Als mit "hip" noch nicht langbärtige Berliner gemeint waren, sondern die coolsten Jazzmusiker unter der Sonne, da war Harlem das Zentrum der afroamerikanischen Avantgarde. Doch der Stadtteil versank im Laufe der Jahre in Chaos und Armut. Nun erlebt er ein sagenhaftes Comeback. Wenn New Yorker heute Livemusik, Kunst, gutes Essen genießen wollen, folgen sie ganz gefahrlos dem alten Jazzsong "Take the A-Train" oder gehen vom Central Park gen Norden. Die NY-Korrespondentin des STERN, Alexandra Kraft, verrät ihre Highlights im derzeit spannendsten Viertel.
FREITAG
1. Ansehen: Spaziergang durch Harlem 15 Uhr
Harlem im Schnelldurchlauf kann man auf dieser knapp zwei Kilometer langen Route erleben. Los geht es am Frederick Douglass Boulevard, bekannt für seine vielen Restaurants. Dann weiter in Richtung Osten über die 116th Street auf den Spuren der westafrikanischen Immigranten in Harlem – werfen Sie zum Beispiel mal einen Blick auf die bunten senegalesischen Körbe im Schaufenster von "Adja Khady Food Distributor". Danach geht es auf die Lenox Avenue – vorbei an Cafés und Kirchen –, die auf die 125th Street führt. Hier verkaufen zahlreiche Straßenhändler großartig überflüssige Dinge, wie zum Beispiel Spielkarten mit Obama-Motiven oder ätherische Öle, die riechen, wie Kim Kardashian aussieht.
2. Einkaufen: Serengeti Teas and Spices ab 17 Uhr
Tee- und Gewürz-Fans lieben diesen Raum zum Kosten und Einkaufen. Der Inhaber Caranda Martin lernte die geheime Welt der Kräuter und Gewürze im Garten seiner Großmutter in Afrika kennen.
Frederick Douglass Blvd 2292, Tel. 001-212- 866 71 00, www.serengetiteasandspices.com
Lieber nicht ... mit einer Bustour durch Harlem fahren.
Viel zu teuer dafür, dass man zu schnell durch ein Viertel rauscht, das zu Fuß viel spannender ist.
3. Essen und Trinken: Red Rooster
Der Hype war groß, als das Restaurant 2011 eröffnete. Besitzer und Küchenchef Marcus Samuelsson zählt zu den Besten seiner Profession. Der Äthiopier lernte das Kochen in Schweden, wohin er adoptiert worden war. Er experimentierte mit japanischer und afrikanischer Küche, holte sich Inspiration auf Reisen umdie Welt und schreibt Kochbücher. Mit dem "Red Rooster" kehrte er wieder an den Herd zurück. Heute wohnt er in Harlem und versteht sich als Koch für die Nachbarschaft. Sein Restaurant ist mit dunklem Holz und rotem Leder gemütlich eingerichtet. Die Spezialität des Hauses: Fleischbällchen mit Preiselbeeren und Kartoffelbrei. Sonntags gibt es zum Essen Jazz unplugged.
Lenox Ave 310 (Malcolm X Boulevard), Tel. 001-212- 792 90 01, www.redroosterharlem.com
4. Musik: APT. 78 ab 20 Uhr
Die Lounge Bar sieht wirklich aus wie ein New Yorker Apartment – ein sehr, sehr volles allerdings. Sie liegt zwar ein paar Blocks nördlich des eigentlichen Harlem, ist aber ein beliebter Treff für Fans der schwarzen oder eher bunten Musikszene, von Reggae über Hip-Hop bis Latin.
Broadway 4447, Tel. 001-646-490 46 57, mittwochs Livemusik, www.apt78.com
Gut zu wissen: www.harlemonestop.com hat aktuelle Termine, auch kleine, unbekanntere Events in den diversen Nachbarschaften. Unter dem Motto "Traces, Faces, Places" bietet die Website eigene Touren an.
SAMSTAG
5. Einkaufen: Bébénoir ab 10 Uhr
Der Modedesigner Ibrahima Doukoure und seine Frau Fatima Sidibe, die Schöpfer dieser Modemarke, stammen aus Guinea. Sie starteten mit selbst genähten T-Shirts, heute werden ihre Kollektionen gefeiert. Produzieren lassensie mittlerweile in Afrika und verstehen dies als Beitrag zur Unterstützung des Kontinents, wie der Designer betont. Ihr Shop führt auch Stücke junger afroamerikanischer Modetalente.
Frederick Douglass Blvd 2164, Tel. 001-212-828 57 75, www.bebenoir.com
6. Einkaufen: Harlem Haberdashery
Der Rapper Jay-Z kleidete sich hier für sein Video zur New-York-Hymne "Empire State of Mind" ein, der Fußball-Popstar David Beckham für einen Werbedreh. Das angesagte Label "5001 Flavors" ist ein Familienunternehmen und stattet Musik- und Showstars mit Kostümen und Kleidung aus. So fährt auch regelmäßig P. Diddy im Rolls-Royce vor. Aber nicht nur celebrities finden in dem kleinen Laden im Keller eines Brownstone-Hauses hochwertige Mode. Die Stücke sind handgefertigt und können individuell angepasst werden. Keine Sorge, es gibt nicht nur Teures – T-Shirts bekommt man im Laden ab 20 Dollar.
