ein. Einer davon steht im Garten der "Auberge du Parc", sein Plätschern ist unter dem Glyziniendach der Tonnelle des Amoureux, der "Laube der Verliebten", gut zu vernehmen. Doch die Grüne Provence kennt nicht nur tiefe Wälder, weltabgewandte Täler und verschwiegene Dörfer, sie hat sogar einen Helden zu bieten. Er wiegt 110 Kilo, ist knapp zwei Meter groß, heißt Bruno Clément, nach seinem Heimatort bekannt als "Bruno de Lorgues" - das kulinarische Schwergewicht der Region. Vom Fresko an seinem Restaurant in Lorgues segnet er die Provence Verte mit weit ausgebreiteten Armen. Mit dieser Geste ist der Küchenchef in ganz Frankreich bekannt geworden. Zu seinen Freunden zählen der berühmte Gastronom Alain Ducasse und Staatspräsident Jacques Chirac. Dabei kommt Bruno aus kleinen Verhältnissen. Als Kind hatte er nicht einmal die paar Sous, um nach der Schule mit Freunden im Café am Dorfcorso eine Limo zu trinken. Aber er war gesegnet mit einer Großmutter namens Mariette, die dem Jungen Trüffelomelette oder Folienkartoffeln mit Trüffeln vorsetzte. "Mange, c’est bon!", befahl die alte Dame dann, so wie es heute "Bruno de Lorgues" den Gästen befiehlt: "Iss, das schmeckt gut!" Wehe dem, der seiner Aufforderung nicht nachkommt. Der Koch ist für seine Temperamentsausbrüche bekannt. Verschont bleibt keiner: Prominente, die ihm zickig kommen, geleitet er schon mal umgehend zu ihrem Rolls-Royce auf dem Parkplatz. Aber dafür - und weil er "denen aus Paris" in Talkshows gern mal die Meinung geigt - liebt man Bruno in der Provence Verte. Seit kurzem macht er selber Fernsehen. Im ersten Film stellte er seine Heimat vor, natürlich. Und welches Dorf fand er am schönsten? "Correns! Dieses Dorf hat eine Seele."

Dicke Freunde: Beim Hühnerfüttern kümmert sich der kleine Fabrice besonders aufmerksam um sein Lieblingsküken
Dicke Freunde: Beim Hühnerfüttern kümmert sich der kleine Fabrice besonders aufmerksam um sein
Lieblingsküken
© Claude Fussler

Infos und Links

Infos und Links

WohnenL’Auberge du Parc:Die alte Dorfherberge wurde von Clément Bruno behutsam saniert. Rustikalelegante Zimmer, ausgesprochen freundlicher Service. Park mit Gartenlaube, Platanen, Brunnen und Pool - kurz: ein zauberhaftes Refugium. Place Général de Gaulle www.aubergeduparc.fr

Nicht nur Wein, auch Oliven und Gartenbau kommen ohne Chemie aus
Nicht nur Wein, auch Oliven und Gartenbau kommen ohne Chemie aus
© José Nicolas

La Terrasse:Apricotfarbenes Landhaus im Wald, einen Kilometer außerhalb von Correns - in absoluter Stille. Vier komfortable Zimmer mit Salon, Terrasse und Bett auf der Mezzanine. Pool. Vieux Chemin de Cotignac www.terrasse-provence.com

La Bastide des Aspras Herrschaftliches Landhaus aus dem 19. Jahrhundert im piemontesischen Stil. Sechs Zimmer mit Bad, großzügiges Esszimmer, zwei Salons, elegant eingerichtet mit Designermöbeln und Antiquitäten, Terrasse mit Blick auf die Weinberge. Chemin des Aspras,

www.aspras.com

Essen und Trinken:L’Auberge du Parc:Chef de cuisine Bertrand Lherbette hat bei "Bruno de Lorgues" gelernt: daher die Vorliebe für Trüffel. Ebenfalls exzellent: Gnocchi mit Morcheln in Flusskrebssud, Täubchen mit Foie gras. (siehe Unterkunft) Aktivitäten:K-NOE. Kanutouren auf dem Argens Place Général de Gaulle www.K-NOE.comKlettern: Die Schlucht Le Vallon Sourn bietet auf dem linken Ufer knapp 200 Aufstiege der Schwierigkeitsgrade 4 bis 8. Ausführlicher Kletterguide im Rathaus Einkaufen: Bio-Markt. Winzig, aber erstklassige Produkte: Obst, Eier Domaine des Aspras: Bio-Weine der AOC Côtesde-Provence. Fruchtige Weiße mit Aromen von Zitrusfrüchten, eine rote Cuvée Réserve mit Noten von Nelke, Harz und Eukalyptus

Chemin des Aspras www.aspras.com

Château Miraval Bio-Weine der AOC Côtes-de-Provence und Coteaux Varois. Komplexe Weiße mit Aromen von Blüten, Pfirsichen, Akazienhonig D 554 www.miraval.com

Feste und Veranstaltungen Fête de la Bio et du Naturel. Zweitägiges Fest mit Bio-Produkten, Vorträgen über erneuerbare Energie, ökologisches Bauen Drittes August-Wochenende

GEO Nr. 05/97

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