
Unsere Familie hat eine spezielle Beziehung zu Den Haag, denn meine Tante Annie wurde in den Dreißigern bei einem Contest am Strand zur "Miss Bein" gewählt. Heute studiert meine Tochter im politischen Herzen der Niederlande mit 500 000 Einwohnern – international und gemütlich zugleich.
Mein erster Weg führt mich stets ins Panorama Mesdag (Zeestraat 65, www.panorama-mesdag.nl), ein zylinderförmiges Gemälde des Fischerdorfs Scheveningen aus dem 19. Jahrhundert, 120 Meter lang und 14 Meter hoch. Darauf tanzen Segelschiffe über die Nordsee, und Fischer flicken ihre Netze am Strand. Heute gehört Scheveningen zur Stadt, und der Strand ist voller Beachbars wie Peukie (www.peukie.nl) mit weißen Lounge-Sofas. Nur das prächtige Kurhaus an der neu gestalteten Promenade mit 2 Skulpturen, jetzt ein Hotel, zeugt von der Historie als mondäner Badeort (www.amrathkurhaus.com). Ruhiger sind Strand und Dünen von Kijkduin mit dem Landschaftskunstkrater Hemels Gewelf.
Überraschung: Stadtrechte hat Den Haag nie bekommen. Die Regierung, der König und rund 160 globale Organisationen residieren im Riesendorf. Dabei können Besucher durch historische Viertel schlendern, über Strände und Einkaufsstraßen, in denen man nicht von bekifften US-College-Jungs herumgeschubst wird wie in Amsterdam. Zudem sind mehr Sehenswürdigkeiten pro Quadratmeter zu finden als in allen anderen Städten Hollands, zum Beispiel der Vredespaleis (Carnegieplein 2, www.vredespaleis.nl). Hinter der imposanten Neorenaissance-Fassade tagt etwa der Internationale Gerichtshof. Museen, Passagen und Paläste sind in Den Haag schön kompakt arrangiert. Von Mai bis September findet auf dem Prachtboulevard Lange Voorhout, Vorbild des Berliner Pendants Unter den Linden, ein Antik- und Büchermarkt vor Stadtpalästen statt, in denen viele der 107 Botschaften untergebracht sind. Platzhirsch ist das Hotel des Indes (Lange Voorhout 54–56, www.hoteldesindes.nl), 1859 als Partypalast für einen Baron erbaut, später in ein Traumhotel umgewandelt. Auch wer nicht in den Himmelbetten schläft, kann zum legendären High Tea kommen. Beim Betreten der Halle mit Perserteppichen, Marmorsäulen und Kronleuchtern grüßt die gemalte Mata Hari, einst hier zwischen Diplomaten und Königen auf der Pirsch nach geschwätzigen Opfern. Im Escher-Museum (Nr. 74, www.escherinhetpaleis.nl) funktioniert die Ehe zwischen dem ornamentalen Palast aus dem 18. Jahrhundert und den perspektivischen Unmöglichkeiten des grafischen Künstlers Maurits Cornelis Escher erstaunlich gut.
Auf den Besuch im gerade umgebauten Museum Mauritshuis (Plein 29, www.mauritshuis.nl) freue ich mich besonders: Carel Fabritius’ Vogel-Bild ist mir früher neben Schmuckstücken wie Vermeers Mädchen mit den Perlenohrring nie aufgefallen, aber seit ich Donna Tartts Meisterwerk "Der Distelfink" gelesen habe, brenne ich darauf, die Hauptfigur genau anzusehen. Gleich hinterm Hotel des Indes liegt der Denneweg, charmant mit Antiquitätenläden, Bistros und Bars. Ein Sightseeing-Must ist der nahe Binnenhof (Führungen: www.prodemos.nl), ein Innenhof mit Parlament in mittelalterlichen Prachtbauten. Der Ministerpräsident arbeitet in einem Türmchen. Davor glitzert der Weiher Hofvijer, dahinter eine Phalanx ansehnlicher Wolkenkratzer. Auf dem Plein, einem Platz mit vielen Bars und Restaurants, trinke ich im Café George (Nr. 11, Tel. 0031-70-737 10 32) ein Citron pressé und schaue dann noch beim König auf der Flaniermeile Noordeinde mit ihren Galerien vorbei. Aber: Keine Fahne weht auf dem Arbeitspalast, Willem-Alexander und Máxima sind gerade woanders.
Infos zu Den Haag
Tourist Office:www.denhaag.com
Schlafen in Den Haag:
Komfortable Nostalgie bietet das Hotel Carlton Ambassador (Sophialaan 2, www.carlton.nl). Im Heilige Geest Hofje lässt sich ein Häuschen mieten (Paviljoensgracht 125, www.hetheiligegeesthofje.nl). Perfekt für Familien: Vakantiepark Kijkduin am Strand (www.roompot.de).
Essen in Den Haag:
Seit 65 Jahren serviert Garoeda beste indonesische Küche (Kneurterdijk 18 a, Tel. 0031-70-3465319). Der Haagse Markt ist üppig, günstig und der größte Europas (Herman Costerstraat; Mo, Mi, Fr, Sa).
Kultur in Den Haag:
Zwei Geheimnisse hinter Türen: Hofjes – Gärten mit Mini-Häuschen, einst gebaut für Witwen, und Versteckte Katholische Kirchen, nach der Reformation geduldet (www.denhaag-holland.de). Der beste Führer dorthin: Remco Dörr (Tel. mobil 0031-622-90 00 43).