Lenox Ave 245 (Malcolm X Boulevard), Tel. 001-646- 707 00 70,
7. Essen und Trinken: Harlem Shake ab 13 Uhr
Nennt es retro oder old school – das Milchshake-und-Burger-Lokal sieht nicht nur klassisch und schlicht aus, es behandelt auch seine Produkte so: Die Milch für die Shakes stammt von Bio-Produzenten; Burger und Hot Dogs, Klassiker der US-Küche, werden auf traditionelle Weise zu Gourmet-Snacks verfeinert. Dafür reisen Gäste aus ganz New York an. Die Soßen sind natürlich auch hausgemacht.
West 124th St 100, Tel. 001-212- 222 83 00, www.harlemshakenyc.com
8. Ansehen: Jumel Terrace Books
Der Laden von Kurt Thometz mag zwar eine Buchhandlung sein, man kommt sich jedoch eher vor wie in einem Museum. Die Wände verschwinden hinter Büchern. Es riecht leicht muffig. "Das muss so sein", sagt Thometz und lächelt. Der 62-Jährige, der die Bibliotheken der Reichen und Schönen mit edlen Büchern bestückt, sagt von sich selbst: "Eigentlich bin ich ein Schwarzer im Körper eines Weißen. Die Natur hat da einen Fehler gemacht." Sein Leben lang sammelt er Bücher afrikanischer und afro-amerikanischer Autoren. Ein paar ausgewählte Bände verkauft er in seinem Geschäft im Keller eines Brownstone-Hauses.
"Auch wenn es mir jedes Mal schwerfällt, sie wegzugeben." Die meisten behält er deswegen auch fürsich. In den zwei oberen Stockwerken hat er rund 15 000 Bücher zusammengetragen. Viele sind wertvolle Einzelstücke. Stolz führt er Besucher herum. Der Mann mit den langen Haaren und der braunen Hornbrille ist ein großartiger Erzähler. Zu fast jedem Buch kennt er eine kleine Geschichte. Seit zehn Jahren lebt er in Harlem, vorher hatte er eine Wohnung in Brooklyn. Warum er nach Harlem kam? "Das hier ist der Ort, wodie Civil Rights geboren wurden, die Bürgerrechte. Harlem ist die schwarze Hauptstadt der USA. Ich will sein, wo Geschichte gelebt wird."
West 160th St 426, Tel. 001-212-928 95 25, geöffnet nach Vereinbarung: kurt@kurtthometz.com,
9. Musik: Apollo Theater 20 Uhr
Die roten Buchstaben der Leuchtreklame sind schon aus der Ferne zu sehen und kündigen eine Legende an. 1913 als Burlesque Club eröffnet, wandelte sich das "Apollo Theater" in den Dreißigern zu einem in den ganzen USA populären Konzertsaal für afroamerikanische Künstler. Immer mittwochs traten bis dahin unbekannte Musiker und Tänzer bei der sogenannten "Amateur Night" gegeneinander an. Buhte das Publikum zu sehr, kam ein Mann mit dem Besen und fegte die Künstlerin oder den Künstler von der Bühne. 1934 hatte an einem solchen Abend Ella Fitzgerald mit 17 Jahren ihren ersten Auftritt. Natürlich gewann sie. 1964 ging Jimi Hendrix als Sieger von der Bühne. Endgültig zur Legende wurde das "Apollo", als 1962 der erste Konzertmitschnitt des "Soulman" James Brown zum Hit wurde. Nach einer schweren Krise in den Achtziger und Neunzigerjahren wurde das Theater ab 2001 aufwendig renoviert und verbreitet heute wieder den Charme alter Zeiten. Auch die "Amateur Night" ist zurück. An den Abenden dazwischen treten bekannte Musiker auf.
West 125th St 253, Tel. 001-212-531 53 00, www.apollotheater.org
SONNTAG
Unbedingt ... am Sonntag früh aufstehen und einen Gottesidenst in den Kirchen besuchen. Musikalisch, fröhlich, stimmgewaltig – fast wie ein Konzert.
10. Musik: St. John The Divine
Kaum betritt man durch die schwere Tür den Innenraum der Kathedrale, scheint der lärmende Straßenverkehr weit, weit weg. Der lange Gang durch die riesige Kirchenhalle bis zum hölzernen Gestühl vor dem Altar nimmt die Geschwindigkeit des Alltags aus den Schritten. Jeden Sonntag singen hier Chöre aus aller Welt. Die Kathedrale, die auch Sitz des Bischofs der amerikanischen Episkopalkirche ist, zählt zu den vier größten der Welt und ist eine ewige Baustelle. 1893 wurde der Grundstein gelegt, aber mehr als 100 Jahre später ist sie längst nicht fertig. Das wird wohl auch noch eine Weile so bleiben, denn 1993 wurden die Bauarbeiten wegen Geldmangels vorerst eingestellt. So klafft vor dem Altar ein riesiges dunkles Loch in der 49 Meter hohen Decke.
