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Reykjavik: Wasser marsch!

Wer nach Reykjavik fährt, erlebt Wasser in all seinen Formen: Kaltes von oben, Warmes von unten und Feuriges aus der Flasche. Dazu gibt es alle vier Jahreszeiten - an einem Wochenende

Ein Wochenende in Reykjavik beginnt man am besten in der Badehose, denn die berühmteste heiße Quelle, die Blaue Lagune, liegt nur wenige Kilometer vom Flughafen entfernt.

Schon von weitem sieht man das Kraftwerk dampfen, dessen ehemalige Abwassergrube heute ein erdwarmes Bad mit Heilwirkung ist. Milchig-blaue Rinnsale in der Lava weisen den Weg zum schwefeligen Badeloch. Hier wärmt uns das fast vierzig Grad heiße Wasser, während Hagelschauer die Ohren gefrieren lassen. Sommer in Island. In der Abendsonne genießen wir den Blick über die Lavafelder, reiben uns das Gesicht mit weißem Kieselerdeschleim ein und fühlen uns danach seltsam geliftet. Einzig die Haare vertragen sich nicht mit den Zutaten des Wassers. Noch zwei Tage später kommt kein Kamm durch so viel Filz.

Reykjavik: Wasser marsch!
© Maike Dugaro

Etwas schwindelig von Hitze, Salzen und Kieselerde beziehen wir unser Zimmer im Hotel Nordica. Der deutsche Rezeptionist verrät uns, dass hier einst Rudi Völler überschäumte, nachdem schräg gegenüber Deutschland 0:0 gegen Island gespielt hatte. Wie ihm das bei diesem beruhigenden Panorama passieren konnte, ist uns schleierhaft. Wir versinken erst in den Sesseln in unserem Zimmer, dann in dem Ausblick auf die Bucht von Reykjavik, an die sich mächtige, verschneite Berge schmiegen. Dieser Blick entschädigt auch für das Rauschen der vierspurigen Straße direkt vor dem Hotel.

Ist es Tag oder schon Nacht? Das weiß man in Reykjavik nie so genau
Ist es Tag oder schon Nacht? Das weiß man in Reykjavik nie so genau
© Maike Dugaro

Feuerwasser vom Troll

Später kosten wir im Seafood cellar von allem, was das Meer auftischt: Shrimps, Jakobsmuscheln, Fischspezialitäten – so kunstvoll auf den Teller drapiert, dass wir vor lauter Staunen fast das Essen vergessen. An der Bar treffen wir einen Mann, der aussieht wie ein Troll: nicht besonders groß, kräftiger Körper und dunkle Augen in einem mächtigen Kopf. Er erklärt uns, dass er nicht Troll, sondern Schriftsteller sei und Einar Karason heiße. Auch seine Romane handelten nicht etwa von den verborgenen Wesen Islands, sondern fast alle von seiner Familie. Die sei so verrückt, da gebe es genug zu erzählen. Er lädt uns zum Feuerwasser "Schwarzer Tod" ein, das seinen Namen auf jeden Fall verdient hat, und erzählt von Onkeln und Tanten, die Fluggesellschaften gründeten oder Politiker waren. Wir glauben nach dem Schnaps sowieso alles, beschließen, mindestens eines seiner Bücher zu lesen, und ziehen

weiter ins NASA.

Draußen ist es noch hell, obwohl es mittlerweile fast Mitternacht ist. Im NASA, einem ehemaligen, schmucklosen Theater, treten oft kleinere isländische Bands auf. Heute spielen hier ihre Nachbarn, die Färöer. Die Musik fegt wie ein Schneesturm über uns hinweg, schüttelt uns durch und pustet uns nach einer Stunde wieder nach draußen.

Und weil in Reykjavik nichts wirklich weit weg ist, schlendern wir zu Fuß ins Kaffibarinn. Die Bar gehört der isländischen Popssängerin Björk und dem britischen Island-Fan Damon Albarn von der Band Blur. So ausgeflippt wie man es von Björk erwarten würde, ist es hier nicht, dafür aber gerammelt voll. Die Isländer drängen sich um Holztische, goldene Säulen und auf durchgesessenen Sofas im Obergeschoss. Sie trinken teures Bier und noch teureren Schnaps und wippen zu exzellenter Musik. Heruntergelassene Rollläden simulieren die Nacht. Als wir uns auf den Heimweg machen, ist es endlich dunkel. Die Straßen sind voll und die Isländer sind es auch.