Amsterdam Ave 1047, Tel. 001-212-316 75 40, geöffnet tägl. 7.30–18 Uhr; Eintritt frei, Spende erwünscht, www.stjohndivine.org
11. Ansehen: Studio Museum ab 11 Uhr
Dieses Haus, untergebracht in einem alten Bankgebäude, hat in Harlem Geschichte geschrieben. Es ist seit seiner Eröffnung 1968 das einzige Museum in den USA, das sich ausschließlich zeitgenössischer afroamerikanischer Kunst widmet. Und es versteht sich als Archiv für die Geschichte der Schwarzen in Harlem, zu betrachten beispielsweise in der Sammlung historischer Fotos des Harlemer Fotografen James Van Der Zee.
West 125th St 144, Tel. 001-212-864 45 00, Eintritt 6,50 €, www.studiomuseum.org
12. Essen und Trinken: Sisters Carribean Cuisine ab 13 Uhr
Authentische karibische Küche. Die Spezialität der Besitzerin Marlyn Rogers und ihres Kochs Neville ist Masala-Curry-Hühnchen.
East 124th St 47, Tel. 001-212-410 30 00, www.sisterscuisine.com
13. Ansehen: Inwood Hill Park ab 14 Uhr
Wo der A-Zug endet, liegt Harlem schon weit zurück, aber die New Yorker kümmern sich nicht um Stadtteilgrenzen, für sie gehört dieses Stück Wildnis einfach zu Harlem. Sie fahren bis zur Endstation und genießen diesen einmaligen Park mit Steinhügeln, versteckten Höhlen und dichtem Laubwald. Hier lebten bis ins 17. Jahrhundert die Lenape-Indianer. Von ihnen, so geht die Legende, kaufte der Niederländer Peter Minuit 1626 die Insel Manhattan – für Waren im Wert von 60 Gulden. Heute erinnert eine Plakette im Park an den Handel.
Eine Karte und weitere Infos unter: www.nycgovparks.org
14. Essen und Trinken: The Cecil
Das Lokal mit seiner afro-asiatisch-amerikanischen Küche wurde vom US-Magazin "Esquire" zum "besten neuen Restaurant der USA" gekürt.
West 118th St 210, Tel. 001-212-866 12 62, www.thececilharlem.com
15. Musik: Marjorie Eliot Parlor Jazz ab 21 Uhr
Immer sonntags lädt die alte Dame zu einem Jazzkonzert in ihre Wohnung ein. Marjorie Eliots Auftritte, manchmal von ihrem Sohn Rudel Drears unterstützt, sind legendär. Bis zu 50 Besucher haben Platz auf den Plastikstühlen in Wohnzimmer und Flur. Eliot will mit den Konzertenan ihre beiden verstorbenen Kinder erinnern. Sie sagt: "Ich tue das, um sie zu feiern. Es hilft mir auf so vielen Wegen."
Edgecombe Ave 555, Studio 3F "The Tripple Nickel", Tel. 001-212-781 65 95; Eintritt frei, Spende erwünscht
Schlafen
16. Harlem YMCA
Kein richtiges Hotel, aber besser ausgestattet als ein Hostel. Das „YMCA“ verfügt über 90 Zimmer, die meisten Einzel und Doppelzimmer. Das Bad wird geteilt. Dafür können sich Gäste nach ihren Touren durch Harlem in Sauna, Dampfbad, Pool oder Gym entspannen.
West 135th St 180, Tel. 001-212-912 21 00, DZ 123 €, www.ymcanyc.org
17. The Harlem Flophouse
"Für Offizielle: Kein Durchsuchungsbefehl, kein Zutritt." So steht es an der Eingangstür. Das kleine Hotel in einem viktorianischen Stadthaus hat alle Höhen und Tiefen des Stadtteils mitgemacht. Um 1890 gebaut, wurde es 1917 als Herberge für Afroamerikaner genutzt, die aus dem Süden der USA einwanderten. Flophouse ist ein Synonym für billige Hotels, die gern von Jazz-Musikern, Schriftstellern und Künstlern genutzt werden. Der heutige Besitzer René Calvo hat das Gebäude 2001 liebevoll renoviert. Die Zimmer sind kleine Kunstwerke mit ihren alten Möbeln, mit Zinn verzierten Decken und bunten Tapeten. Aber: Die Gäste müssen sich zwei Gemeinschaftsbäder teilen. Die sind aber dafür nostalgisch mit original Klauenfüßen-Badewanne ausgestattet.
West 123rd St 242, Tel. 001-347-632 19 60, DZ ab 115 €,