Reykjavik: Wasser marsch!
© Maike Dugaro

Um wie viele Stunden uns das fast durchgehende Tageslicht wirklich betrogen hat, merken wir erst am nächsten Morgen. Das helle Licht ist nur mit Sonnenbrille zu ertragen, als wir mit dem Mietwagen einen Ausflug zum Großen Geysir und seinem kleinen Bruder, dem Strokkur, unternehmen. Wir fahren vorbei an kleineren heißen Quellen am Straßenrand, deren weißer Dampf sich in der Luft mit den Wolken mischt - fast sieht es aus, als würden die Isländer ihre Wolken selbst herstellen. Das Wetter spielt verrückt: Erst Regen, dann Sonne, dann Sturm und zum Schluss Hagel. Das alles innerhalb weniger Minuten. Die Isländer haben sich damit abgefunden und sich eine praktische Redensart zugelegt: "Wenn dir das Wetter nicht gefällt, warte fünf Minuten. Es ändert sich sowieso."

Islands meist fotografierter Wasserfall: der Gulfoss
Islands meist fotografierter Wasserfall: der Gulfoss
© Maike Dugaro

Greiser Geysir

Der Große Geysir spuckte viele Jahrhunderte heißes Wasser über 60 Meter hoch in die Luft. Über die Jahre ist er allerdings etwas müde geworden und erhebt sich heute nur noch ein Mal pro Tag. Wir warten vergeblich und wenden uns dann seinem kleinen, wesentlich aktiveren Bruder zu. Der blubbert, wölbt sich langsam und stößt schließlich explosionsartig alle zehn Minuten eine heiße türkisfarbene Fontäne viele Meter hoch hinaus. Und weil wir danach noch immer nicht genug von Wasser haben, fahren wir auf dem Rückweg noch beim mächtigen Gulfoss Wasserfall vorbei, lassen uns von der Gischt berieseln, zählen Regenbogen und knabbern an einem Stück Stockfisch. Den kauft man in Island in Tüten, die aussehen, als wären sie für Schuhsohlen gemacht. Ein bisschen schmeckt der Fisch auch so.

Weil sich das Wetter dann für mehrere Stunden für noch mehr Wasser entscheidet, kehren wir nach Reykjavik zurück. Im Isländischen Nationalmuseum zeigt die Dauerausstellung "The Making of a Nation" Islands Geschichte von den ersten Wikingerschiffen bis zu den ersten Fernsehgeräten. Wir fotografieren uns gegenseitig in alten Rüstungen und trinken einen heißen Tee im Museumscafé. Dann reißt plötzlich der Himmel auf und wir beschließen, einen Spaziergang am Strand zu machen. In Nauthólsvík, nur fünf Minuten vom Stadtzentrum entfernt, haben sich die Isländer einen eigenen Badestrand aufgeschüttet. Das Meer hat sommerliche 20 Grad, denn hier wird das Wasser mit Erdwärme beheizt. Zum Baden ist es draußen heute allerdings zu kalt. An der kleinen Bucht laufen wir barfuß durch den Sand, strecken die Füße in den Atlantik und liegen anschließend in warme Jacken gewickelt im Sand. Sommer in Island.

Mehr zum Thema

Die Themen: Aktuelle Reisetipps; Zungenbrecher: Die isländische Sprache; Kamtschatka: Jens Rehländer im Gespräche mit GEO-Expeditionsleiter Uwe George; Rätsel. Moderation: Mathias Unger (Länge: 24:12 Min.; 27,6 MB)

Info:

Die Blaue Lagune:

www.bluelagoon.com

Hotel Nordica

Sudurlandsbraut 2, www.nordicahotelreykjavik.com

Seafood cellar

Aðalstræti 2, 101 Reykjavik, www.sjavarkjallarinn.is

NASA

Thorvaldsenstræti 2, www.nasa.is

Kaffibarinn

Bergstaðarstaeti 1

Isländisches Nationalmuseum

Suðurgata 41, www.natmus.is

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